Wir haben Turkmenistan hinter uns gelassen. Die Grenzkontrolle von Usbekistan wartet in Form eines Amtsarztes, der als erstes unsere Temperatur auf der Stirn misst. Puh! Bei der Hitze. Mit 37,6°C liegt meine Temperatur über dem vorgeschriebenen Grenzwert. Der Arzt will mich nicht weiter lassen. Ok, ruhig bleiben, denke ich mir und trinke erst einmal etwas. Nochmal messen. Die Temperatur steigt weiter, also noch mehr trinken. Nach einem Liter ist der Arzt endlich zufrieden und gibt mir meinen Pass zurück. Puh, fast wären wir im Niemandsland zwischen Turkmenistan und Usbekistan gestrandet bzw. ich in Quarantäne gekommen. Bei der eigentlichen Kontrolle werden nur unsere Medikamente und Bücher gecheckt. Drogen? Bücher? Religiöse oder staatsgefährdende Literatur? Nichts dergleichen, wir haben nur E-Books und danach hat keiner nicht gefragt. Unsere Räder und unser restliches Gepäck interessieren keinen. Und so geht es rein nach Usbekistan.
Eine kilometerlange Schlange von LKWs wartet auf ihre Einreise nach Turkmenistan. Alle wollen Geld wechseln, da uns aber der inoffizielle Wechselkurs des Schwarzmarktes nicht bekannt ist, bleiben wir vorsichtig. Die erste Nacht verbringen wir zwischen Fluss und Straße, bis in den Abend fahren immer wieder Trucks an uns vorbei, um sich in die endlose Schlange einzureihen.
Das erste, was uns auf den usbekischen Straßen auffällt, sind die vielen Fahrräder. Ob alt, ob jung, die Menschen sind mit dem Fahrrad unterwegs. Aber auch hier sieht man fast ausschließlich Männer. Es ist unverkennbar, dass hier deutlich fetter gegessen werden muss. Die Menschen und vor allem die Frauen sind deutlich rundlicher als die schlanken Turkmeninnen. Die Landschaft ist wieder grüner geworden. Aprikosenbäume und Baumwollplantagen zieren den Wegesrand. Leider ist die Aprikosensaison schon vorbei, und es wird nur noch Saft am Wegesrand verkauft.
Die Straße nach Buchara kostet uns einiges an Nerven. Schlaglöcher über Schlaglöcher. Kurz vor der Stadt dann noch eine Baustelle, Autos drängen uns immer wieder von der Fahrbahn. Der Verkehr wird zur Zerreißprobe. In der Altstadt dann Ruhe, kein Verkehr, nur ein paar Touristenbusse. In einer kleinen Seitengasse finden wir mit dem Hotel Nazira eine kleine Oase. Wir sind hungrig und schlagen beim Frühstück mit Eiern, Pancakes, Marmelade, Käse und Wurst so richtig zu. In Buchara ist alles zentral und gut zu Fuß zu erreichen. Wir mischen uns unter die etlichen vor allem deutschen Touristengruppen. Auf dem Bazar kosten wir Honig, getrocknete Käsekugeln, welche traditionell zu Bier serviert werden, Trockenfrüchte und Unmengen an Obst. Natürlich bleibt es nicht nur beim Probieren, sondern wir schlagen auch ordentlich zu.
Da unsere Kamera mitten in Turkmenistan plötzlich den Dienst eingestellt hat, müssen wir unbedingt eine neue finden. Andi hat versucht die Kamera zu reparieren, aber ohne Erfolg. Das Objektiv verweigert weiterhin seinen Dienst. Wahrscheinlich war der turkmenische Wüstensand doch zu viel für sie. Es sieht schlecht aus, hier etwas Brauchbares zu finden. Die kleinen Elektronikläden haben nur Spiegelreflex der billigsten Kategorie oder einfache 100 € Kameras. Nicht das was wir suchen und was wir wollen. Die Einheimischen und auch andere Reisende sagen uns, dass die Chancen etwas in Usbekistan zu finden sehr gering sind. Auch in Duschanbe wissen wir nicht genau, ob wir etwas bekommen. Das Risiko ist groß, dass wir im Pamir ohne Kamera da stehen. Das gilt es mit allen Mitteln zu vermeiden. Wir entscheiden uns für die Sicherheitsvariante und lassen uns eine Kamera aus Deutschland schicken.
Am Independence Day ist den ganzen Vormittag das Internet abgestellt. Was bei uns undenkbar wäre, ist hier nichts ungewöhnliches. Fast hätten wir Bernhard verpasst, der auch in Buchara angekommen ist. Jetzt sind wir schon zu viert, die gemeinsam in Richtung Samarkand unterwegs sind. Und die Karawane zieht weiter ...
Aus den Medien hören wir, dass der usbekische Präsident Karimow gestorben ist. Es wird vor möglichen Unruhen gewarnt, aber davon bekommen wir nicht viel mit. Es bleibt alles friedlich.
Die Gegend in Richtung Samarkand ist wieder landwirtschaftlich geprägt. Es ist schwierig, einen Zeltplatz für die Nacht zu finden, vor allem für drei Zelte. Wir fragen bei einem Einheimischen. Bei Sarif und seinen Bienen dürfen wir letztendlich unsere Zelte vor seiner bescheidenen Hütte aus Lehm und Stroh aufstellen. Wir bekommen frischen Honig zum Tee - was eine Genuss. Traurig erzählt uns Sarif am nächsten Morgen, das der Präsident gestorben ist. Anscheinend haben die staatlich kontrollierten Medien es erst jetzt öffentlich gemacht. In den deutschen Medien war das schon einen ganzen Tag vorher bekannt.
In einem kleinen Ort namens Gala wollen wir eigentlich nur im kleinen Magazin des Dorfs einkaufen und unsere Wasservorräte auffüllen. Prompt verbringen wir aber die Nacht bei einer Familie. Da wir bereits alles für das Abendessen eingekauft haben, beginnen wir das Abendessen zuzubereiten. Die hochschwangere Hausfrau lässt sich nicht beirren uns beim Kochen zu helfen. Ich versichere ihr zwar, dass ich die Zwiebeln und Tomaten für den Reis auch selbst schneiden kann, aber nichts da. Wir werden rundum versorgt. Der Abend ist lustig, auch wenn wir nicht viel verstehen, es geht aber trotzdem irgendwie. „Ich habe heute Klassendienst“ ist so ziemlich der einzige deutsche Satz, der im Gedächtnis einer älteren Dame noch hängen geblieben ist.
Wir erfahren, dass heute das Staatsbegräbnis des Präsidenten stattfindet. Dieser wird in seiner Heimatstadt Samarkand beigesetzt. Am Nachmittag kommen uns etliche Buskonvois mit Anzugträgern und Blaulicht entgegen.
Am nächsten Tag treffen auch wir in Samarkand ein. Am Begräbnis war die ganze Stadt abgeriegelt, alles geschlossen und die Menschen durften das Haus oder Hotel nicht verlassen. Wir wären also eh nicht in die Stadt rein gekommen.
Das Bahodir B&B in Samarkand ist so ziemlich der angesagteste Anlaufpunkt für Traveler entlang der Seidenstraße. Zugegeben, der Innenhof lädt förmlich dazu ein, sich mit anderen Travelern auszutauschen, die Zimmer sind aber ziemlich heruntergekommen und dreckig. Das völlige Gegenteil zu dem, was wir in Buchara erlebt haben.
Der Registanplatz, das Wahrzeichen Samarkands, ist mit seinen Medresen und Minaretten ein geschichtsträchtiges Überbleibsel. Schade, dass das Innere von Souvenirläden geprägt ist, die das große Geschäft wittern. Auch in Usbekistan ist die Touristenabzocke bereits angekommen. Für 10$ pro Person verdienen sich die Wächter eine goldene Nase, indem sie Touristen in ihrer Dienstzeit auf das Minarett lassen. „No children?“- „After Minarett children!“ Na, dann ist es ja nicht schlimm, wenn wir nicht hoch gehen.
Putin kündigt sich für den nächsten Tag an, das Grab des Präsidenten zu besuchen. In der Stadt ist die Hölle los. Arbeiter streichen Laternen, die Wasserrinnen werden ebenfalls neu gestrichen (natürlich ohne sie vorher sauber zu machen), die Grünanlagen gemäht, die Wellblechdächer des Basars ausgebessert, selbst die Straße zum Grab wird neu asphaltiert. Frauen pflanzen frischen Basilikum in die Blumenkübel. Ich habe noch nie so viel Basilikum gesehen wie in Samarkand. Überall in den Grünanlagen, Blumenkübeln und Innenhöfen, es scheint keine anderen Pflanzen als Basilikum auf der Welt zu geben. Ich kann einfach nicht widerstehen etwas abzuzupfen. Ob Putin wohl auch das frische Basilikum am Wegesrand auffällt? Vom eigentlichen Besuch bekommen wir außer Straßensperren und Polizeisirenen nicht viel mit. Aber es ist schon erstaunlich, wie sehr Usbekistan ein gutes Bild gegenüber Russland abgeben will.
Es ist Andis Geburtstag, als wir Samarkand verlassen. Endlich wieder Berge und den ersten Pass. Das ist doch mal ein schönes Geburtstagsgeschenk. Wir schaffen es, obwohl wir erst um 15 Uhr aus der Stadt raus fahren, noch bevor es dunkel wird auf den Pass. Mittlerweile wird es immer früher dunkel und es wird Zeit, den Tagesrhythmus wieder umzustellen.
Wir genießen die erste lange Abfahrt seit langem. Im Laufe des Tages geht es mir immer schlechter und schlechter. Erst fühle ich mich unwohl, dann wird mir zunehmend übel. Erbrechen, Durchfall und immer stärker werdende Bauchkrämpfe. Andi schiebt mich zwischenzeitlich den Berg hoch, was mir gar nicht passt. Wir versuchen die nächste Stadt zu erreichen. Trotzdem ist nach 90 km irgendwo im nirgendwo Schluss. Auf einer Kuppe schlägt Andi schließlich das Zelt auf. Wie so ziemlich alle Traveler bleibe auch ich wohl nicht vom zentral-asiatischen Durchfall verschont.
Am nächsten Tag sind die Bauchkrämpfe zwar verschwunden, aber mit dem völlig geschwächten Körper stelle ich heute keinen Geschwindigkeitsrekord mehr auf. Sehr langsam geht es die nächsten Tage vorwärts, nicht nur wegen meinem Gesundheitszustand, der zunehmend besser wird, sondern wegen den schlechten Straßenverhältnissen und dem ständigen auf und ab. Die Straßen in Usbekistan sind in wirklich miserablem Zustand.
Die Usbeken sind ein unheimlich freundliches Volk. Es gibt kaum ein Auto das nicht hupt, Kinder laufen kreischend neben uns her. Wir bekommen fast mehr Aufmerksamkeit als im Iran. Die Menschen sind aber bei weiten nicht so aufdringlich wie die Iraner. Das mag auch daran liegen, dass die meisten kein Englisch, sondern nur Russisch sprechen.
Atkúda? (Woher kommst du?)
- Germania
Oh! Germania
Dann sind die meisten auch schon wieder verschwunden. Wirkliche Unterhaltungen können wir in Usbekistan nicht erwarten. Leider sind wir immer noch etwas geschädigt von unserem Aufenthalt im Iran. Wir sehnen uns nach ruhigen Wegen, atemberaubenden Landschaften und Bergen, kurz, wir freuen uns auf den Pamir.
Auf der Straße kommen wir immer wieder an Checkpoints vorbei, an denen wir manchmal registriert werden, aber mit großer Sicherheit unseren Pass vorzeigen müssen. Etwas nervig, aber nie ein Problem. Das Hauptproblem in Usbekistan ist die Registrierungspflicht, bei der sich alle Reisenden jede 3. Nacht registrieren müssen. Für uns heißt das jede 3. Nacht ins Hotel. Wir modifizieren etwas die Zahlen auf unserer Registrierung und sparen uns die Übernachtung kurz vor der Grenze.
An der Grenze werden die Registrierungszettel gleich von mehreren Personen ganz genau geprüft. Bei der Taschenkontrolle beschränkt sich die gute Frau auf die Medikamentenbox und das Smartphone in meiner Tasche. Alle Medikamente werden aus der Verpackung geholt, geschaut ob Pillen fehlen. Offensichtlich sucht sie nach Schlafmitteln und Opiaten. Mit Zeichensprache erkläre ich ihr geduldig, welche Pillen gegen was helfen.
Unser Handy wird nach unerlaubten Fotos, Videos und Pornos durchsucht. Wie gut, dass wir keine Kamera dabei haben und der Laptop nicht gefunden wurde, sonst hätte das Prozedere wahrscheinlich noch länger gedauert. Zumindest war das bei anderen Reisenden der Fall. Bei Andi werden gleich alle Taschen penibel durchsucht. Der Beamte macht eine große Show aus der Taschenkontrolle und lässt sich alles genau erklären. Nach 2 Stunden haben wir endlich den Ausreisestempel im Pass. Auf der tadjikischen Seite geht alles sehr schnell. Der Beamte braucht zwar noch etwas Nachhilfe von seinem Kollegen mit den elektronischen Visa, aber ruck zuck ist der Stempel im Pass und niemand möchte mehr unsern Ausweis oder unsere Taschen sehen.
Auf einer ungewohnt perfekten Straße geht es in die Hauptstadt Tadjikistans nach Duschanbe, hier verbringen wir nun einige Tage, um uns auf den Pamir vorzubereiten und auf unser Paket mit der Kamera zu warten.
The Pamir is calling!
Unterwegs bis Duschanbe 9512 km und 165 Tage
Geschrieben von Steffi