Rückblick auf unseren letzten Monat in den unteren 48 Staaten der USA, bevor wir über die mexikanische Grenze verschwunden sind. Anfang November schnüren wir die Wanderschuhe und versuchen die gigantische Landschaft des Grand Canyons zu erfassen, in dem wir hinunter zum Colorado Fluss laufen. Zurück auf den Rädern folgen wir vom South Rim dem Arizona Trail bis nach Flagstaff, ein wahres Paradies für Mountainbiker. Irgendwie müssen wir wieder mehr Kilometer machen, immer nur off-road unterwegs zu sein ist auf Dauer ganz schön langsam. Auf dem Weg zum Joshua Tree Nationalpark sind wir aus Mangel an Alternativen plötzlich auf der Interstate, der amerikanischen Version der Autobahn, unterwegs. Mit jedem Tag den wir uns der mexikanischen Grenze nähern fühlen wer mehr und mehr, dass es Zeit ist für ein neues Land. Doch erst einmal müssen wir unsere Räder für Mexiko vorbereiten…
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Looking back on our last month in the lower 48 before we made it over the Mexican border. In early November we tried to capture the humungous landscape of the Grand Canyon and followed the sound of the Colorado River by hiking down the Canyon. Back on the bikes we made our way from the South Rim over the Arizona Trail down to Flagstaff, a paradise for Mountainbiker. But going off-road all the time slowed us down a bit too much. At any point we had to do some more miles. In the face of the lack of alternative roads we ended up cycling on the Interstate to Joshua Tree NP. With every day getting closer to the border we feel more and more that it’s time for a new country, but first we had to prepare the bikes for Mexico…
Nach langem Kampf gegen Wind und Sand liegt er vor uns, der Grand Canyon. „Schon wieder ein Canyon?“ Um ehrlich zu sein mit Bryce Canyon, Black Canyon, Canyonland und vielen weiteren haben wir eigentlich genug von Canyons in den letzten Monaten. Zumal unser Interesse am Grand Canyon nie so groß war, als dass wir hier unbedingt langfahren wollten. Trotzdem sind wir jetzt hier. Wenn er schon auf dem Weg liegt, dann schauen wir ihn uns halt mal an.
Die Wintersaison hat gerade begonnen und der Besucherandrang ist erträglich, zumindest abseits der Hotelanlagen des Canyon Village die von asiatischen Reisegruppen bevölkert sind. Die Immense Größe des Canyons sowie die unterschiedlichen Farben der Felsformationen sind schon beeindruckend. Doch von den Aussichtpunkten erscheint alles so weit weg. Wir beschließen ein paar Tage im Park zu verbringen und das Innere des Canyons zu erkunden. Da Räder, wie in so ziemlich allen Nationalparks hier in den USA, nicht auf Wanderwegen erlaubt sind, schließen wir diese am South Rim ab, packen die wichtigsten Sachen in unsere Rucksäcke und gehen Wandern. Nach einer kleinen Wanderung am Vortag, um zu testen wie fit wir sind, machen wir uns bei Sonnenaufgang auf den Weg. Einmal runter zum Colorado River und wieder zurück. Eine beliebte Mehrtageswanderung, die wir allerdings an einem Tag machen wollen, da für Mehrtageswanderungen eine der limitierten Genehmigung benötigt wird und auf diese „Lotterie“ haben wir beide keine Lust.
Fast 1.500m Höhenunterschied liegen zwischen dem South Rim und dem Colorado River, dem Grund des Canyons. In allen Broschüren wird aufgrund des Höhenunterschied und der Länge der Wanderung davon abgeraten diese an einem Tag zu machen. Wir sehen darin aber kein sonderliches Problem für uns. Und nein wir sind nicht die ersten die sich an diesem Tag über den South Kaibab Trail an den Abstieg machen. Doch beim Anblick von ausgelatschten Turnschuhen, Jeans und Lederjacke, sowie winzigen Wasserflaschen verstehe ich warum solche Warnungen herausgegeben werden. Herrschen oben am Rim noch Temperaturen um den Gefrierpunkt ist es unten am Colorado sommerlich warm.
Wir stoppen unzählige Male, machen Fotos und genießen die Aussicht. Der Trail ist voller frischer Maultierhinterlassenschaften und unten am Fluss treffen wir tatsächlich eine Maultier Karawane und ihre Führer die sich gerade wieder an den Aufstieg machen. Selbst heute werden Maultiere immer noch als Lastentiere im Canyon eingesetzt, um Waren für die Phantom Lodge in den Canyon zu bringen und Müll aus dem Canyon heraus. Ab und zu transportieren sie auch Touristen die zu faul zum laufen sind und genügend Geld in der Tasche haben.
So steil wie es runter in den Canyon geht, geht es auch wieder hinauf, diesmal über den Bright Angel Trail. Doch runter ist immer einfacher als rauf. Unsere Beine fühlen sich gut an, als wir am Nachmittag wieder oben am Rim ankommen. Noch nicht ganz ausgepowert fahren wir, nach einer heißen Dusche, wieder aus dem Park.
Die Beine sind schwer als wir uns am nächsten Tag aus dem Schlafsack rollen. Laufen ist halt doch was anderes als Radfahren. Es bleibt keine Zeit zum Ausruhen, wir wollen weiter über den Arizona Trail. Der Arizona Trail ist ein beliebter Wander- und Mountainbike Trail, der durch den Bundesstadt Arizona bis hinunter zur mexikanischen Grenze führt. Der Trail selbst schlängelt sich in einem endlosen auf und ab durch Wälder und über Felder. Endlich kein Asphalt mehr, keine Autos, keine Menschenseele, so genießen wir die Ruhe auf dem Trail, den wir völlig für uns alleine haben. Zugegeben der Trail ist stellenweise äußerst ruppig und steinig, sodass wir immer mal wieder schieben müssen. Außerdem haben wir Wasser und Essen für vier Tage dabei, da die Wasserversorgung unterwegs eher unzuverlässig ist. Aber das sind wir mittlerweile gewohnt
Kurz vor Flagstaff erwartet uns ein super Netz aus Singletrails das von heimischen Mountainbikern bevölkert ist. Wir sind schlicht weg begeistert, auch wenn es mit den voll beladenen Rädern deutlich anstrengender ist über Stock und Stein zu navigieren. Dafür können wir mal eben einem Biker mit Werkzeug aushelfen, dem seine Kette gerissen ist.
Wir sind mit Sue in Flagstaff verabredet. Sue haben wir in Missoula kennen gelernt, als sie selbst mit ihrem Rad auf Tour war. Falls wir doch noch vorhaben nach Flagstaff zukommen sollen wir uns bei ihr melden. Tatsächlich Pläne ändern sich manchmal schneller als man denkt. Sue selbst ist ein wahres Energiebündel von Powerfrau. Ob Yoga, Bluesnight oder gemeinsames Kochen, wir verbringen ein paar klasse Tage mit ihr und ihren Freunden.
Eigentlich ist es Zeit einen neuen Blog zu schreiben, doch unser Laptop zickt plötzlich rum. Nach langer Fehlersuche der Schock, die Festplatte ist hinüber. Das zunehmende off-road Gefahre ist ihr wohl nicht gut bekommen. Immerhin hat Andi in letzter Minute zumindest 90% der Daten auf der Festplatte sichern können. Doch jetzt heißt es ein paar Wochen warten, bis wir eine neue Festplatte haben.
Wir beschließen ein weiteres Stück über den Arizona Trail zu fahren. Bevor wir in Richtung Westen abbiegen. Immerhin müssen wir nach Cathedral City wo mittlerweile einige Ersatzteile auf uns warten. Die Routenplanung ist nicht ganz so einfach, da wir nicht so scharf drauf sind auf starkbefahrene Straßen zu radeln. Letztendlich entscheiden wir vor Ort welche Strecke Sinn macht.
Der Abschnitt des Arizona Trails südlich von Flagstaff beinhaltet einige lange schiebe Strecken, welche zu steinig sind um zu fahren. Stellenweise geht es zwar flowig durch den Wald, doch irgendwie ist die Freude an dem Trail verschwunden und wir verlassen den Trail am Lake Mary.
Dunkle Wolken ziehen auf und prophezeien nichts Gutes. Wir verbringen die Nacht auf dem Double Spring Campground, der offiziell schon für den Winter geschlossen hat. Das ist das Schöne daran in der Nebensaison unterwegs zu sein. Wir haben die Campingplätze für uns alleine und brauchen noch nicht mal mehr etwas zahlen. Ok, ganz offiziell ist das nicht.
Am nächsten Morgen regnet es. „Weiter fahren oder nicht?“, steht zur Debatte. Nach langen überlegen entschließen wir uns fürs weiterfahren. „Hoffentlich ist der Boden noch nicht völlig aufgeweicht“, geht es uns durch den Kopf. Doch eine Extraschleife will keiner von uns fahren. Die Forststraße ist etwas klebrig, aber eine andere Wahl bleibt uns nicht als so schnell wie möglich aus dem Regen zu kommen und wieder festen Untergrund unter die Räder zu bekommen. Doch zu spät auf halber Strecke sind wir wieder einmal am schieben. Die nächsten Stunden verbringen wir damit die Reifen immer wieder von dem Matsch zu befreien den die Amis so liebevoll „Cake“ nennen. Die Mischung mit Tannennadeln und Laub macht es dabei nicht besser. Alles ist eingesaut immerhin kommen wir nachdem wir die Schutzbleche abgeschraubt wieder voran, wenn auch langsam.
Von der Schnebly Hill Road haben wir einen schönen Ausblick auf die roten Felsformationen die die Gegend um Sedona umgeben. Die Straße hat dabei nichts mit einer Straße zu tun und bis runter ins Dorf sind wir gut durchgeschüttelt. Sedona ist ein Künstler und Neu-Hippie Dorf. Die sogenannte New-Age Bewegung ist hier auf der Suche nach der spirituelle Ebene durch Energiequellen. Außer Geld sehen wir jedoch keinerlei Energie fließen.
Wir biegen auf den Lime Kiln Trail ab. Der Singletrail ist sandig und äußerst stachelig. Am Ende sind wir froh ohne Platten hier wieder runter zu kommen. Wir machen uns auf zum Mingus Mountain. Nicht über die Hauptstraße sondern einer Dirt Road die Teil des Coconino Loop ist, einer Bikepacking Route der wir seit Flagstaff immer mal wieder folgen. Die Strecke ist unheimlich steil und steinig. Wir kämpfen uns im Schneckentempo den Berg hinauf und kommen am schieben trotzdem nicht vorbei. Wir sind so müde, dass wir einfach irgendwo das Zelt aufstellen. "Ganz schön steinig der Untergrund", wie wir am nächsten Tag feststellen. Immerhin folgt nach erfolgreichem Aufstieg ein wenn auch kurzer Downhill hinunter nach Prescott.
Die letzten Wochen sind wir nur langsam vorangekommen. Zu viel Singeltracks, zu viel Offroad. Die Zeit läuft uns langsam davon, wir müssen endlich wieder Kilometer machen. Ab Prescott folgen wir deshalb der Hauptstraße. Wir verlassen die Wälder und Höhen, es wird trockener und wärmer. Die ersten riesen Saguaro Kakteen tauchen am Straßenrand auf und wir stimmen uns schon mal auf Mexiko ein.
Es gibt nicht viele Straßen hier in der Gegend und so landen wir auf dem Weg zum Joshua Tree Nationalpark auf der Interstate I-10, welche vergleichbar mit einer deutschen Autobahn ist. Es ist kurz vor Thanksgiving und die Interstate voll mit Autos und Lkws. Jeder scheint irgendwo hin unterwegs zu sein. Es macht keine Spaß hier mit dem Fahrrad auf dem wenn auch breiten, dafür unheimlich dreckigen Seitenstreifen unterwegs zu sein. Überall liegen Drähte und Reifenreste, da ist es schon fast ein Wunder, das wir nicht einen Platten nach dem anderen haben.
Wir fahren ein paar Tage mit Alyssa aus Minneapolis die mit ihrem Rad in Richtung Westküste unterwegs ist. Sie ist Inhaberin eines Fahrradverleihs und bietet geführte Städtetouren in Minneapolis an. Alyssa weiht uns in die Thanksgiving Traditionen ein. Doch statt Truthahn verzichten wir lieber auf den Hauptgang und gehen stattdessen gleich zum Dessert über. Liebevoll in der Hitze ein zweites mal gebackener Kürbiskuchen Mmh lecker..
Es rollt wieder und trotz Gegenwind fahren wir weit über 100km am Tag. So sind wir schneller in Joshua Tree als gedacht. Doch hier ist die Hölle los, es ist Wochenende und auch noch das Wochenende kurz nach Thanksgiving. Trotzdem verbringen wir zwei Tage im Park und schauen uns natürlich den Namensgeber des Parks an, den Joshua Tree der zu der Familie der Yucca gehört.
Die Felsen im nördlichen Teil des Parks werden um diese Jahreszeit von Kletterern bevölkert. Wir fahren etwas über die Seitenwege bevor wir den Park über eine sandige 4x4 Piste durch die Hintertür verlassen. Was wir nicht wissen, der Weg über den Berdoo Canyon führt mitten durch eine Art privaten Schießübungsplatz. Überall liegen leere Patronenhülsen und Zielscheiben. Die Gegend ist voll mit Familien, die den Tag offensichtlich mit schießen verbringen. Von der Pistole bis zum Automatikgewehr alles ist dabei. Doch was uns wirklich schockiert ist der nachlässige Umgang mit den Waffen. Mehr als einmal zeigt ein Waffenlauf auf andere Personen während sie den Schützen wechselt. Da wundert es mich nicht mehr, dass es so viele „Unfälle“ mit Schusswaffen gibt.
Von der Wüste geht es mitten ins Grüne von Cathedralcity (Palm Springs Gegend). Der Wasserverbrauch der Städte muss angesichts der vielen Golfplätze und blühenden Gärten gigantisch sein. Neun Pakete warten bei Brad auf uns und damit jede Menge Arbeit. Wir wollen unsere Räder auf mechanische Scheibenbremsen umbauen und haben dafür extra neue Gabeln von Velotraum aus Deutschland geschickt bekommen. Wir haben schlichtweg die Nase voll von den Magura HS33 Bremsen die ständig Öl verlieren und kaum Bremsleistung bei Schnee, Dreck und nassen Bedingungen haben. Die Laufräder müssen für den Umbau mit neuen Naben eingespeicht werden. Neue Reifen, neue Ketten und Kassetten gibt es auch noch. Der Umbau verläuft gut und wir freuen uns über unsere generalüberholten Räder. Auch der Laptop läuft wieder mit einer neuen Festplatte. Jetzt kann es weiter gehen, wir wollen endlich nach Mexiko.
Wir fühlen uns bereit für ein neues Land, eine neuer Kultur. In den letzten Tagen fallen uns nur noch negative Sachen auf, dabei hatten wir eigentlich eine schöne Zeit in den USA. Bis zur Grenze sind es noch 350 Km, also maximal 4 Tage. Doch die kalifornischen Autofahrer machen es uns nicht gerade einfach mit ihren riskanten Überholmanövern. Im „Pie Town“ Julian überlegen wir gerade Apfelkuchen essen zu gehen, als wir von Shirley und Rich zu sich nach Hause eingeladen werden. Wie sich herausstellt sind die beiden Warmshowers Hosts und wir dürfen in ihrer Cowboy Cabin übernachten. Rich ist leidenschaftlicher Radfahrer und zeigt uns am nächsten Morgen seine Lieblings-Offroadstrecken. Er, mit seinen 29 Zoll Laufrädern und superbreiten Reifen, wir auf unseren Pizzaschneidern, wie die schmalen Reifen hier gerne genannt werden. So finden wir doch noch einen schönen Abschluss auf ein paar hübschen Trails, denn am nächsten Tag heißt es: “Mexiko wir kommen!“
Unterwegs bis zur mexikanischen Grenze 32.520 km und 614 Tage
geschrieben von Steffi
Kokopelli Trail, Lockhart Basin Road, Smokey Mountain Road ... Ab Grand Junction sind wir Off-Road unterwegs. In Moab dreht sich nicht alles nur ums Montainbiken, immerhin kann man hier auch 4x4 Touren buchen. Wir besuchen Arches und Canyonlands Nationalparks. Ein Fantastischer Ausblick über Capitol Reef, bringt uns in die Escalante Region. Hier überdenken unsere nachfolgende Routenplanung nochmal, denn die Zeit sitzt uns im Nacken. Plötzlich steht der Grand Canyon im Mittelpunkt des Geschehens. Eigentlich haben wir schon genug von Canyons die letzten Wochen...
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Kokopelli Trail, Lockhart Basin Road, Smokey Mountain Road ...After leaving Grand Junction we are going Off Road. In Moab isn't everything about Mountainbiking, but very much. You can also do a 4x4 Tour. We visit Arches and Canyonlands Nationalpark. With a fantastic view above Capitol Reef, we enter the Escalante Region. We realize that our planed route isn't working out. The time flies by. Suddenly the Grand Canyon is in the center of attention. Basically we have enough of Canyons...
Von Grand Junction machen wir einen kurzen Abstecher zum Colorado National Monument. Die Straße schlängelt sich hier den Berg hinauf, vorbei an tiefen Schluchten und genialen Felslandschaften. Schwup die Wup sind wir wieder auf der Höhe von Grand Mesa, das auf der anderen Seite des Tals liegt.
Wieder zurück in der Stadt laden wir 15 l Wasser und zusätzlich Essen für die nächsten vier Tage auf. Mit vollbepacken Rädern starten wir auf den „Kokopelli Trail“, der die beiden Mountainbikezentren Fruita in Colorado mit Moab in Utah verbindet. Am Trailhead treffen wir auf eine Gruppe Biker, die den Trail in die entgegengesetzte Richtung gefahren sind. Sie sind extra für vier Tage hierher geflogen. Unsere eh schon vollen Taschen werden nochmal mit zusätzlichem Essen und Wasser, dass wir ihrer Meinung nach gut gebrauchen können, aufgeladen. Da es bald dunkel wird, folgen wir der Empfehlung der Jungs später in den Trail einzusteigen und nehmen die Alternativroute. Der Singeltrack ist als sehr schwierig markiert, wie das halt so ist, ist das Empfinden recht unterschiedlich.
Endlich auf dem eigentlichen Trail, gibt es gleich ein paar ordentliche Schiebepassagen und steile Anstiege über Schotter. Mit voll bepacktem Rad ist das immer wieder eine Herausforderung. Am ersten Tag ist bereits Schluss mit Singeltrack und es geht weiter über 4x4 Wege. Landschaftlich ist die Gegend hier kein Highlight, so wechseln wir auf einen Nebentrail. Der Western-Rim Trail bietet wieder etwas mehr Abwechslung und einen schönen Ausblick in Richtung Colorado. Doch irgendwann ist auch dieser Trail vorbei. Wir müssen wieder zurück auf den eigentlichen Trail, doch das Zwischenstück hat es in sich. Super steile Schiebestücke mit ein paar spaßigen Passagen. Wir kommen nur sehr langsam voran. Bei so manchem Hang schieben wir zwei Schritte vorwärts, um einen ganzen wieder zurückzurutschen. Das strapaziert Körper und Geist. Im Dunkeln schieben wir den letzten Anstieg hinauf, damit es nicht mit dem Wasser knapp wird.
Die wenigen Bikepacker, die wir unterwegs treffen, machen meistens 50-70 Meilen am Tag oder zumindest behaupten sie es. Wir legen die gleiche Strecke zurück allerdings in Kilometern, dafür mit deutlich mehr Gepäck.
Die einzige verfügbare Wasserquelle auf dem Trail befindet sich an der Westwater Rangerstation und wir füllen all unsere Flaschen auf. Kajakfahrer und Rafter tummeln sich hier, die auf dem Colorado River meist für mehrtägigen Touren unterwegs sind. Doch die Permits hierfür sind teuer und nur weit im Voraus verfügbar.
Nach einem langen geraden Abschnitt über offene Steppenlandschaft, wird es nochmal steinig. Zwei Jeeps kommen uns entgegen. Der erste Fahrer locker-flockig, der Zweite etwas bleich im Gesicht. Angesichts der immer wieder steinigen Stufen muss man da schon ein geübter Fahrer sein um die Nerven zu behalten.
Kurz bevor es zurück auf die Straße geht knacken wir die 30.000 km Marke. Der Trail ist in unseren Augen kein Highlight. Und nach der Great Divide haben wir genug davon, langweiligen roten Linien auf dem Papier zu folgen. So folgen wir lieber dem Scenic Byway entlang des Colorado, auch wenn hier wegen Wochenende viel Verkehr ist. Ein Campingplatz folgt dem anderen. Kletterer und Boulderer tummeln sich an den Felsen. Jedes zweite Auto hat Räder auf der Ladefläche. Kurz vor Moab kommen wir am Porcupine Rim Trail vorbei, DER Trail in Moab schlechthin. Dafür ist die Gegend berühmt bei Mountainbikern und dafür kommen Radler aus aller Welt extra hierher. Ab jetzt sind überall Radler unterwegs.
In Moab selbst ist die Hölle los, Autos, Radler und Menschen überall. An jeder Ecke kannst du Jeep-Touren buchen oder Mountainbikes leihen. Für uns ist der ganze Tumult etwas zu viel und wir verspüren das Bedürfnis so schnell wie möglich weg zu kommen.
Doch da müssen wir jetzt durch. Es stehen noch ein paar Reparaturen an den Rädern an. Ich bekomme neue Bremsen, sowohl die hintere, als auch die vordere verlieren am Griff Öl und Andi kann seine Hinterradnabe endlich austauschen.
Wir verbringen die Zeit bei Terri Ann, der Queen des Mountainbikens und Künstlerin, in ihrem abgefahrenen Haus bei Moab. Allgemein scheint Moab besonders zu dieser Jahreszeit magischer Anziehungspunkt für Künstler und Andersdenkende zu sein.
An einem Tag schnappen wir uns noch vor Sonnenaufgang die Räder und machen uns auf den Weg zum Arches Nationalpark. Über einen Radweg können wir bis zum Parkeingang fahren. Ein Platten an meinem Vorderrad hat uns leider etwas Zeit gekostet und die ersten Blech-Karawanen schlängeln sich bereits in den Park. Für uns heißt es ordentlich strampeln, um all die Steinbögen und bizarren Steinformationen abzuklappern. Wie eine Ameisenstraße schlängeln sich die Massen rauf zum berühmtesten aller Bögen, dem Delicate Arch.
Um weiter in Richtung Westen zu kommen, folgen wir der Lockhart Basin Road auf der Ostseite des Colorado River. Ich fühle mich wie auf einem Panzer mit dem vollbeladenen Rad. Wir haben Essen für maximal neun Tage dabei und zusätzlich Wasser für 2-3 Tage. Bis Escalante rechnen wir mit keiner Möglichkeit Essen nachzukaufen.
Zu Beginn teilen wir uns noch den Weg mit einer Hand voll Off-Road Fahrzeugen. Auf der Abfahrt hinunter vom Hurrah Pass werden wir von Tom eingeladen, der seit 11 Jahren hier draußen lebt und auf seiner Lodge Urlauber willkommen heißt. Was für ein Timing, in einer halben Stunde wird es dunkel. Wir dürfen in einer der Lehmhütten übernachten. Neben all den wilden Waschbären, Kojoten, Füchse und Pumas hier draußen ist Tom stolzer Besitzer einer Riesenlandschildkröte. Die Schildkröte mit dem Namen Kobae ist mit Hunden aufgewachsen. Sie „rennt“ jedem Hund hinterher und macht ihm klar, wer hier das Alphatier ist. Ihr Lieblingshobby ist Wandern und Tom nimmt sie gerne mit zu einer kleinen Wanderung. Sie ist schon etwas älter und packt nur noch eine Meile pro Stunde und auch nur, wenn sie sich morgens gesonnt hat.
Der Grund, weshalb die Lockhart Basin Road, anders als die White-Rim Road auf der anderen Flussseite, so unbeliebt bei Off-Roadfahrern ist, ist die Schlüsselstelle durch den Lockhart Canyon. Enge, versetzte Stufen aus Stein und Sand sind nur was für erfahrene Fahrer mit geeignetem Fahrzeug. Wo wir unsere Räder noch schieben können, bedeutet es für den Großteil der Fahrzeuge das Ende der Weiterfahrt. Leider können wir nur eine Gruppe Motorcross Fahrer dabei bewundern, wie sie hier hoch fahren, und auch sie hatten stark zu kämpfen. Ab jetzt haben wir die Gegend wieder vollkommen für uns. Einzig eine Gruppe Bikepacker kreuzt unseren Weg. Die Ausrüstung ist nur vom besten. Drei Zoll weite Reifen, Carbonrahmen und ultraleicht Ausrüstung. Wie schon die Tage zuvor auf dem Kokopelli Trail und in Moab werden wir angeschaut wie Außerirdische. „In Deutschland gibt’s keine Wüste, gell?“ Und nein, wir sind nicht gerade erst aus dem Flugzeug gestiegen. Wir müssen uns doch nicht immer rechtfertigen, nur weil wir nicht auf der Straße unterwegs sind. Ja, es geht auch mit unseren Rädern, eben nur etwas langsamer. Bikepacker in den USA können ziemlich arrogant sein.
In Needles, einem Teil des Canyonlands Nationalparks, werden wir von den beiden Zeltplatzbetreuern eingeladen, auf ihrem Platz zu zelten. So einfach kann sich manchmal die schwierige Zeltplatzsuche in Nationalparks erübrigen. Wir verbringen gleich zwei Nächte im Park und sind zur Abwechslung mal zu Fuß unterwegs. Nein, das Laufen haben wir noch nicht verlernt, auch wenn wir danach beide ganz schön Muskelkater haben. Wir bekommen noch etwas Müsli und Nudeln mit auf den Weg, das trifft sich gut. Der Tag in Needles war nicht geplant, dafür habe ich zu wenig Essen kalkuliert.
Über weitere Dirt Roads mit vielen Höhenmetern geht es weiter südlich. Außer einer Hand voll Jäger ist auch hier keiner unterwegs. Eine Gruppe Truthähne rennt gerade vor uns über den Weg, als ich an die Sandwichs denken muss, die uns Diane vor ein paar Wochen gemacht hatte. Wir haben unsere Essensrationen etwas verringert um es bis Escalante zu schaffen und sind beide dementsprechend hungrig. So nehmen wir auch das Bier, Kekse und das Erdnussbutter-Bananen-Sandwich, das uns angeboten wird, dankend an.
Leider bekommen wir im Besucherzentrum von Natural Bridges keine Informationen über die Fährverbindung, die auf unserer geplanten Route liegt. Nach dem Abend im Park fahren wir am nächsten Tag auf gut Glück die fast 100 km bis zur Fähre. Zu Beginn der Straße steht zwar eine große Tafel mit Fähre geöffnet, auf dem Weg dorthin kommen uns aber immer mehr Zweifel auf, denn wir sehen den ganzen Tag nur 3-4 Autos. Um kurz nach 2 Uhr kommen wir am Fährhafen an, doch keine Fähre in Sicht, die uns über den Lake Powell bringen soll. Nur ein Schild von 2015 mit ganz anderen Fahrzeiten als im Internet. Wir machen erst einmal Mittagessen und hoffen, dass später tatsächlich noch eine Fähre fährt. Das Warten zahlt sich aus, am Nachmittag fahren wir zusammen mit nur einem einzigen Auto auf die andere Seite. Keine Ahnung, wie die Fähre sich wirtschaftlich lohnt. Der Wasserstand des Stausees ist so niedrig, dass erst kürzlich die Bootsrampe verlängert werden musste.
Wir springen noch mal in den See, bevor wir weiter in Richtung Capitol Reef Nationalpark aufbrechen. So viele Möglichkeiten gibt es hier draußen nämlich nicht. Die ersten 30km sind gut asphaltiert, bevor Schotter, Waschbretter und Sand folgen. Wir kommen durch die Hintertür in den Capitol Reef Nationalpark und nutzen die Gegend zum Wandern. Die steilen Klippen ziehen sich entlang des Tals. In einer kleinen Lücke schrauben sich die Serpentinen des Burr-Trails die Klippen hinauf. Mit dem einstigen Vieh-Trail hat der Weg nichts mehr gemeinsam. Vielmehr handelt es sich um eine breite Schotterpiste, die sich mit kontinuierlich 12% bergauf schlängelt.
Von unserem Zeltplatz oben auf den Klippen genießen wir einen herrlichen Ausblick hinunter ins Tal. Am nächsten Morgen machen wir noch einen Abstecher zum Strike Valley Overlook. Die Aussicht ist unglaublich. Die Wolken machen die Szenerie perfekt und zu einer der schönsten der gesamten Reise, doch wir müssen weiter. Morgen wollen wir in Escalante sein, um wieder Essen aufzufüllen. In dem kleinen Kaff Boulder kommen wir zurück auf Asphalt. Die Straße Nr. 12 geht durch eine schöne Felslandschaft bis nach Escalante und weiter. Der Supermarkt in Escalante ist wesentlich besser als gedacht und auf dem Weg zum Besucherzentrum entdecke ich ein Straßenschild mit „Smokey Mountain Road“.
Dadurch, dass wir hier im Ort wieder all unsere Vorräte auffüllen können, haben wir auf einmal ganz andere Möglichkeiten. Wir informieren uns im Besucherzentrum sowie im Internet und schon steht fest, dass wir nicht zum Bryce Canyon an einem Wochenende wollen. Immerhin waren wir hier schon einmal bei unserem Kurzurlaub in Las Vegas. Auch läuft uns so langsam die Zeit davon. Unser ursprünglichen Plan durch Nevada und über den Tioga Pass zum Yosemite Nationalpark und weiter nach San Francisco zu fahren, gerät ins Wanken. Der Tioga Pass schließt normalerweise in ein paar Wochen für den Winter und das Risiko ist es uns nicht wert. Eine Alternative muss her. Um weiter Richtung Südwesten zu kommen, müssen wir über den Colorado River, also am Grand Canyon vorbei. Es gibt zwei Möglichkeiten: entweder nach Osten Richtung Page oder nach Westen Richtung Las Vegas. Las Vegas und das All you can eat Buffet, zu dem uns Sheldon gebracht hatte, klingen verlockend, doch der Highway nach Vegas sah alles andere als radfreundlich aus. Und dann ist da noch das Schild mit der Smokey Mountain Road hier in Escalante, sowie ein paar Slot Canyons hier in der Umgebung. Einen Slot Canyon wollte ich schon immer mal sehen und Off-Road bis runter nach Page, da können wir nicht widerstehen. Über die „Hole-in-the-Rock Road“ wollen wir zu den Slot Canyons Peek-a-boo und Spooky fahren. Leider ist es immer noch Wochenende und um 9 Uhr rollt die erste Welle der Frühaufsteher an uns vorbei. Der Weg dorthin ist sandig und übersät mit Waschbrettern. Wir sind komplett durchgeschüttelt, als wir mittags am Parkplatz zu den Canyons ankommen. Der Rundweg durch die Slots ist nichts für dicke oder an Klaustrophobie leidende Menschen. Es gibt einige Engstellen und hin und wieder müssen wir klettern. Der Abstecher hat sich wirklich gelohnt, auch wenn wir durch den Weg dorthin entnervt und kaputt sind. Die Slot Canyons sind schön, aber der Preis dafür ist der Straßenzustand. Die Kombination aus Sand und Waschbrett ist hinter Lehmmatsch eine der schlimmsten Untergründe für Radler.
Auf halbem Rückweg biegen wir auf die „Left Hand Collet Road“ ab. Endlich keine Autos mehr, weshalb der Weg auch in einem besseren Zustand ist. Bis zum Mittagessen schaffen wir es bis zur Kreuzung mit der „Smokey Mountain Road“. Ab jetzt gibt es immer wieder kurze Passagen zum Schieben. Uns begegnet nur ein deutsch sprechendes Pärchen mit Pickup mit viel zu großem Radstand und zu wenig Bodenfreiheit. Leider können wir ihnen nicht sagen, dass der Weg besser wird, eher im Gegenteil. Wobei wir wieder einmal bei der irreführenden Straßenbezeichnung wären. Nur weil etwas als Straße bezeichnet wird, heißt es noch lange nicht, dass es für normale Autos geeignet ist. Die Erfahrung haben wir jetzt schon zu häufig gemacht.
Wir genießen gerade den Sonnenuntergang mit Blick auf Lake Powell, als ein Pickupfahrer dazukommt und wir uns unterhalten. Während der Unterhaltung läuft die ganze Zeit der Motor, etwas das ich einfach nicht verstehen kann. Leute gehen eben schnell einkaufen oder in den Waschsalon und lassen dabei den Motor laufen.
In Page treffen wir auf andere Reisende, die mit dem Auto unterwegs sind und wir nutzen die Zeit in der Bücherei. Am Wochenende soll eine Ballonregatta stattfinden und wir verlängern unseren Aufenthalt hier in Page um vier Tage. Am Ende muss der Start der Ballonregatta wegen heftigem Wind leider abgesagt werden und wir sehen nur den Testlauf.
Auf dem Walmart-Parkplatz werden wir von einem Ureinwohner angesprochen. Craig lebt unweit von Page und ist hier aufgewachsen, aber seine Vorfahren sind ursprünglich aus der Mongolei hierher gekommen. Im Gespräch mit ihm wird mir das erste Mal bewusst, wie schwierig es für Ureinwohner ist, in den USA zu leben. Der weiße Mann traut ihnen nicht so recht über den Weg. Schulausbildung ist nicht unbedingt die höchste Priorität. Gewerbe und damit Arbeitsplätze gibt es im Umkreis nur sehr wenige, weshalb eine hohe Arbeitslosigkeit existiert. Aus Perspektivlosigkeit und fehlender Unterstützung rutschen viele „Natives“ in den Alkoholismus, Drogen und Kriminalität ab. Auch Craig trinkt mehr als gut für ihn ist. Viermal saß er schon im Gefängnis, meist wegen Raubüberfällen und ist erst seit wenigen Monaten wieder auf freiem Fuß. Einige Jahre hat er Käfigkämpfe gemacht und hat sich damit versucht über Wasser zu halten. In der Zeit hat er damit viel Geld verdient. Der Preis dafür war hoch. Viele Knochen hat er sich dabei gebrochen. Körperlich gesehen ist er ein Wrack. Das Geld, das er in dieser Zeit verdient hat, hat er aber nicht aus dem Fenster geworfen, sondern hat sich damit ein Haus gebaut und den Kredit abbezahlt. Dumm scheint er auf keinen Fall zu sein, vielmehr ist er einer der vielen Menschen, die wir unterwegs gesehen haben, die schlichtweg schlechte Karten im Leben hatten. Ein Sinnbild für die verlorenen Ureinwohnerseelen Nordamerikas, denn in Kanada sieht es für die Natives nicht viel besser aus.
Auf dem Weg zum Grand Canyon haben wir mit heftigem Gegenwind zu kämpfen, der sich am Abend zu einem Sandsturm entwickelt. Die ganze Nacht wirbelt Sand durch unser Zelt, in jede noch so kleine Ritze. Am Morgen ist alles im Inneren des Zelts, einschließlich wir, mit einer Sandschicht bedeckt und unsere Haare sind grau vom Staub. Doch keine Dusche wartet auf uns und wir machen uns auf dem Weg zum Eingang.
Unterwegs bis Page 30.921 km und 582 Tage
geschrieben von Steffi
Nach dem ersten Schnee in Yellowstone hat die Flucht vor dem schlechten Wetter begonnen. Die Fahrt durch die Great Basin in Wyoming endet dann tatsächlich in einer Schlammschlacht. Auch in Colorado verfolgt uns das Pech. Erst lässt uns unser Material im Stich, dann versinken wir im Schnee. Doch irgendwie schaffen wir es wieder ins vermeintlich Warme, doch der Winter will uns noch nicht in die Wüste Utahs lassen und wir erleben eine der kältesten Nächte unserer Reise.
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After the first snow in Yellowstone we tried to escape of the bad weather. The ride ends in a fight with the mud. Also in Colorado we had no luck. After Problems with our bikes we got a lot of snow. Its time for the Desert of Utah, but before that we have to survive the coldest night of our journey so far.
Die Flucht vor dem Wetter hat begonnen. Bei South Pass City folgen wir der Continental Divide, oder vielmehr wir gehen davon aus, bis wir herausfinden, dass die Route, die wir aufs GPS gespielt haben, nicht mehr die offizielle Route ist. Irgendwo muss es ja wieder auf den aktuellen Weg zurück gehen. Das tut es dann auch, doch erst einmal müssen wir dafür eine von Kühen zertrampelte Wiese und Bachbetten durchqueren. Diesmal ohne nasse Füße oder viel mehr Schuhe, bitte! Davon hatten wir die letzten Tage genug. In der Ferne ziehen dunkle Wolken auf. Schnell das Zelt aufbauen!
In der Nacht schneit es leicht und wir brauchen lange, bis wir morgens auf den Rädern sitzen. Wir treffen Gilles aus Belgien wieder, der die Nacht im Hotel verbracht hat und kein nasses Zelt zusammenbauen musste. Der Boden ist stellenweise matschig. Gilles ist mit seinem Fatbike auf der Great Divide unterwegs, eigentlich das falsche Rad, wie er selbst auch schon festgestellt hat. Doch heute ist er damit im Vorteil.
Wir biegen diesmal auf den aktuelle CDT ab, der kleine Weg ist viel besser zu fahren als die große Schotterstraße, auf der die Great Divide verläuft. Wir treffen auf Lynn, der gerade Aufnahmen für seinen Film macht. “Faith greater than pain“ - „Glaube größer als Schmerz“, lautet der Titel seines Abenteuers auf den Spuren seiner Vorfahren, die auf dem sogenannten Mormon Pioneer Trail einst in die USA zogen. Er ist diesen Spuren gefolgt, 1400 Meilen (2'200km) zu Fuß, nur mit einem Handkarren aus Holz von Iowa City nach Salt Lake City. Seine Erfahrungen und Erlebnisse hat er in einem Buch geteilt. Für uns ist es kaum vorstellbar, wie es als Pionier sein muss durch diese endlos erscheinende Gegend zu kommen, nicht wissend was dich auf der anderen Seite erwartet. Wasser ist knapp hier draußen in der spärlichen Graslandschaft der Halbwüste. Es gibt nur wenige Quellen, weshalb wir nochmal all unsere Reserven auffüllen.
Immerhin ist das Wetter wieder prima und wir genießen die Landschaft, die bei genauem Hinsehen doch so viel spannendes verbirgt. Pronghörner, die Antilopen Nordamerikas, begleiten uns den ganzen Tag. Pferdespuren ziehen sich den Weg entlang, bis in der Ferne eine Gruppe Wildpferde auftaucht, die auf uns zu gelaufen kommt. Sie sind neugierig, halten aber doch genügend Abstand, so beschnuppern wir uns gegenseitig. Ich könnte hier den ganzen Tag verbringen, doch es ist schon spät und das Wetter sieht auf einmal gar nicht mehr so prickelnd aus. Wir hoffen auf eine Lücke in der Wolkendecke, doch wir kommen nicht weit. Mit den ersten Regentropfen ist der Boden aufgeweicht und Lehm klebt an den Rädern, Schuhsohlen und allem was mit ihm in Berührung kommt. „Nein, das darf nicht wahr sein!“, geht es mir durch den Kopf. Doch da sitzen wir auch schon fest. Die Nacht bringt weiteren Regen und mit Temperaturen knapp über 0°C, ist es das ekligste Wetter, das es gibt. Nass-kalt, kein Schnee, kein Regen, aber Wind. Ab jetzt können wir die Räder nur noch im Schneckentempo voran schieben. 50m schieben, dann den Matsch abkratzen und wieder 50m schieben...
Wir kommen noch einmal an einem Wasserdepot vorbei und füllen noch einmal all unsere Flaschen auf. Keine Ahnung, wann das Wetter sich wieder bessert. Wir haben keinen aktuellen Wetterbericht. Was sollen wir tun? Weiter über die CDT- und damit der Gefahr in den nächsten Tagen keiner Menschensehle zu begegnen? Zurück zur Hauptstraße? Oder zurück auf die Great Divide, die wahrscheinlich nicht besser ist und noch weiter in die Basin vordringt. Wir gehen davon aus, das uns die Schlechtwetterfront, die uns seit Yellowstone im Nacken sitzt, eingeholt hat und beschließen zurück zur Hauptstraße zu fahren. Doch der breite Weg zurück zur Straße ist eine einzige Enttäuschung und genauso matschig wie der Weg zuvor. Da können uns auch die Handvoll Autos nicht helfen, die uns entgegen kommen. Vielmehr wird durch sie der Untergrund noch schlimmer.
Die Jagtdsaison hat vor ein paar Wochen eröffnet. Mit neon-orangenen „Tarnwesten“ und Mützen sitzen die Leute in ihren Fahrzeugen, um auf Jagd zu gehen. Ich hoffe insgeheim, dass keiner auf die Idee kommt, bei dem Wetter vom Auto aus zu schießen.
Bei Eisregen am späten Nachmittag beschließen wir das Zelt aufzubauen. Immer noch sechs Kilometer vom Asphalt entfernt. Immerhin haben wir genügend Wasser und Essen für die nächsten 3 Tage. Als ob ich es geahnt hätte, bin ich froh, wieder einmal mehr Essen eingekauft zu haben.
Unser Gefühl sagt uns, dass das Wetter die nächsten Tage wohl nicht besser wird. Von einem Jäger erfahren von einer Raststätte an der Hauptstraße. Wir packen zusammen und machen uns auf den Weg dorthin. Es dauert eine ganze Weile, bis wir es auf den festen Asphalt geschafft haben. Tatsächlich können wir uns in der Raststätte etwas aufwärmen und unsere Sachen unter dem Heißluftföhn trocknen. Weiter geht es ab jetzt wieder über die Straße. Am späten Nachmittag fallen dann dicke Schneeflocken. Wir ignorieren das Camping verboten-Schild an der nächsten Raststelle und bauen unser Zelt auf. Was sollen wir auch anderes machen. Wir haben keine Wahl.
Am nächsten Tag ist das Wetter deutlich freundlicher und wir schaffen es nach Rawlins, wo es wieder Einkaufsmöglichkeiten gibt. Es ist Zeit für einen Ruhetag und wir zelten auf dem Messegelände der Stadt.
Weiter südlich werden die Autofahrer immer rücksichtsloser. Steine und Staub wirbeln uns um die Ohren. „This is Wyoming!“, erklärt uns ein Fahrer, dem wir signalisieren- doch bitte langsamer zu machen. Er versteht nicht, was wir von ihm wollen, immerhin fährt er auf der Schotterpiste innerhalb der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 72 km/h. Wenn uns das nicht passt, sollen wir woanders hingehen. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen und ab geht’s nach Colorado.
Wir machen gerade eine Pause, als Johan neben uns für ein Schwätzchen stoppt. Er hat Deutsch in der Schule gelernt, aber das einzige Wort, an das er sich erinnern kann, ist Strumpfhose. Er kommt gerade vom Angeln und schenkt uns eine kleine Forelle. Später stoppen wir an der bei Great Divide Radlern bekannten Brush Mountain Ranch von Kirstin und bekommen noch zwei Bier. Alles für ein perfektes Abendessen. Doch erst einmal heißt es bei Hagel das Zelt aufzubauen.
Fast die ganze Nacht hagelt oder regnet es, auch am Morgen bleiben wir nicht verschont. Ein steiles Schiebestück führt uns rauf auf über 3000m. Die vielen Campingstellen, die normalerweise von Jägern bevölkert sind, sind alle verlassen. In einer langen steilen Abfahrt geht es den Berg wieder runter. Unsere Bremsen und Schaltung wollen nicht mehr richtig funktionieren und wir sind komplett eingesaut und ausgekühlt. Wieder auf Asphalt machen wir uns und die Räder erst einmal an einem kleinen Bach sauber und genießen anschließend einen Kaffee in einem warmen Dorfladen.
In Steamboat Springs kommen wir die Nacht bei Sarah und Rich unter. Dusche und Waschmaschine sind bitter nötig und das Bett tut uns gut. Wir verlassen Steamboat Spring immer noch der Great Divide folgend. Am nächsten Tag verfolgt uns das Pech. Immer wieder Regen und Gewitter, Andis Schlafmatte hat ein Loch, meine Bremsen wollen jetzt beide nicht mehr und dann stellt Andi auch noch ein Knacken am Hinterrad fest. Das Lager hat einen Defekt und muss dringend nachgeschaut werden. Doch wo? Alles ist nass und der Wind pfeift nur so durch die Klamotten. In einem Toilettenhäuschen finden wir das einzige halbwegs trockene Plätzchen und Andi kann die geplatzte Kugel des Lagers tauschen. Auf dem Toilettenboden sitzend versuchen wir uns bei Pasta und Tee aufzuwärmen, während ein Gewitter nach dem anderen über uns hinwegzieht. Was zum Teufel machen wir hier eigentlich? Was soll das Ganze? Der Zeitpunkt ist gekommen der Great Divide endgültig Lebewohl zu sagen und Richtung Südwesten vorzudringen. Viel zu lange haben wir uns hier drauf schon aufgehalten, immer in der Hoffnung, dass es doch noch spannend wird, aber die Begeisterung wollte nie richtig überspringen.
Wir sind vollkommen durchnässt und müssen uns dringend irgendwo aufwärmen. Einen Anruf später sitzen wir bei Tim vor dem Kamin und unterhalten uns über Politik und das amerikanische Gesundheitssystem. Tim hat uns gestern auf der Straße gestoppt und seine Telefonnummer in die Hand gedrückt.
Heftiger Schneefall in der Nacht und weiterer Schnee am Morgen, helfen uns bei der weiteren Routenplanung. Wir begraben alle Träume hier in Colorado ein Stück des Colorado-Trail fahren zu können. Mit unserer Ausrüstung und dem eingeschneiten Trail nicht machbar. Also nichts wie weg!
Tim stattet mich mit ein paar warmen Handschuhen aus, die ich gut gebrauchen kann. Die Schnellstraße ist zwar geräumt, jedoch ziemlich eng, ohne Seitenstreifen und zudem viel Verkehr. Leichter Schneefall setzt ein, der immer mehr in heftigen Schneeregen übergeht. Mich erinnert das Ganze an unsere Fahrt durch Kirgistan vor einem Jahr, als wir zusammen mit Alberto auf dem Weg nach Bischkek unterwegs waren. Der amerikanische Fahrstil unterscheidet sich kaum vom kirgisischen und wir sind heilfroh, als wir nach einer langen eisigen Abfahrt unten am Colorado Fluss ankommen. Hier ist es gleich 10°C wärmer und es liegt kein Schnee mehr.
Die Suche nach einer neuen Hinterradnabe für Andi bleibt erfolglos. Es gibt zwar einige Radläden in der Umgebung, doch diese verkaufen nur hochpreisiges und extravagantes Zeug. Selbst bestellen kann die Nabe keiner und auch die Nachfrage bei weiteren Radläden bringt keinen Erfolg. Sogar im Internet finden wir nach stundenlangen Suchen nur einen einzigen US-Shop, der eine Nabe lieferbar hat. Kann das sein? Jetzt sind wir so weit gefahren und niemals hätten wir gedacht, dass es in den USA so ein Problem ist an Ersatzteile zu kommen. Mit Ernüchterung müssen wir feststellen, das wir für amerikanische Verhältnisse altmodisch unterwegs sind. Wer fährt denn heute noch 26“, wenn er 29“ haben kann. Dies spiegelt die Art und Weise des Radfahrens hier in den USA wider. Für die meisten Menschen ist es unvorstellbar, ein Rad einfach so auf der Straße zu fahren, wenn es doch dafür extra Trails gibt. Ein Grund dafür, warum wir so viele Räder auf den Gepäckträgern der Autos und kaum auf der Straße sehen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen.
In all dem Teile-such-Stress gabelt uns Diane auf der Straße vor der Bücherei auf und lädt uns ganz selbstverständlich zu sich nach Hause ein. Ich stelle mir bei solchen Begegnungen immer wieder die Frage: "Was bewegt Menschen dazu, zwei wildfremde Radler in deren Haus einzuladen?" Ist es nur die Tatsache, dass wir mit dem Rad unterwegs sind oder sind es die Geschichten und Abenteuer, die wir zwangsläufig im Gepäck haben. Ist es die eigene Abenteuerlust, Hilfsbereitschaft oder pure Neugierde? Wahrscheinlich von allem etwas. In den USA gibt es jedenfalls mehr solcher Menschen, als wir jemals erwartet haben.
Wir machen einen Abstecher zum Black Canyon, bei dessen Tiefe kaum Sonnenlicht ins Innere des Canyon gelangt. Die steilen Felsen sind um diese Zeit vor allem bei Kletterern beliebt. Um dem Verkehr auf der Schnellstraße zu entkommen, beschießen wir spontan einen Abstecher rauf auf das Plateau von Grand Mesa zu machen. Dies bedeutet aber, dass wir hoch auf 3300m Höhe müssen. Mit kontinuierlich 8km/h schrauben wir uns bergauf. Auf halber Strecke zelten wir, als es in der Nacht anfängt zu schneien. Jetzt waren die letzten Tage so schönes Wetter. Keiner von uns hat Lust, die mühselig erarbeiteten Kilometer wegen ein bisschen Schnee wieder hinunterzufahren und wir strampeln weiter bergauf. Die Winterlandschaft ist beeindruckend, aber es wird auch schnell kalt. So stoppen wir maximal 5 Minuten, um ein Foto zu machen oder was zu knabbern. Immer in Bewegung bleiben, sich warm halten und bloß nicht schwitzen.
Wir verbringen die Nacht oben auf dem Plateau. Mit -16°C im Zelt und sicherlich unter -20°C außerhalb des Zelts einer der kältesten Nächte, die wir jemals im Zelt verbracht haben. Doch der Sternenhimmel ist atemberaubend. Wir brauchen lange, bis wir uns am nächsten Morgen aus den Schlafsäcken bewegen. Auch wenn die Sonne scheint, ist es immer noch eisig. Über die "Lands Ends Road" geht es in einer endlos erscheinenden Abfahrt wieder hinunter ins Tal. Schicht für Schicht ziehen wir die Klamotten aus, denn unten herrscht T-Shirt Wetter. Die Grenze nach Utah ist nicht weit.
Unterwegs bis Grand Junction 29.804 km und 557 Tage
geschrieben von Steffi
Anfang September ging es für uns durch den Yellowstone Nationalpark. Vorbei an heißen Quellen und brodelnden Geysieren, begleiten uns Wapiti-Hirsche und Bisons. Nach einem Abstecher über den Beartooth Highway änderte sich das Wetter schlagartig. Wir lernen, dass Sommer und Winter in dieser Gegend fast nahtlos ineinander übergehen. Wie gut, dass wir unsere Winterhandschuhe bereits an die mexikanische Grenze vorausgeschickt haben. Die Flucht vor dem Wetter hat damit begonnen...
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In early September we went through the Yellowstone National Park. Passing past hot springs and geysers, accompanied by elks and bisons. After a detour over the Beartooth Highway, the weather suddenly changed. We learn that summer and winter in this area are almost seamlessly merges. Stupidly, we sent our winter gloves ahead to the Mexican border. The escaping from the weather has begun ...
Nachdem der Eimer Eiscreme uns wieder auf die Beine gebracht hat, fahren wir mit vollen Taschen zusammen mit Christina aus Kanada nach Twin Bridges, wo es ein Radlercamp und unsere erste Dusche seit Missoula gibt. Der Abschnitt ist Teil des TransAmerica Trail, DER Radroute schlechthin in den USA. So viele Radler haben wir bis jetzt nur in der Zeit in Missoula gesehen. „Yeah, TransAm bikers!“, ruft es immer wieder von der anderen Straßenseite. So sind wir einen Tag lang ein Teil der Rennrad-, Liegerad-, Tandem- und sonstigen Szene, die die US von Küste zu Küste durchquert.
Dass die letzten Tage über die CDT nicht spurlos an uns vorbei gegangen sind, merken wir beide an den schweren Beinen. Wir brauchen dringend etwas Pause und wollen den restlichen Tag etwas zum arbeiten am Laptop nutzen, doch offensichtlich haben wir unseren EU zu US Steckdosenadapter am Supermarkt in Dillon vergessen. Blöde Situation, da wir so unseren Laptop nicht nutzen können. Das Teil kostet zwar nur 1$, aber wo bekommen wir Ersatz her? Es kommt kein großer Ort mehr in nächster Zeit. In der Hoffnung den Adapter wieder zu bekommen machen wir uns am nächsten Morgen wieder auf zurück nach Dillon. Diese 80km Umweg hätten wir uns wirklich sparen können. Tatsächlich haben wir Glück und der Adapter steckt noch in der Steckdose.
Es ist Kerwe in Dillon. Neben unzähligen Fressständen und Fahrgeschäften ist der „County Fair“ ein, riesiges Erntedankfest, bei dem Landwirte aus der Umgebung ihre Ernte und Tiere zur Schau stellen. Wir können durch den Zaun der Rodeo Arena lugen, wo sich Cowboys und Cowgirls in verschiedenen Disziplinen messen. Die Reiter sind gerade damit beschäftigt eine Kuh mit dem Lasso einzufangen, um dann so schnell wie möglich eine Tasse Milch zu melken. Die spinnen, die Amis!
Wir verlassen Dillon wieder in der Mittagshitze, diesmal über Schotter. Endlose Felder und kein Schatten in Sicht. Wieder einmal ist alles eingezäunt. Ein kurzes unspektakuläres Stück geht es über die Great Divide, bevor wir in Richtung Yellowstone National Park abbiegen.
In West Yellowstone schlagen wir unser Zelt in einem Wäldchen neben dem Parkeingang auf. Es ist Andis Geburtstag, als wir noch vor Sonnenaufgang in den Park starten. „Watch out the big RVs, that’s the killers“, warnt uns die Rangerin am Eingang vor den Wohnmobilfahrern. Die meisten Leute schlafen noch oder genießen gerade ihr Frühstücksbuffet im Hotel. Doch kurze Zeit später bildet sich bereits der erste Stau, als eine Herde Wapiti-Hirsche neben der Straße durch den Fluss zieht.
Der Morgen hat schon fast etwas Mystisches. Überall raucht, dampft oder brodelt es. Yellowstone ist bekannt für sein einzigartiges Ökosystem mit heißen Quellen, spuckenden Geysieren, blubbernden Schlammtöpfen und Dampfbädern. Ein riesiger Wellnesstempel für unzählige Mikroorganismen. Entstanden durch einen Supervulkan, der unter der Erdkruste schlummert. Bei morgendlichen Temperaturen um die 0°C würden wir uns auch lieber in einen warmen Whirlpool legen. Doch Mittags ist es bereits wieder so warm, dass uns der Schweiß von der Stirn tropft.
Wir kommen mit John ins Gespräch, der lange Zeit in Österreich gelebt hat und in unserem Alter selbst in der Welt unterwegs war. Er kann nachvollziehen was es heißt mit geringem Budget zu reisen und wie prägend diese Erfahrung für seine Zukunft war. Da er keine Zeit hat mit uns Mittagessen zu gehen, schenkt er uns 20$. Wir sollen doch bei ihm in Salt Lake City vorbei schauen, wenn es sich ergibt. Verrückte Welt hier in den USA. Gestern vor dem Supermarkt ist uns so etwas ähnliches schon einmal passiert. Sehen wir wirklich so mitgenommen aus?
Die Leute sind unheimlich interessiert und ständig werden wir angesprochen. Doch leider passiert es uns auch immer häufiger, dass wir Menschen mit der schlichten Länge unserer Reise überfordern. Auch wenn wir bereits nur noch Alaska als unseren Startpunkt angeben. Aber spätestens bei der Frage nach den zurückgelegten Kilometern kommt die ganze Wahrheit ans Licht.
Wie es der Zufall will treffen wir Christina aus Kanada wieder, die mit ihrem Rad bereits eine Schleife durch den Park gedreht hat. Sie hat langsam die Schnauze voll von dem „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ und ist bereit für Mexiko. Doch wer sind die Amerikaner? Was bewegt sie? Was treibt sie an? Mein Kopf ist voller Fragezeichen, zu früh um jetzt schon an Mexiko zu denken. Wegen Straßenarbeiten geht es für uns erst einmal 5 Meilen nördlich auf der Ladefläche eines Baustellenfahrzeugs.
In Mammoth Hot Springs machen die Hirsche gerade die Stadt unsicher. Ein Parkranger hat alle Hände voll zu tun die Situation zu kontrollieren und den Verkehr zu regeln.
Die Kalkterrassen der Hot Spring erinnern uns an die von Baishuitai in China. Wir machen noch einen kurzen Abstecher zum Boiling River, um ein Bad im durch heiße Quellen gespeisten Wasser des Flusses zu nehmen. Nicht die beste Idee vor einem langen Radeltag. Unsere Muskeln fühlen sich an wie Wackelpudding, als wir bergauf strampeln.
Wir haben kurz nach Laborday und die drei Monate Schulferien sind vorbei. Ich möchte definitiv nicht in der Hauptsaison hier sein, wenn sich schon jetzt wegen jedem Bison gleich ein ganzer Stau am Straßenrand bildet und ein RV nach dem anderen sich an uns vorbei quetscht. Unsere Poolnudel, die wir vor ein paar Tagen am Straßenrand gefunden haben, wirkt Wunder. Kein Platz, kein überholen! Pahh... unser Erziehungshilfe wirkt.
Die ersten Bisons tauchen am Straßenrand auf. Ein vollkommen anderes Gefühl, die Tiere hier in freier Wildbahn und in großen Herden zu sehen, als Zuhause im Wildgehege des Käfertaler Walds.
Wir beschließen einen Abstecher zum Beartooth und Chief Joseph Highway zu machen. Irgendetwas Magisches zieht uns immer wieder in die Berge. Wir genießen die Aussicht nach getaner Arbeit, bevor es an die Abfahrt geht. Der Chief Joseph Highway führt uns nach Cody, innerhalb weniger Kilometer mitten in die Wüste. Essensvorräte gilt es aufzustocken, die perfekte Gelegenheit Andis Geburtstag mit einem kleinen Kuchen nachzufeiern. Mit vollen Taschen machen wir uns wieder auf in Richtung Park. Hinter der Stadt stoßen wir auf Irmgard und Klaus, Deutsche die, mit Reisemobil, wie wir Richtung Süden unterwegs sind. Wir kommen ins Gespräch und stellen fest, dass Irmgard lustigerweise die Patentante eines Freundes von uns ist. Die Welt ist doch ein Dorf.
Wieder zurück im Park erfasst uns ein Wetterumschwung. Wir merken schon, dass es kälter ist als die Tage zuvor. Heftiger Wind peitscht über den Yellowstone See, dunkle Wolken ziehen auf. Wir treten kräftig in die Pedale, doch der Wind ist stärker und wir verlieren gegen ihn. Patschnass fahren wir weiter nördlich. Die Autofahrer schert das Wetter wenig und sie heizen weiter an uns vorbei. Der Tag meint es nicht gut mit uns, als Andi auch noch wegen einem Platten die Böschung hinunter fährt. Ziemlich entnervt versuchen wir schnell den Schlauch zu flicken. Wenig später wieder ein Platten. Verflixt, da waren wohl zwei Löcher im Schlauch. Dann will auch noch unsere Pumpe nicht mehr. Heute ist wirklich der Wurm drin und keiner in Sicht, der uns erlösen will. Inzwischen ist es dunkel geworden. Die Anmeldung des Campingplatz hat bereits geschlossen, als wir durchnässt im Canyon Village ankommen. Wie gut, dass es auf allen Campingplätzen im Park sogenannte Hiker/Biker Sites gibt. Zeltplätze nur für Wanderer und Radler, die nicht vorher reserviert werden müssen und mit 5$ pro Platz entsprechend günstig sind. Die Hiker/Biker-Site in Canyon Village ist ein privater Betreiber und soll gleich über das dreifache kosten. Glücklicherweise liegt sie etwas abseits und wir schlagen einfach unser Zelt auf.
Die nächsten Tage werden wir wohl die Regensachen draußen lassen müssen, denn der Wetterbericht verspricht nichts Gutes. Nachdem wir den Vormittag die Aussichtspunkte des Yellowstone Fluss abgeklappert haben, fängt es am Mittag wieder an zu regnen. Ein Camper verspricht uns am Morgen mit Kaffee vorbei zu kommen, doch bei Schneeregen lässt sich keiner mehr blicken.
Zu blöd, dass wir unsere dicken und wasserdichten Winterhandschuhe in das Paket gepackt haben, das wir von Missoula aus in Richtung mexikanische Grenze geschickt haben. Eine unüberlegte Kurzschlussreaktion, die wohl der Hitze in Montana geschuldet war. Was wollen wir bitte mit den Handschuhen in Mexiko? Als Ersatz gibt es nur ein paar Plastiktüten über die dünnen Handschuhe.
Selbst bei Regen leuchten die Farben der Grand Prismatic Spring, an der sich die Menschen mit Regenschirmen tummeln. Für uns heißt es in Bewegung bleiben, sonst wird es kalt. Am Old Faithful Besucherzentrum versuchen wir uns etwas aufzuwärmen. Aber so richtig warm will es nicht werden. Old Faithfull ist es anscheinend auch zu kalt und außer einer kleinen Dampf Fontaine kommt nichts. So ist unser Highlight an diesem Tag nicht der „alte Getreue“, sondern viel unbekanntere Attraktionen, der „Grotto-Geysir“ und der „Morning Glory Pool“.
Am nächsten Morgen haben wir tatsächlich Schnee auf dem Zelt. Der Winter hat Einzug gehalten. Die Winterlandschaft bezaubert uns, als wir dem Park den Rücken kehren und die schneebedeckten Gipfel um Grand Teton auftauchen. Insgeheim hatten wir gehofft, den Yellowston Park mal im Winter zu sehen, aber hätten nicht gedacht, dass der erste Schnee schon Anfang September fällt.
Eigentlich wollten wir im Grand Teton National Park ein paar Tage wandern gehen, aber der Wetterbericht für die nächsten Tage verspricht nichts Gutes. Naja, was solls, wir können nicht alles haben.
Jackson ist so ein Platz, an dem die Millionäre Platz für die Milliardäre machen müssen. In einem kleinen Supermarkt im Teton Village komme ich mir vor wie an einer Tankstelle in Alaska, wobei Alaska im Vergleich noch günstig war. Eine Frau überholt uns auf dem Radweg mit dem Fahrrad. Im Vorbeifahren beschimpft sie uns als sch... Demokraten... Etwas perplex, legen wir einen Gang zu und stellen sie zur Rede. Woraufhin sie nur noch ausfallender wird. Die erste Trump-Wählerin, die wir treffen. Wir haben uns schon gefragt, wer um alles in der Welt diesen Präsidenten gewählt hat? Bis jetzt haben sich unsere Gesprächspartner immer klar davon distanziert. Das Amerikaner nicht über Politik reden, kann ich nicht bestätigen. Oftmals ist es eines der ersten Dinge, die sie uns zu verstehen geben: Sie haben nicht Trump gewählt.
Wir geben noch einmal ordentlich Vollgas um weiter Richtung Süden zu kommen, bevor uns das Wetter wieder einholt. In Pinedale werde ich von Sarah angesprochen und keine halbe Stunde später sitzen wir zusammen mit ihrem Mann Matt und den drei Kindern in ihrem kleinen Haus beim Abendessen. Matt ist sehr aktiv in der hiesigen Kirche und Sarah unterrichtet ihre Kinder zuhause. Religion scheint hier, wie in vielen amerikanischen Haushalten, eine große Rolle zu spielen. Die Nacht verbringen wir in einem großen Indian Tipi im Garten der Familie. Es ist frostig draußen, immerhin liegt Pinedale auf über 2100m Höhe und ist nur 3 Monate im Jahr wirklich frostfrei. Ein Zeichen für uns noch einmal mehr Gas zu geben und in Richtung Süden weiter zu fahren, diesmal wieder über die Great Divide. Begleitet von zahllosen Kühen und Pronghörnern geht es in Richtung Wyomings Great Basin, die für uns einige Überraschungen bereit hält...
Unterwegs bis Pinedale 28.695 km und 537 Tage
geschrieben von Steffi
Nach einer langen Zeit in Missoula haben wir es wieder auf die Straße geschafft. Nur für einen Tag. Warum nicht einen Teil des Continental Divide Wanderwegs probieren? Dabei bekommt Radwandern gleich eine ganz andere Bedeutung und wir werden zu ungewollten Experten. Aber die Landschaft war so unglaublich, dass es uns weiter zog, bis uns das Essen ausgegangen ist.
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After a long time in Missoula we made it back on the road. Just for one Day. Why don't we try a part of the the Continental Divide Hiking Trail? This decision made us to experts in hike a bike. But the Landscape was so amazing so we kept on going, untill we run out of food.
Nach einer langen Zeit Stillstand in Missoula und dem einwöchigen Urlaub in Las Vegas sind wir wieder unterwegs. Nicht, dass wir nichts anderes mehr zu tun hätten, doch es kribbelt in den Beinen. Ein Zeichen dafür, dass wir weiter müssen. Doch erst einmal müssen wir auf unserem Weg in Richtung Süden vorbei an den nun seit Monaten lodernden Waldbränden. Die Nationalgarde ist im Einsatz, um die angrenzenden Straßen zu sperren. Der Rauch brennt in den Augen und das Radeln fällt uns schwer.
Als wir aus dem gröbsten raus sind, beschließen wir runter von der Schnellstraße zu gehen und rein in die Berge. Wir befinden uns nicht weit weg von dem CDT, dem Continential Divide Trail. Dieser Wanderweg folgt der Wasserscheide im Gegensatz zur Radvariante der „Great Divide“, exakt. Also warum nicht einmal ausprobieren, wie weit wir mit den Rädern kommen? Viele Informationen haben wir nicht über die Strecke, aber die Seen in einigen Kilometern Entfernung sehen schön aus. Dort wollen wir hin.
Nach einem langen Anstieg über eine Schotterpiste spüren wir unsere lange Pause vom Radfahren in den Beinen. Ich bin skeptisch, ob es eine gute Idee ist, nach nur einem Tag auf der Straße gleich ins Gelände zu gehen, doch die ersten Kilometer von Gibbons Pass zum Chief Joseph Pass lassen meine Skepsis in Begeisterung umschlagen. Der Singeltrack läuft wie Butter, wir müssen kein einziges Mal schieben. Ich bin so dankbar um meinen neuen Vorderradmantel mit deutlich mehr Grip, den ich bei Freecycle bekommen habe.
Eine Gruppe Mountainbiker kommt uns entgegen. In der Gegend findet gerade ein Mountainbike Festival statt. Wahrscheinlich ein Grund dafür, dass der Trail in einem so guten Zustand ist.
Wir genießen noch einmal die Annehmlichkeiten mit fließend Wasser an der Raststätte unten an der Schnellstraße. Für die wir gerade mal eine Meile den Berg runter müssen (und wieder hoch).
Zurück auf dem Trail treffen wir die ersten Wanderer. Die meisten super leichtgewichtig unterwegs, gedanklich schwebend in einer anderen Welt. Rund fünf Monate zu Fuß sind die meisten von Mexiko nach Kanada unterwegs. Viel Zeit, um über Dinge nachzudenken und zu sich selbst zu finden. Jeder Wanderer hat einen Trailnamen, den er sich selbst gibt oder von anderen Wanderern bekommt. So treffen wir Glühwürmchen, Gleiter und Adlerauge.
Wahnsinnige 1.000 $ pro Monat lässt ein Wanderer im Durchschnitt auf dem Trail, oder viel mehr in den Städten, denn auf dem Trail gibt es nichts. Nahezu das doppelte, was wir zu zweit benötigen. Wenn sie dann mal einkaufen und essen gehen können, lassen sie es krachen.
Das erste Steilstück kurz vor Sonnenuntergang gibt uns dann einen Vorgeschmack darauf, was uns die nächsten Tage immer wieder erwartet. Schieben, schieben, schieben... Da bekommt Radwandern gleich eine ganz andere Bedeutung. Oder "Hike a bike", wie sie es hier nennen. Vollkommen kaputt fallen wir in unsere Schlafsäcke.
Am nächsten Tag heißt es schon bald wieder schieben. Der Weg ist zu steil, voller Geröll und umgefallener Bäume. Viele Stellen sind gerade so fahrbar. Nach einer sehr steilen Abfahrt geht es auf der anderen Seite genauso steil wieder bergauf. Gemeinsam brauchen wir über eine Stunde um die 200 Höhenmeter zu bewältigen. Doch Daniel und Elaine, zwei Wanderer aus Colorado, geben uns neuen Mut. Sie sind nahezu auf der Zielgeraden ihrer Wanderung. So kommt es, dass wir am Big Hole Pass die erstmögliche Ausstiegsstelle runter vom Trail links liegen lassen. Belohnt werden wir dafür mit einem schönen Singletrack durch den Wald und offensichtlichen Reifenspuren. Weitere Radler?!
Die folgende Nacht wird dann ein Alptraum, Andi geht es ziemlich schlecht: Erbrechen, Durchfall, das volle Programm. Am nächsten Morgen geht es ihm wieder besser. Zu viel Sonne, die Anstrengung oder doch das Wasser oder Essen? Wir haben keine Ahnung und lassen es langsam angehen. Doch weiter müssen wir. Auf der langen steinigen Abfahrt mach ich mir mein Schutzblech kaputt. Wer kommt auch auf die blöde Idee mit Tourenrad und Schutzblech hier lang zu fahren?
Und wieder verfallen wir in den alten Rhythmus schieben, fahren, schieben, fahren... trotzdem machen wir kaum Höhenmeter. Das letzte steile Stück über Geröll bringt uns dann doch pünktlich zum Sonnenuntergang rauf auf den Bergkamm. Hier passieren uns die letzten Wanderer des Tages, die den ganzen Tag schon unseren Spuren folgen und bereits von den beiden verrückten Deutschen vor ihnen gehört haben. Wir beschließen, dass es zu gefährlich ist, jetzt noch die Abfahrt in Angriff zu nehmen, immerhin sind wir beide ganz schön kaputt. Kraft und Konzentration haben nachgelassen und das folgende Stück sieht so aus, als ob wir beides brauchen könnten. Deshalb genießen wir lieber den sagenhaften Rundumblick. Nach Sonnenuntergang wird es stürmisch, Wolken ziehen auf und in der Ferne sehen wir gleich mehrere Gewitter auf uns zu kommen. Bald sind wir vom Wetter eingekesselt und sind froh, dass wir unser Zelt nicht wie zuerst geplant auf einer kleinen Anhöhe aufgestellt haben. Es dauert einige Stunden, bis der Sturm sich gelegt hat und wir beruhigt schlafen können.
Die Abfahrt am nächsten Tag erfordert viel Aufmerksamkeit, geht es zur Seite hin steil runter. Trotz Geröll aber gut machbar. Vorbei an kleineren Seen und Bächen geht es über eine Bergwiese.
Nach 10km hauptsächlich runter stelle ich am ersten langen Anstieg fest, dass unser Schloss fehlt. Ist es etwa rausgefallen? Kann nicht sein, bei fast einem Kilo Gewicht hätte ich das merken müssen. Andi ist sich nicht sicher, ob er es am Morgen eingepackt hat und entschlossen den Weg wieder zurück zu laufen. Ich bin kaputt und drehe nach ein paar Kilometern wieder um und mache Essen. Am Nachmittag kommt Andi tatsächlich mit dem Schloss zurück. Was für eine Aktion! Ein cross country Halbmarathon und zur Belohnung ein paar Kilometer Fahrrad schieben oben drauf. Über einen steilen Bergkamm geht es zu den ersten großen Seen und wir schlagen unser Zelt am unteren Slag-a-Melt See auf. Niemand hier außer Streifenhörnchen, ein einsames Reh und die Fische im Wasser.
Rauch kommt aus der Richtung, in der wir unterwegs sind. Noch ein Waldbrand? Wir haben gedacht, dass wir aus dem Bereich raus seien. Wie dem auch sei, es gibt nur weiter oder zurück, und den ganzen Weg wieder zurück? Hört sich nicht sehr reizvoll an. Außer, dass wieder unsere Lungen brennen, können wir kein Feuer sehen.
Es geht vorbei an vielen weiteren schönen Seen. Nach dem Little Lake schieben wir ein letztes mal gemeinsam den Berg hinauf. Auf 2828 Metern Höhe ist der höchste Punkt unseres zurückgelegten Abschnitts erreicht. Doch die Abfahrt ist alles andere als prickelnd. Sehr steil und tiefer Schotter. Wo kommen nur all die runden Steine her? Geht es mir durch den Kopf. Aber wir haben unser Ziel erreicht.
Nach 5 Tagen verlassen wir die CDT. Kaputt, aber glücklich. Immer wieder haben wir uns gefragt, "Was machen wir hier eigentlich?" "Warum tun wir uns das an?" Ausstiegsstellen gab es zu genüge auf dem Trail. Doch aus irgendeinem Grund hat es uns immer wieder weiter getrieben. Die Landschaft war einfach zu beeindruckend. Schlussendlich sind unsere Essensvorräte bis auf unser Notfallpaket Kartoffelbrei aufgebraucht. Bis Dillon zur nächsten Einkaufsmöglichkeit sind es noch 105 km. Wieder auf der Straße treffen wir Christina aus Kanada, die mit ihrem Rennrad auf dem Weg von Alaska nach Kolumbien ist. Zusammen schaffen wir auch diese Kilometer. Hungrig und erschöpft von den letzten Tagen gönnen wir uns erst mal ein 1,5 Liter Eimer Eis. Mmh... lecker!
Unterwegs bis Dillon 27.382 km und 518 Tage
geschrieben von Steffi
Wir haben gehofft mit dem Verlassen Kanadas auch den Rauch hinter uns zulassen. Weit gefehlt! Kein Himmel zu sehen in "Big Sky Country" in Montana. Auch die Great Divide langweilt uns zunehmend. Dazu kommt, dass wir mit unserer Ausrüstung auch kein Glück mehr haben. Schon wieder eine kaputte Kamera. Es ist zum verrückt werden. Wir brauchen erst einmal Urlaub. Das erste mal, dass uns jemand aus der Familie besucht. Welcher Ort ist für ein frisch verheiratetes Paar besser geeignet, ihre Flitterwochen mit uns zu verbringen als Las Vegas? Am Ende machen wir eine Tour rund um die Stadt, viel schneller als auf unseren Rädern.
By leaving Canada we hoped to escape the smoke of the wildfires, but there is no big sky to see in the "Big Sky Country" Montana. Also the Great Divide don't get better and bored us. Lately we don't have luck with our gear, again one Camera broke-down. What the hell is going on? It's time for holidays. The first time that a part of our familiy visit us. There wouldn't be a better place than Las Vegas for an newley married couple to spend there honeymoon with us. It turned out to be a road trip around the city, much faster as on bikes.
Nach dem erfolgreichen Grenzübertritt mit Visaverlängerung der Schock, irgendetwas stimmt mit unserer Kamera nicht. Der USB-Anschluss ist tot und die gesamte Ladeelektronik spinnt. Nicht schon wieder! Schon die dritte Kamera, die defekt ist. Böse Erinnerungen an Turkmenistan und Usbekistan kommen auf. Zumal die Actioncamera, mit der wir hauptsächlich Videoaufnahmen während der Fahrt machen, fast gleichzeitig den Geist aufgegeben hat. Andi sind ohne Werkzeug die Hände gebunden, zumal die eine Kamera noch kein Jahr alt ist. Die Sony Garantie greift aber nur in Europa, nicht in den USA.
Gibt es denn nichts mehr, was länger als ein Jahr hält? Nicht nur Elektronik ist ein großes Manko auf der Reise. Die Sachen halten einfach viel zu kurz. Alleine nur bei der Elektronik liegt der Zwischenstand seit eineinhalb Jahren bei zwei defekten Mp3 Playern, einem defektem Handy, drei defekten Kameras, einer defekten SD-Karte und unzähligen Kabeln und Kopfhörern, welche ausgetauscht werden mussten. Die nächsten Tage werden wir mit der Handykamera auskommen müssen, bis wir Ersatz bekommen. Auch alle andern Ausrüstungsgegenstände fallen langsam auseinander. Kaputte Reißverschlüsse, Löcher und Risse in der Kleidung. Meine Schlafmatte muss jetzt schon das zweite mal ausgetauscht werden. Es ist einfach zum Haareraufen. Nach einem Jahr Dauerbenutzung sind selbst die teuersten Produkte hinüber, weshalb wir ständig am reparieren und flicken sind. All dieses Austauschen oder Ersatz Beschaffen von Material kostet aktuell viel Zeit und Nerven. Vielleicht haben wir zu hohe Ansprüche an Produkte. Leider sind die meisten Sachen nur für den normalen Verbraucher konzipiert, der die Sachen drei- bis viermal im Jahr benutzt.
Langsam wird die Zeit knapp, denn für Anfang August steht ein seit langem geplanter Urlaub an. In Las Vegas sind wir mit Andis Bruder und Frau verabredet. Der erste Besuch aus Deutschland, auf den wir uns schon die ganzen Wochen freuen. Dass wir es nicht nach Vegas mit den Rädern schaffen, haben wir bereits in Alaska feststellen müssen und in weiser Voraussicht einen Flug von Missoula (Montana) gebucht. Am Ende bleibt keine Zeit mehr für einen Abstecher in den Glacier Nationalpark. Das Highlight, die „Goinig-to-the-Sun Road“ ist aktuell eh von Touristenscharen bevölkert. Es geht halt nicht immer alles auf einmal.
Auch wenn uns die Great Divide mittlerweile alles andere als großartig vorkommt, beschließen wir ihr trotzdem bis kurz vor Missoula zu folgen. Was wir uns einmal in den Kopf gesetzt haben, wollen wir zu Ende bringen in der Hoffnung, dass die überwiegend staubigen Forststraßen doch noch ein Ende haben. Immerhin sind einige Radler auf der Strecke unterwegs, was es dann doch interessanter macht. Zwar sind alle mit dem Rad unterwegs, doch ist jeder doch einzigartig. Der eine will die gesamte Strecke zur mexikanischen Grenze radeln, der nächste nur einen bestimmten Abschnitt. Wir kommen uns vor wie auf einer Fahrrad- oder Outdoormesse. Von Klapprad über vollgefedert, nagelneue oder 15 Jahre alte Räder, schwerer Stahlesel oder leichter Carbonflitzer. Über leichtgewichtige Hightechausrüstung bis hin zu robuster Militärausrüstung. Es ist alles dabei. Zusammen mit anderen Radlern zelten wir zusammen am Seeley Lake, einem der sonst zu teuren Zeltplätze. Eigentlich sehen wir hier in den USA keinen Grund auf Zeltplätze zu gehen, die außer Plumpsklos nichts zu bieten haben, aber zusammen macht es einfach Spaß.
Wir haben gehofft den Waldbränden aus British Columbia zu entkommen. Doch hier in Montana sieht es bei immer dichter werdendem Rauch nicht besser aus. Ausgerechnet der Teil der Great Divide, in dem wir einen der wenigen Singletracks erwartet haben, ist wegen aktiver Feuer gesperrt. Weiter geht’s auf der Straße. Viel Verkehr, kein Seitenstreifen und auf der engen Straße wird viel zu schnell gefahren. Was den Verkehr angeht, sind wir wirklich sensibel geworden. Ich bin einfach nur froh, als wir an der Kreuzung zu Missoula ankommen und wenigstens wieder einen breiten Seitenstreifen haben. Der Großteil der amerikanischen Autofahrer wissen leider nicht, wie sie mit Radfahrern umgehen sollen, umso mehr hoffen wir, dass alle Radler diesen Abschnitt unbeschadet überstehen.
In Missoula kommen wir bei unserem Warmshowers Gastgeber Bruce unter, der sein Haus und Garten mit mehreren hundert Radlern im Jahr teilt. Zwischenzeitlich sind wir zehn Radler, die im Garten zelten oder im Wohnzimmer schlafen. In Duschanbe in Tadschikistan hatten wir mit Veros Home schon einmal so etwas erlebt. Aber gerade hier in den USA, wo Menschen sich hinter Privat und Zutritt verboten-Schildern verstecken, ist dies ein einzigartiger Platz. Danke, dass es Menschen wie Bruce gibt, die uns bei sich unterkommen lassen.
Wir lassen unsere Räder in Missoula stehen, per Flieger geht es in das fast 1000 km entfernte Las Vegas. Nach einer kurzen Nacht am Flughafen treffen wir Christian und Caterina. Am Vorabend haben wir deren Hochzeit in Deutschland noch live via Skype verfolgt, nun verbringen die beiden die ersten Tage ihrer Flitterwochen mit uns in Vegas und Umgebung. Lange hält es uns nicht in der Stadt. Nachdem wir uns am Abend noch die Bäuche bei einem der super günstigen 2 für 1 Buffet vollgeschlagen haben, geht es raus aus Vegas. Mit dem Auto erkunden wir das Valley of Fire, Zion Canyon, Red Canyon und Bryce Canyon, bevor es wieder zurück nach Vegas geht. Zwischendurch genießen wir bei Page eine Runde im Lake Powell schwimmen zu gehen.
Es geht alles viel zu schnell und unsere Köpfe kämpfen darum all die Eindrücke aufzunehmen. Das Radfahren hat uns sensibel gemacht, nehmen wir auf dem Rad unsere Umwelt und deren Veränderung nahezu ungefiltert war. Jetzt hüpfen wir von einem beeindruckenden Ort zum nächsten und waren doch nicht wirklich dort gewesen. Die Autofahrt bestätigt uns nochmal darin, dass es für uns besser ist mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Die Reise hat uns wohl doch stärker geprägt als wir gedacht haben.
Bevor die Beiden weiter nach Kanada fliegen, verbringen wir den Abend auf dem Strip. Circus-Circus, Klein-Venedig, Wasserspiele und der Eifelturm lassen uns vergessen, dass wir immer noch in der Wüste sind. Doch das ganze Glitzer und Glamour rund ums Geld macht uns nicht wirklich an. Beim genauen Hinsehen ist nicht alles Gold was glänzt. Die Tage mit den beiden vergehen wie im Flug und schon müssen sie auch schon wieder in den Flieger steigen. Hoffentlich besuchen sie uns nochmal. Vielleicht in Südamerika.
Mit Sheldon von Warmshowers verbringen wir unsere letzten zwei Tage in Las Vegas. Er kennt sich bestens aus in der Stadt, weiß genau wo und wann er mit uns sein muss und wo wir Geld sparen können oder erst gar keins ausgeben brauchen. Zusammen besuchen wir die Magic Show von Mike Hammer und genießen eine Tour durch das Downtown von Vegas, wo Straßenkünstler jeden Abend auf ein Neues versuchen, Geld zu verdienen. Wer weiß, vielleicht kommen wir auf dem Weg nach Süden nochmal zurück nach Vegas. Sheldon und das All you can eat Buffet für hungrige Radler sind definitiv zwei Gründe dafür.
Wieder zurück in Missoula hat sich am Wetter leider nichts geändert. Aus dem Flieger waren die leuchtend roten Glutnester der Feuer zu sehen und der Rauch über der Stadt ist eher noch dichter geworden. Bevor es weitergeht, stehen noch ein paar Arbeiten an den Rädern an. Außerdem müssen wir noch auf ein Päckchen mit einer neuen Schlafmatte warten.
Langweilig wird es uns auch hier nicht. Missoula ist eine Studentenstadt mit vielen kleinen Brauereien, Konzerten oder Veranstaltung. Außerdem ist hier der Sitz von Adventure Cycling, der Radfahrorganisation in den USA. Hier gibt es nicht nur kostenloses Eis und Getränke für Radler, sondern auch alle möglichen Informationen. Wir lassen unsere voll bepackten Räder wiegen. Trotz Essen für eineinhalb Woche, vollen Wasserflaschen und 1 Liter zusätzlichem Sprit liegen beide Räder zusammen noch unter 100kg. Klar könnten wir noch weitere Dinge reduzieren, aktuell sind wir aber der Meinung ein optimales Verhältnis zwischen Gewicht und Komfort erreicht zu haben.
Und dann ist da noch Free Cycle, eine öffentliche Fahrradreparaturwerkstatt, in der hunderte gebrauchte Räder und Teile auf einen neuen Besitzer warten. Hier darf jeder selbst an seinem Rad schrauben oder bekommt gezeigt, wie es geht. Gegen eine kleine Spende finde ich einen Stollenreifen für mein Vorderrad, der sicherlich etwas mehr Grip im Gelände hat als mein Mondial. Auch wenn ich den „alten“ Reifen nur ungern tausche, da er selbst nach 26.000 km noch gut aussieht und noch keinen Platten hatte. Die nächsten Tage nach Missoula wird der Reifen noch goldwert sein, denn es geht über die CDT, der Continental Divide Wanderweg.
Unterwegs bis Missoula 27.007 km und 487 Tage
geschrieben von Steffi