Auch wenn Alaska zu den USA gehört, haben wir das Gefühl, doch weiter weg zu sein. Nach einem langen Flug müssen wir uns erst einmal akklimatisieren. Wir genießen den Familienanschluss, bauen ein Gewächshaus und bekommen ein Jobangebot für den Winter. Vollbepackt mit Essen kommen wir im Denali Nationalpark den Bären ganz nah. Nach 14 Tagen stürzen wir uns im ersten Supermarkt auf die Angebote, bevor es hoch hinaus geht.
//After a long flight we have to acclimatize us first. We enjoyed the family life, build a greenhouse, and got a job offer for the wintertime. Prepared with food for many days we rode to the Denali National Park where a grizzly bear passed very close to us. At the first supermarket for 14 days we picked up nearly every offer and continued up to the top of the world highway.//
Nach 39 Stunden Flug inklusive längerer Aufenthalte in Seoul und Seattle kommen wir abends in Anchorage an. 17 Stunden Zeitverschiebung, da kann der Körper schon einmal durcheinanderkommen. Es ist ungewohnt, jeder spricht Englisch und jeder geht davon aus, dass du Englisch sprichst bzw. alles verstehst. Die Gespräche um uns herum prasseln nur so auf uns ein. Es dauert einige Zeit, bis wir uns daran gewöhnt haben
Das uns der Flug ziemlich geschafft hat, fällt uns erst am nächsten Tag auf, als wir erst irgendwann am Mittag aufwachen. Jim und Bernice von Warmshowers haben uns zu sich eingeladen. Die nächsten Tage mit Kids, Hunden, Katzen, Hasen und Hühnern vergehen wie im Flug. Eigentlich war der Plan nur drei bis vier Nächte zu bleiben, am Ende werden daraus zehn. Es gibt so viel zu tun, und wir genießen den Familienanschluss.
Andi kümmert sich um den Garten und die Hunde, während ich gleich zweimal Apfelstrudel für Freunde und Familie backe. Am Ende sind es doch glatt zwölf Strudel geworden.
Wir werden verwöhnt mit westlichem Essen. Unsere erste Pizza seit langem und dann gleich eine der besten, die wir je gegessen haben. Nach unserer Zeit in Asien müssen wir uns erst wieder an die hohen Lebensmittelpreise gewöhnen. Zugegeben, am Anfang sind wir etwas schockiert. Zwar gibt es hier alles im Überfluss und in riesigen Verpackungen, aber das kostet auch. Außerdem wird es bei unserer Routenplanung für zwei Wochen nichts als den ein oder andere teuren Tankstellenshop geben. Bernice hat die super Idee, wir können uns doch unser Trockenobst fürs Müsli selbst machen. Schon hat sie ihren Dörrautomat aus dem Keller geholt und wir machen uns Bananenchips, Fruchtleder und selbst die Tomatensoße lässt sich prima trocknen. Das spart Gewicht und Volumen. Sicherlich eine gute Idee auch fürs Wandern.
Unsere Räder bauen wir erst nach zwei Tagen im Karton zusammen. Und dann steht da ja noch das leidige Thema mit unserem Zelt an. Nachdem wir das reichliche Angebot an Outdoorläden abgeklappert haben, bleibt von 20 Zelten genau noch eins übrig, das lang genug für Andi ist. Dank Jims Kontakten bekommen wir es sogar zum halben Preis. Dazu noch neue Vorderradtaschenhalter und passende Taschen und unsere Ausrüstung ist wieder komplett. Dafür unser Geldbeutel leer.
Aber irgendwann müssen auch wir schweren Herzens weiter. Geplant ist morgens gegen 10 Uhr wieder loszuradeln. Obwohl es nach so langer Pause in den Beinen kribbelt, können wir uns nicht losreißen. Hier noch etwas und dort noch etwas. Es ist schon Nachmittag und Omi kommt schon wieder aus der Schule. Das Wochenende steht vor der Tür, Jim und Omi beschließen kurzerhand mit uns mit zu fahren. Zu viert fahren wir noch 41 Kilometer bis zum Mirror Lake, wo wir die erste Nacht in unserem neuen Zelt verbringen. Am Morgen brechen wir wieder zusammen auf und radeln noch ein paar Kilometer. Am Mittag treffen wir dann Bernice, die uns mit den Hunden, einer riesigen Pizza und Root Beer schon erwartet. Der Abschied fällt uns sehr schwer, haben wir sie doch alle ins Herz geschlossen.
Wir geben noch mal Gas, denn am Abend wartet mit Elaine und ihren 13 Schlittenhunden ein richtiges Alaska-Abenteuer auf uns. Elaine ist trotz Krankheit eine wahre Alaska Powerfrau. Wir nehmen uns die Zeit und helfen ihr im Garten und mit den Hunden. Zweimal täglich füttern und die Sch… einsammeln. Ein Feuer hat in der Umgebung starke Schäden angerichtet und über 50 Häuser sind abgebrannt. Elaine hatte Glück und ihr Haus und die kleine Hütte, in der wir schlafen, blieben verschont. Jedoch nicht das Gewächshaus und ihr Atelier. Mit vorhandenen Mitteln bauen wir kurzerhand ein Gewächshaus für die Tomaten, die unbedingt nach draußen wollen. Es ist ein gutes Gefühl, wieder mal etwas zu arbeiten. Als Dank dazu nimmt sie uns kurzerhand mit zu ihrem Lieblingsplatz am Glenn Highway hinter dem Matanuska Gletscher. Wenn wir wollen, können wir im Frühjahr/ Winter gerne wieder vorbei schauen und Alaska zu einer völlig anderen Jahreszeit kennenlernen. Lernen wie man Schlittenhunde führt! Ein Angebot, das uns reizt.
Wieder ist es Zeit aufzubrechen. In den zwei Wochen hier in Alaska haben wir noch kaum Kilometer zurückgelegt, jedoch schon einiges erlebt und gesehen. Uns wird erst jetzt klar, wie groß Alaska doch eigentlich ist. Die Berge kommen immer näher. Wir haben Glück mit dem Wetter und vor uns erhebt sich der Denali Mountain (ehemals Mount McKinley), der höchste Berg Alaskas, fast wolkenfrei.
Die Saison im Denali Nationalpark hat noch nicht begonnen. Normalerweise kann der Park nur mit Shuttlebusen, zu Fuß oder eben mit dem Fahrrad erkundet werden. Der Busverkehr startet aber erst in einer Woche und hinter der Meile 30 dürfen deshalb nur noch Wanderer und Radfahrer in den Park. Drei Nächte verbringen wir hier und radeln die Parkstraße bis zur Meile 62. Wir machen absichtlich langsam und genießen die sich wandelnde Berglandschaft und die Tierwelt. Eine Herde Dhal Schafe direkt am Weg, Elche, Stachelschweine, unzählige Schneehühner, Murmeltiere und arktische Eichhörnchen.
Und dann sind da ja noch die Bären, der Grund warum wir unser Essen in einem bärensicheren Container abseits vom Zelt lagern und essen und schlafen strikt voneinander trennen müssen. Unser erster Grizzley überquert vor uns gerade eine Brücke, um auf dem Rückweg dann doch lieber wieder durchs Wasser zu springen. Beim zweiten wache ich morgens von einem Brummen auf. Andi schläft noch tief und fest. Ich will eigentlich nur schnell pinkeln und habe die Schuhe schon halb angezogen. Ein prüfender Blick rechts zu unserer weit entfernten Essenstonne, ein Blick links und ich bekomme einen kurzen Schreck. Wir können beobachten, wie ein ausgewachsener Grizzly keine 40 m neben unserem Zelt Wurzeln ausgräbt und verspeist. Er scheint dabei keinerlei Notiz von uns zu nehmen. Wir sind so begeistert von dem Augenblick, dass wir erst ein Foto machen als er schon weiter gezogen ist. Am gleichen Tag sehen wir noch eine Bärenmutter und ihre beiden Jungen durch ein Flussdelta ziehen. Zufrieden machen wir uns wieder auf den Rückweg, immerhin haben wir viel mehr gesehen und erlebt als wir erwartet hätten.
Zum Beginn des Denali Highway müssen wir wieder 40 Kilometer zurück fahren. Mit Gegenwind haben wir ganz schön zu kämpfen. Der nicht asphaltierte Highway soll zu einer der schönsten Straßen Alaskas gehören. Leider spielt das Wetter nicht ganz mit. „Regnet es noch oder schneit es schon?“ Es wird noch mal richtig kalt. Durch den Wind fühlen sich die 0°C noch viel kälter an. An die Kälte haben wir uns immer noch nicht gewöhnt. Zusammen mit den fallenden Temperaturen steigt unser Essensverbrauch rasant an. Wir müssen uns beeilen, denn zum nächsten Supermarkt geht es noch einige Kilometer nördlich über den Richardson Highway. Bei besser werdendem Wetter und dem Bergpanorama im Hintergrund können wir auf der anderen Flussseite die sicherlich 100 Tier starke Delta Bisson Herde mit vielen Jungtieren beobachten.
Da der Sommer in Alaska sehr kurz ist, wird jede Zeit genutzt, um die Straßen auszubessern. An manchen Baustellen arbeiten sie Tag und Nacht 7 Tage die Woche. An einer der Baustellen müssen wir unsere Räder auf die Ladefläche des Führungsfahrzeugs laden. Aus Sicherheitsgründen wollen sie uns nicht radeln lassen.
In Delta gehen wir das erste Mal seit 14 Tagen wieder einkaufen. Leider sind die Preise außerhalb von Anchorage tatsächlich noch einmal bis zu 40 % teurer. Trotzdem werden wir bei den Angeboten fündig. Dann wird eben das gekauft, was am günstigsten ist. Immerhin bringt dies eine gewisse Abwechslung in unseren Essensplan. So gibt es statt Spaghetti mit Tomatensoße, Makkaroni mit Käsesoße. Da Brot sehr teuer ist und die Qualität eher an Toastbrot erinnert, backen wir kurzerhand selbst. Kleine Pizzen oder auch Pita Taschen, die wir zum Mittagessen mit allem Möglichen füllen können. Am Anfang zwar etwas zeitaufwändig, aber bald haben wir den Dreh raus.
Zeit haben wir hier in Alaska wirklich genug. Die Tage werden immer länger, bis es überhaupt nicht mehr richtig dunkel wird. Unsere Taschenlampen verschwinden irgendwo ganz unten in den Taschen. Wir können jetzt selbst um 12 Uhr nachts noch ohne Licht unterwegs sein. In ein paar Wochen wird es dann gar nicht mehr dunkel. Nicht so einfach, haben wir bis jetzt unseren Tagesrhythmus doch immer nach dem Sonnenauf- und -untergang gerichtet.
Bei Gegenwind folgen wir jetzt der endlosen Geraden des Alaska Highways bis nach Tok. Nur Bäume und ab und zu ein Hase, der im Gebüsch verschwindet. Aber unheimlich viele Hasenpfoten am Straßenrand, obwohl gerademal alle halbe Stunde ein Auto vorbeikommt.
Völlig gedankenversunken übersieht Andi fast einen Schwarzbären, der die Straße überquert. Gerade noch rechtzeitig rufe ich von hinten. Andi stoppt, der Bär schaut sich kurz um und verschwindet dann im Wald.
Im Waschsalon in Tok genießen wir die erste richtige Dusche und Waschmaschine seit zwei Wochen, nutzen das Wifi der Bücherei und füllen unsere Energiereserven und Vorräte auf. Zusammen mit Su, einem chinesischen Radler, ebenfalls auf dem Weg nach Patagonien, zelten wir im Wäldchen neben der Bücherei.
Campingplätze hier in Alaska sind unglaublich teuer. 10 – 25 $ kostet in der Regel ein Platz für das Zelt, ohne fließend Wasser, Dusche oder Strom, versteht sich. Einfach nur ein Platz zum Zelt aufstellen. Da bleiben wir doch lieber beim Wildzelten und nutzen die Campingplätze nur zum Kochen. Wir laden noch einmal Essen auf und Su staunt nicht schlecht, was wir alles in den Taschen verstaut bekommen. Bis Dawson City ist es im besten Fall zwar nur eine halbe Woche, aber auch hier wissen wir nicht was wir kaufen können und wie das Preisniveau in Kanada ist.
Über den Taylor Highway geht es rauf nach Chicken. Das kleine Dorf mit dem lustigen Namen, das im Winter nur 4 Einwohner hat, wird im Sommer von Touristenscharen bevölkert. Der Highway ist noch nicht lange geöffnet, aber es sind schon einige Camper unterwegs. Bis heute wird in der Gegend immer noch nach Gold gesucht und abenteuerlustige Glücksspieler können gerne ihr Glück versuchen. Uns lässt der Goldrausch kalt, immerhin haben wir schon genug Abenteuer.
Der Weg bis nach Chicken ist ziemlich kahl und bis auf ein paar Hasen scheint hier nicht viel zu leben. Auch hier hat vor ein paar Jahren ein Feuer gewütet. Was früher einmal Wald war, sind jetzt nur noch schwarze Striche in der Landschaft. Feuer sind in Alaska ein großes Problem. Der größte Teil der Fläche ist in den letzten 50 Jahren mindesten einmal abgebrannt und das gespeicherte Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt.
Ein Paar Kilometer nach dem Ort beginnt für uns der auf US-Seite neu asphaltierte Top of the World Highway. Der Namen ist Programm. Die Straße ist um einiges höher als die umliegende Landschaft und das macht den Reiz aus. Auf dem höchsten Punkt der Straße befindet sich die Grenze zu Kanada und ein neues Land beginnt.
Unterwegs bis zur kanadischen Grenze 22.290 km und 422 Tage
geschrieben von Steffi