Von Oyon aus folgen wir Anfang November der Peru`s Great Divide, eine von Pikes on Bikes zusammengestellte Bikepacking Route durch die peruanischen Anden. Eine Route, auf die wir uns freuen, seit dem wir in Alaska zum ersten Mal ein Rad auf den amerikanischen Kontinent gesetzt haben. Unser Ziel, Arequipa, dass NUR 850 km Luftlinie entfernt im Süden von Peru liegt. Sicherlich ein Klacks für die sechs Wochen, die uns noch bleiben. Nicht so in Peru, außer wenn wir runter an die Küste fahren würden, doch das ist das Letzte, was uns jetzt in den Sinn kommt, nachdem wir in El Silencio unterwegs sind. Die peruanischen Anden sind eine riesige Spielwiese mit einem der besten Off-Road Straßennetz, auf dem wir je unterwegs waren. Die Kombination aus Höhe, Steigung und Untergrund machen die Strecke aber auch zu einer der schwierigsten auf unserer Reise, gleichzeitig auch zu einer der schönsten und reizvollsten. Vom Hochland der Puna zu heißen-stacheligen Canyons. Wir sind beide zuversichtlich, dass wir es bis Arequipa bis Mitte Dezember schaffen können. Immer hin sind wir gut akklimatisiert und fühlen uns fit für die nächste Herausforderung.
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In early November we followed the Peru's Great Divide after the start in Oyon. A bikepacking route through the Peruvian Andes created by Pikes on Bikes. Something we’ve been looking forward to since we cycled for the first time in Alaska on the American continent. Our destination, Arequipa, is located ONLY 850 km as the crow flies in the south of Peru. For the remaining six weeks it should be a snap! Well not in Peru, except we wanna go down to the coast, but that's the last thing that comes to our minds, after we made it to El Silencio. The Peruvian Andes are a huge playground with one of the best off-road network we’ve ever been on. The combination of high altitude, incline and challenging grounds make the route to the most difficult on of our journey, but also one of the most beautiful and attractive one’s. From the highlands of the Puna to hot and prickly canyons. We’re hopeful that we can make it to Arequipa by mid-December. As well acclimated and ready as we are for the next challenge.
Eigentlich sollte man meinen, dass mehrere Tage auf niedriger Höhe erholend sein sollten. Langsam lerne ich jedoch, dass es bei mir das genaue Gegenteil bewirkt. Drei Nächte auf 3600 m Höhe waren zu viel. Wieder auf dem Rad macht mir die bevorstehende Höhe zu schaffen. Ich fühle mich schlapp und muss immer häufiger stoppen. Sollen wir umdrehen, schießt es mir durch den Kopf? Ich kann in Andis Blick sehen, dass er meinen Gedanken teilt. Doch keiner von uns sagt ein Wort. Wir drehen nicht um bevor ich nicht alles versucht habe, auch wenn das eben heißt, dass es im Schneckentempo rauf auf den Pass auf knapp 5000 m Höhe geht. Es hagelt leicht als wir durch die Rapaz Mine fahren. Vorbei an der ersten Schranke werden wir wenig später doch noch angehalten und kritzeln beide unsere Namen auf ein Stück Papier und erklären, wohin wir unterwegs sind.
Dieses Mal machen wir nicht wieder den Fehler tiefer zu gehen und schlagen noch vor der nächsten Ortschaft auf über 4000 m Höhe unser Zelt auf. Ab jetzt versuchen wir so hoch wie möglich zu zelten.
Eine äußerst erholsame Nacht, auch wenn es den nächsten Tag erst einmal wieder runter auf unter 3000 m Höhe geht, um anschließend wieder auf 4800 m Höhe zu klettern. Ein typisches Beispiel von dem was uns die nächsten Wochen erwartet. Flach gibt es in Peru nur an der Küste. Trotz dessen, dass es steiler ist, als am Vortag, läuft es wesentlich besser. Die Sonne brutzelt wieder, als wir auf der Abfahrt an den heißen Quellen des Rio Checras vorbeikommen. Viel zu heiß um ein Bad zu nehmen.
Bei Picoy beginnt der nächste lange Anstieg, mit ein paar heftigen, jedoch machbaren, Steigungen. Auf den letzten Kilometern vor dem Pass Abra Chucopampa fängt es dann an zu hageln und wir bauen im Schneeregen schnell unser Zelt auf. Es ist so nass-kalt, dass die kleinen Schafe auf der anderen Seite des Weges sich kaum mehr bewegen können.
Der nächste Tag bricht an und "OH MIST" durch den Regen ist die Straße völlig aufgeweicht. Für uns heißt dass, schieben, durch den Matsch natürlich. Wir haben keine Chance. Nach wenigen Metern blockieren die Reifen und unsere Räder sind um 10 kg schwerer. Schlimme Erinnerungen kommen hoch. Das ist genau dass, was wir auf Teufel komm raus, vermeiden wollten. Ein paar Kilometer unterhalb dem Pass geht es wieder deutlich besser. Unter den wachsamen Augen einer Herde von Lamas machen wir erst einmal unsere Räder, am nächsten Bach, sauber. Nach 45 Minuten sind sie einigermaßen vom hartnäckigen Matsch und Lehm befreit und es geht weiter ins Tal. Wir sind etwas zu früh fürs Mittagessen im kleinen Ort Vichaycocha, der etwas Abseits der Hauptroute liegt, doch wir sind hungrig und warten deshalb auf das tägliche Mittagsmenü mit Suppe, Hauptgang und Getränk.
Anstatt zurück auf die Hauptstrecke zu fahren, entscheiden wir uns für eine direktere Route vorbei an etlichen Fallwasserkraftwerken in Richtung Lago Yanahuin. Außer 2-3 Pickups mit Minenarbeitern sehen wir den ganzen Tag niemanden. Erst auf einer breiten Schotterstraße, einer Verbindungsroute zwischen dem Hochland und Lima, sind wieder regelmäßig Autos sowie Minen Verkehr unterwegs. An den Lagunas vor Yantac sehen wir die ersten Flamingos in dem seichten Gewässer nach Nahrung suchen und eine Herde Schafe, die gerade ihre Lämmer zur Welt gebracht haben. Nur Pumas sehen wir keine in der Region der "Lagunas und Pumas".
Nach einem weiteren Pass erreichen wir die Carretera Central, eine der Hauptverbindungsrouten zwischen den Dörfern des Hochlands und Lima. Es herrscht unheimlich viel Verkehr. Trucks und Busse kommen im Schneckentempo den Berg hinauf gekrochen oder rauschen in der Gegenrichtung den Berg hinunter. Für uns geht es ebenfalls bergab. Vorbei an einem Minenarbeiterdorf, dass sich entlang des Highways erstreckt. Dreck türmt sich am Straßenrand auf, der von Verkaufsstände gesäumt ist. Frauen waschen Wäsche, die sie zum Trocknen, neben der Straße aufhängen. Etwas zu viel Trubel hier nach den Tagen in der Puna. Noch mal schnell Reserven auffüllen und wir verlassen den Highway wieder bei Rio Blanco. Die Piste geht bergauf und die Sonne knallt. Auf dem staubigen Untergrund sehen wir nach kurzer Zeit aus, wie panierte Hühnchen.
An der Laguna Yuracmayo kommt uns ein Auto entgegen und wir unterhalten uns kurz mit dem Fahrer. Eine Gruppe Radler soll etwa eine Stunde vor uns, in die gleiche Richtung, unterwegs sein. Woher wir den kommen? Die Männer lächeln etwas ungläubig, als wir mit Deutschland antworten.
Es ist schon spät. Heute holen wir sie sicher nicht mehr ein. Wir zelten unterhalb des Punta Ushuayca Pass zur Abwechslung ohne Nachmittagsgewitter und Regenschauer.
Wir sind, wie schon die letzten Tage, früh auf den Rädern und treffen am Anstieg des zweiten Pass für diesen Tag auf die vier Radler, die gerade ihre Zelte zusammen gepackt haben. Jetzt erklärt sich auch, warum die Männer gestern ungläubig geschaut haben, denn die Radler kommen ebenfalls aus Deutschland. Jojo und Ralf, mit Hund Aron, sind wie wir schon eine Weile auf dem amerikanischen Kontinent unterwegs, Karsten verbringt seinen Urlaub radelnd auf der Peru Divide und Steffi hat spontan ein Rad gekauft und ist auf den Weg mit Ziel Patagonien. Tolle Gesellschaft für den Tag. Wir gabeln noch Christopher, einen US-Amerikaner, der schon so ziemlich überall mit dem Rad unterwegs war, auf. Gemeinsam fahren wir über den Pass bis hinunter nach Tanta. Leider sind wir etwas zu spät für ein klassisches Mittagsmenü, trotzdem finden wir noch ein kleines Restaurant, wo uns die Frau Reis und Schnitzel zubereitet. Nach etwas Sucherrei finden wir auch noch einen Laden samt Ladenbesitzerin. Wir verabschieden uns von den Anderen, die die Nacht im Ort bleiben wollen und fahren noch etwas weiter.
Wir folgen dem Fluss Cañete, der hier ein wunderschönes Naturschauspiel vollzieht. Das schillernd grüne Wasser bahnt sich den Weg durch das Tal in Form von zahlreichen
Wasserfällen und Lagunen. Mit seiner terrassenförmige Anordnung erinnern sie uns an die Krka Wasserfälle in Kroatien. Die Gegend gehört zum Nor Yauyos-Cochas
Landschaftsschutzgebiet und ist ein beliebtes Ausflugsziel.
Hungrig kommen wir kurz nach 12 Uhr in Huancaya an. An jedem zweiten Haus hängt ein Hospedaje Schild, alle Unterkünfte scheinen aber zu zuhaben. Wir finden zwei Restaurants, bei denen die Tür nicht verrammelt ist, doch bei allen dauert es noch, bis das Essen fertig ist. Also gehen wir erst einmal einkaufen. Die ältere Frau, die uns schon auf der Straße abfängt, erzählt uns stolz, was sie nicht alles hat. Leider hapert es dann daran unsere fünf Dinge, die wir kaufen möchten, zusammenzuzählen. Selbst nach dem sechsten Mal kommt sie auf immer mehr Da hilft auch nicht, dass sie die Zahlen auf Papier notiert. Die Preise sind so schon teurer als sonst. So langsam wissen wir, was die Dinge in etwa kostet. Die Begründung, dass alles aus Lima hierher transportiert werden muss, finde ich etwas dürftig. Ist das in Tanta nicht der Fall gewesen? Wir haben einen Bärenhunger und nachdem Vorrechnen auch kein Zweck hat, geben wir auf. Sollen wir Mitleid mit der Frau haben, die scheinbar nicht rechnen kann oder wollte sie uns einfach übers Ohr hauen. Wir wissen es nicht.
Einkaufen ist überwiegend mein Part, mittlerweile kenne ich das peruanische Lebensmittelsortiment so gut, dass ich in den kleinen Tante Emma Läden nach entsprechenden Produkten fragen kann. Am Anfang habe ich mich erst lange umsehen müssen, um zu schauen, was es gibt. Mittlerweile weiß ich, es ist mehr oder weniger immer das Gleiche.
Es hat unterdessen zu schütten angefangen und wir gehen zurück zum Restaurant. "Der Hunger treibt's rein", ist mein Gedanke zu der ansonsten schmackhaften, wenn auch einfachen peruanischen Küche. Draußen auf der Straße kommt die Frau vom Laden angelaufen, ob wir noch Käse kaufen möchten? Eigentlich schon, aber wir wollen weiter.
Peru lehrt uns einiges in Sachen Geduld, doch so langsam sind wir etwas genervt überall schon fast betteln zu müssen, um etwas einkaufen zu dürfen oder ein Zimmer im Hotel zu bekommen. Peruaner gehören ganz sicher nicht zu den Geschäftstüchtigen, denn das ist keine Ausnahme.
Bei Llapay sind wir mit 2800 m Höhe auf dem tiefsten Punkt seit langem angekommen. Kakteen prägen das Landschaftsbild und es ist heiß. Es geht vorbei an terrassenförmig an den Hang angelegt Feldern, die noch aus der Inkazeit stammen bis nach Lararos, ein weiterer Versorgungspunkt. Von hier klettern wir weiter hinauf an die 5000 m Marke zum Abra Pumacocha. Bis dahin der höchste Pass unsere Reise.
Der Anfangs super Weg wird hinten heraus immer schlechter, doch ein echter Zahnzieher ist der steinige Untergrund. Über 10 % Steigung auf 4900 m Höhe macht einen fertig. Ich denke an die Schokolade, die Andi mir auf dem Gipfel versprochen hat, während er selbst daran denkt, schneller zu sein als ich, um die Schokolade für sich zu haben. Keine Chance, da lass ich mich nicht abhängen.
Der Ausblick auf dem höchsten Punkt ist sagenhaft, doch ein Gewitter bahnt sich an. Nichts wie weg! Wir nehmen die steinige Abfahrt unter die Räder und geben Gas. Gerade noch rechtzeitig bauen wir unser Zelt auf, bevor es zu hageln anfängt und bis zum Abend nicht mehr aufhört.
Der nächste Morgen beginnt wieder mit Sonnenschein. Es folgen viele kleinere Anstiege und Abfahrten über die Puna. Weidefläche unzähliger Alpakaherden prägt die Landschaft. Auf dieser offenen Fläche sind wir Nachmittagsgewittern nahezu schutzlos ausgeliefert.
Es geht vorbei an ein paar kleinere Orten und es folgt der letzte Pass vor Huancavelica. Oben auf dem Pass von Abra Llamaorgo erwartet uns eine Gruppe streunender Hunde, die alle ganz schön mitgenommen aussehen und nur darauf warten, das irgendwo mal ein Alpaka oder Schaf verendet. Leider sind unsere Essensreserven vollkommen aufgebraucht und es gibt nur ein paar Streicheleinheiten.
Regen begleitet uns den Weg runter bis kurz vor Huancavelica, einer der größten Orte entlang der Peru Divide Strecke. Es ist Sonntag, Markttag und der Fußballverein spiel gerade ein wichtiges Spiel, kurz gesagt es ist viel los in der Stadt. Wir bleiben ein paar Tage im Ort, ruhen die Beine aus und genießen das tägliche Mittagsmenü in einem der zahlreichen Restaurants.
Hinter Huancavelica verlassen wir die Peru Divide und fahren stattdessen über Lircay in Richtung Ayachuco. Auf einer perfekten Asphaltstraße und später Schotter mit kaum Verkehr. Eine gute Alternative, da wir in der Regenzeit unterwegs sind und der folgende Abschnitt der Radroute bei Regen äußerst klebrig werden kann. Außerdem brauchen wir einen paar Fahrradteile, die es nur in den großen Städten gibt.
Ayachuco kündigt sich schon viele Kilometer vorher, in Form von riesigen Müllbergen am Straßenrad an. Es herrscht unheimlich viel Verkehr und die Straße ist eng. Wir verbringen Stunden in der Stadt mit sinnlosem umhergefahre, um alle Fahrradläden abzuklappern. Immerhin bekommen wir alle Fahrradteile in einem der Läden im Zentrum. Es ist schon spät geworden und wir wollen eine Unterkunft finden. Gar nicht so einfach wie wir dachten. Entweder ist alles belegt, außerhalb unseres Budgets oder so heruntergekommen, dass wir lieber im Dunkeln aus der Stadt fahren würden. Unsere Stimmung ist im Keller und wir fahren entnervt in Richtung Stadtrand. Der Himmel sieht nicht gut aus, wenn wir die nächsten Stunden nicht im strömenden Regen bergauf fahren möchten, müssen wir eine Lösung finden. Auf den letzten Metern der Stadt finden wir doch noch ein kleines Zimmerchen mit kalter Dusche und Wifi, zumindest bis das angeschlossene Restaurant schließt.
Gerade noch rechtzeitig. Ein starkes Gewitter fegt über uns hinweg und wir sind froh nicht draußen zu sein.
Nächster Stopp Vilcas Huaman, wo ein leckeres Lomo Saltado für gute Laune sorgt. Der kleine Ort mit seiner über der Stadt thronenden kolonial Kirche und Inca-Pyramide hat durchaus Charme, auch wenn sich nur wenige Ausländer hierher verirren. Zu Fuß laufen wir ein bisschen in der Stadt herum und decken uns mit Früchten und Gemüse ein.
Leider ist die Straße nach dem Ort in so schlechten Zustand, dass selbst die Einheimischen, wo es nur geht, neben der Straße fahren. Immerhin erwischen wir einen spitzen Zeltplatz mit Blick hinunter zum Fluss und der Brücke, die wir am nächsten Tag überqueren wollen. Dann wissen wir ja schon wo wir morgen Abend sein werden.
Die steinig, staubige und vor allem stachlige Abfahrt hinunter zum Rio Cangallo will gar nicht enden. Andi hat durch die vielen Stachel auch noch einen Platten im Vorderrad.
Wenn es so auch auf der andern Seite wieder bergauf geht, dann wird das wohl ein langer und anstrengender Tag mit viel schieben. In Pongococha wollen wir noch etwas einkaufen. Wir finden zwar einen Laden, doch es findet sich einfach niemand, der uns aufschließt oder den wir überhaupt fragen könnten. Nur zwei Esel trotten einsam um den Marktplatz, die leider nicht verstehen, was wir wollen. Wir laufen durch die kleinen Gassen, doch es scheint, als ob alle Bewohner auf den Feldern sind. Nach einer halben Ewigkeit findet sich doch noch eine sehr freundliche Frau, die mich zu einem anderen kleinen Laden führt, den wir wohl übersehen haben oder der zuvor geschlossen hatte? Außer Keksen, Sardinendosen und Nudeln gibt es nicht viel. Die Frau drückt mir ein Glas selbst gemachten Chicha, das traditionelle Anden Bier, in die Hand und überredet mich, doch lieber beide Rollen Toilettenpapier zu nehmen. Wer weiß, ob wir die vielleicht noch brauchen können. Es ist unglaublich heiß und die Luft im Canyon steht. Nicht die kleinste Brise wir fühlen uns wie in einem Backofen! Endlich kommen wir unten an und machen Mittag am Fluss mit Sardinen und Keksen. Die Latten der Hängebrücke haben schon bessere Zeiten erlebt und ab und an fehlen auch ein Paar. Zu unserem Unglauben kommt ein Pickup mit sechs Leuten angefahren und passiert die Brücke. Die einzige Brücke im Umkreis von mehreren hundert Kilometern. Wie gut, dass wir schon auf der andern Seite sind.
Bei gefühlten 50 °C geht es die Serpentinen der anderen Seite hinauf. Die Sonne brutzelt auf unseren Köpfen. Der Untergrund ist zwar etwas besser, trotzdem kommen wir nur langsam voran. Immer wieder gibt es Stücke auf denen unsere Reifen einfach keinen Halt finden und auf den zum Teil Golfball großen Steinen durchdrehen.
In Chalcos gibt es zu unserer Überraschung den besten Laden seit langem. Neben Lebensmitteln, Kleidung und Schuhen, beinhaltet das Sortiment alles, was man so brauchen könnte. Der Weg in die nächste Stadt wäre viel zu weit und nur wenige Menschen besitzen ein motorbetriebenes Fortbewegungsmittel. Jedes Dorf hat einen kleinen Laden, weshalb wir selten Essen für mehr als 2-3 Tage dabei haben. Ziemlicher Luxus, der das Vorankommen deutlich zügiger macht.
In der Gegend herrscht aktuell eine große Dürre. In Potongo ist deshalb tagsüber das Wasser abgeschaltet. Eine Frau gibt uns kurzerhand etwas von ihren Wasserreserven, die sie gebunkert hat. Die Nachbarin staunt nicht schlecht und schaut neidisch herüber. Was die Frau nur mit einem Breiten grinsen beantwortet. Ohoh, wenn das mal kein Zoff gibt.
Auch wenn wir in der Pampa unterwegs sind, sind meistens Hütten, Schafe oder Alpaka nicht weit. Häufig in einiger Entfernung doch eins ist sicher, es leben mehr Tiere als Menschen im peruanischen Hochland. Nur ab und an begegnen wir einem Fahrzeug oder einem Esel mit Begleitung.
Zwei weitere Tage in der Pampa brauchen wir bis nach Santa Rosa. Leider wieder so ein Highway-Loch wo jeder den gleichen Mist, zu überteuerten Preisen, verkauft. Im einzigen offenen Restaurant gibt es kein Wasser, also keine Suppe, sondern nur Hauptgang. ֦Wie wäscht sie eigentlich das dreckige Geschirr ab, wenn sie kein Wasser hat?", geht es mir durch den Kopf. Besser nicht darüber nachdenken, wir haben beide Hunger und schlingen unsere Portiönchen Kartoffel-Leber Eintopf mit Reis runter. Da hätten wir auch bei einer Dose Sardinen und Brot bleiben können, die wir die letzten Tage zu Mittag hatten. Gut dass, wir noch die zweite Rolle Klopapier dabei haben, die ich in Pongococha mit der Begründung der Ladenbesitzerin es ist "Lejísimos" - "weit weg" gekauft habe. Bis jetzt hatten wir nur wenig Probleme mit dem peruanischen Essen, was auch hoffentlich so bleibt.
Jetzt heißt es aber Gas geben. Bis nach Arequipa ist es immer noch weit. Bald geht es auf den höchsten Punkt unserer Reise überhaupt und die Zeit läuft ...
PS: Das Essen haben wir gut vertragen.
Unterwegs bis Santa Rosa 43.982 km und 975 Tage
geschrieben von Steffi
Cordillera Blanca - Huayhuash Berge - Ende Oktober sind wir in der bei Outdoor Enthusiasten beliebte Gegend unterwegs gewesen. Jede Menge Bilder von einer atemberaubenden Landschaft umgeben von schneebedeckten Gipfeln, Gletschern und türkisblauen Bergseen, mit einem Wechselspiel aus dunklen Wolken und blauen Himmel, Sonne und Regen. Eine Landschaft die am besten mit einem 'Wooh!' zu beschreiben ist. Andi versetzt mir einen riesen Schreck und wir landen auf einem Eselpfad. Außerdem treffen wir eine Entscheidung die unsere Reise und ihren Verlauf stark verändert. Viel Spaß damit.
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Cordillera Blanca - Huayhuash Mountains - At the end of October, we were out in an area popular with outdoor enthusiasts. Lots of pictures of a breathtaking landscape surrounded by snow capped peaks, glaciers and turquoise lagunas, with an interplay of dark clouds and blue skies, sun and rain. A landscape that is to describe best with a 'Wooh!'. Andi gives me a big shock and we end up on a donkey path. We also make a decision that greatly changes our journey and its course. Have fun with it.
Es herrscht Stromausfall in Caraz. Wir wussten gar nicht, wie ruhig peruanische Städte sein können, vor allem an einem Sonntag. Immerhin das übliche Orchester am Morgen zieht auch ohne Strom durch die Straßen, die Kirche stellt kurzerhand einen Trommler ein, nur Eiscreme gibt es keine in der Kühlung und auch nicht die nächsten Tage.
Die Berge der Cordillera Blanca liegen in Reichweite. Von Caraz aus machen wir uns auf den Weg über den bei Radlern beliebten Huascarán Circuit. Eine
Schleife die gleich zweimal die Bergkette überquert und somit ein beeindruckendes Panorama verspricht.
„Hoffentlich hält das Wetter", denken wir uns nur, als am Abend ein paar Tropfen herunterkommen.
Noch bevor es überhaupt hell wird packen wir unsere Sachen zusammen und fahren die ersten Kilometer im Nationalpark, bis es langsam hell wird. Wir wollen, noch bevor die ersten Busse aus Huaraz ankommen, rauf zur Laguna 69, einer beliebten Wanderung zu einem tief Türkisen Gletschersee eingerahmt von schneebedeckten Gipfeln. Der Weg zur Laguna ist steil. Wir verstecken unsere Räder nach kurzer Zeit hinter Felsen und gehen zu Fuß weiter. Es ist noch frisch und die Sicht wechselt ständig, Wolken kommen und gehen. Nicht nur die Laguna an sich, sondern das gesamte drum herum ist absolut sehenswert. Zu unserer Freude sehen wir ein Viscacha, ein Nagetier, das so aussieht wie eine Kreuzung aus Kaninchen und Eichhörnchen.
Wir sind nicht die Ersten an der Laguna, sondern treffen neben einem deutschen Pärchen samt Führer noch auf einen weiteren Radler, der in Richtung Norden unterwegs ist. Auf dem
Rückweg quälen sich immer mehr Leute den steilen Pfad zur Laguna hinauf. Die meisten offensichtlich nicht akklimatisiere und am Limit ihrer Kräfte. Ich bin froh, dass wir mit den Rädern nur
langsam vorankommen, ansonsten würde ich wahrscheinlich auch schnaufend wie eine Dampflok hier hinauf laufen. Es ist sehr beliebt morgens in Huaraz in den Bus zu steigen und hier herauf zu
fahren. Hoffentlich hat der Guide ausreichend Sauerstoffflaschen dabei. Während Huaraz schon auf 3100 Meter Höhe liegt, liegt die Laguna noch einmal 1500 m höher!
Von der Laguna Llanganuco fahren wir Serpentine für Serpentine bis zum Pass, Portachuelo de Llanganuco, hinauf auf 4715 mh. Die Straße ist übersät mit Schlaglöchern. Ein Argentinier kommt uns mit seinem Rad entgegen. Er ist vollkommen entnervt und nur am Fluchen. Er hat nicht gewusst, dass diese Seite unasphaltiert ist und will so schnell wie möglich wieder auf Asphalt. Wir genießen die nahezu autofreie Kletterpartie in den Sonnenuntergang.
In der Hoffnung auf gutes Wetter am Morgen und eine klare Sicht auf die umliegenden Berggipfel schlagen wir unser Zelt am höchsten Punkt neben der Straße auf. Die richtige Entscheidung, denn
der Morgen beschert uns einen atemberaubenden Blick auf die umliegenden 5000er und 6000er, den 6768 m hohen Huascarán zu unserer Rechten und den 6395 hohen Huandoy zur
Linken. Ich kann verstehen, warum die Gegend bei Peru Urlaubern schon lange kein Geheimtipp mehr ist, da ist es schade, dass das Eintrittsgeld für den Nationalpark offensichtlich nicht für die
Instandhaltung und Schutz des Parks verwendet wird.
Nach einem nassen und matschigen Tag von Yanama nach Chacas, füllen wir in Chacas unsere Essensvorräte auf und futtern Kuchen. Der Anstieg zum zweiten Pass steht an. Die Straße ist asphaltiert und im klasse Zustand, trotzdem kommen wir nur langsam voran. Ich fühle mich miserabel. Ist es die Höhe oder das Essen? Im Schneckentempo schaffen wir es rauf bis zum Tunnel. Die neue Straße geht hier durch einen 1,3 km langen Tunnel, bergauf und ohne Seitenstreifen. „Nein, danke", sagen wir uns nehmen lieber die alte Passstraße, wo wir unser Zelt oberhalb einer Laguna aufbauen. Wieder eine Nacht in den Wolken auf 4700 mh, doch am nächsten Tag bin ich wieder fit. Die alte Passstraße zum Punta Olímpica ist voller Geröll, weshalb ein paarmal schieben angesagt ist, oben auf dem Pass sogar durch etwas Schnee.
Der Ort Huaraz liegt 8 Stunden Bussfahrt von Lima entfernt und ist Ausgangspunkt vieler Reisenden um die Gegend um den Huascaran Nationalpark, sowie Huayhuash zu erkunden. Die Stadt ansich hat nichts touristisch anziehendes zu bieten, es sind die Berge außenherum. Wandern, Mountainbiken oder Klettern, Huaraz gilt als Basislager und Versorgungspunkt für Bergsportbegeisterte und Touren aller Art.
Für uns ist Huaraz ein lang ersehnter Versorgungspunkt an dem wir ein paar Tage Pause machen und unsere Energiereserven auffüllen. Außerdem können wir endlich unsere seit drei Monaten kaputten Schlafmatten austauschen. Diesesmal war es sehr nervenaufreibend Ersatz zugeschickt zu bekommen und wir sind froh nicht mehr auf einer riesigen Blase schlafen zu müssen.
Ab jetzt heißt es früh aufstehen, nicht selten sitzen wir vor 6 Uhr bereits auf den Rädern, denn am Nachmittag regnet es immer häufiger. Hin und wieder schlagen wir bereits um 16 Uhr unser Zelt auf, wenn sich am Nachmittag dunkle Gewitterwolken ankündigen. Manchmal macht es einfach keinen Sinn weiter zu fahren, um dann pitschnass und ausgekühlt zu sein.
Wir verlassen Huaraz in Richtung Süden. Von der asphaltierten Hauptstraße biegen wir auf eine Schotterstraße ab, die hinauf zum Glacier Pastoruri führt. Etliche Minibusse kommen uns entgegen die auf dem Rückweg vom Glacier sind. Hinter dem Parkeingang, der nicht besetzt ist, tauchen die ersten Puya Raimondii am Straßenrand auf. Diese Riesenbromelien, die an einen bis zu 12 m hohen Zahnstocher erinnern wachsen nur auf einer Höhe von 3500 bis 4000 m und blühen nur ein einziges Mal in ihrem Leben. Sie werden bis zu 100 Jahre alt und sterben langsam nach der Blüte. Zuviel Energie verbraucht die Pflanze in dieser rauen Umgebung, um tausende von Blüten wachsen zu lassen. Ein bisschen weiter geht es zum nächsten beliebten Ziel für Tagesausflüge von Huaraz aus.
Die Gegend ist so spannend und detailreich, dass wir gar nicht bis zum Fuß des Glacier fahren. Der Gletscher, der einst ein beliebtes Skigebiet war, ist so stark geschrumpft, dass er in wenigen Jahren wohl ganz verschwunden sein wird. Wir genießen die vielen kleineren Gletscher entlang unserer Straße und haben das Gefühl nichts verpasst zu haben. Den Rest des Tages sehen wir nur ein weiteres Auto, im Vergleich zu den vielen Minibussen die wir bis zum Abzweig zum Gletscher gesehen haben, ein großer Unterschied.
Asphalt und eine lange Abfahrt vorbei an Bergwerken bringen uns nach Huallanca. Von Huallanca aus geht es eine Schotterstraße hinauf bis zu einem Abzweig.
Ein Schild macht uns darauf aufmerksam, dass hier eine Straße gebaut wird. Im Moment ist es noch ein kleiner steiniger Eselpfad. Der Ausbau ist sicherlich gut für die Region, da die Einheimischen sonst riesige Umwege fahren müssen. Wahrscheinlich dient die Straße aber als Zugang für weitere Bergwerke. Die Arbeiten haben erst begonnen und es wird noch einige Monate dauern, bis hier einen neue Schotterstraße entsteht. Wir warten kurz bis die Männer Feierabend machen und wir am Bagger vorbeikönnen. Keiner ist verwundert über uns beiden hier im Matsch stehenden Radler. Ob der Weg denn machbar ist, frage ich. Kein Problem heißt es, aber wir müssen schieben. Eine Frau mit ihren zwei Jungs kommt auf Pferden angeritten. Sie waren in der Stadt wichtige Baumaterialien einkaufen und sind auf dem Rückweg zu ihrer Hütte, an der wir wenig später vorbeikommen und ein paar Worte wechseln.
Auch, wenn es heute mal ausnahmsweise nicht regnet, ist der Untergrund ziemlich rutschig. Ein falscher Schritt und ich sehe, wie Andi vor mir den steilen Abhang mit samt dem Rad hinunterrutscht. Ein Glück ist nichts weiter passiert, außer ein paar schrammen, eine abgerissene Tasche und verbogenen Teilen. Wir belassen es am heutigen Tag dabei und bauen das Zelt auf. Eine Gruppe Arbeiter kommt am späten Abend vorbei, sie haben an der Vermessung und Markierung der zukünftigen Straße gearbeitet.
Die rund 7 km Singeltrack und der feuchte Untergrund machen es schwierig für uns zu fahren und wir müssen die meiste Zeit schieben, außerdem macht Steffis Hinterradnabe Geräusche. Wir entschließen uns die Nabe zu zerlegen und zu überprüfen. Wie sich herausstellt, ist eine der Kugeln des Lagers geplatzt. Ein kleines Technik-Video davon gibt es auf Youtube zu sehen.
Die Cordillera Huayhuash ist wie auch die Cordillera Blanca beliebt bei Wander, Mountainbiker und Kletterer. Nach unserem kleinen Eselpfad Abenteuer folgen wir auf kleinen Schotterstraßen der Ostflanke der Cordillera. Wir hatten noch überlegt eine direktere Route durch die Berge zu nehmen, uns dann aufgrund des unbeständigen Wetters und der Zeit dagegen entschieden. Eins steht fest hierher müssen wir noch einmal zurückkommen, mit einem anderen Rad, weniger Gepäck und außerhalb der Regenzeit.
An der Laguna Patarcocha stoßen wir auf eine Gruppe Schüler und Lehrer der örtlichen Abschlussklasse die sich für ein Klassenfoto hier getroffen haben. Die Lehrer wirken alle etwas steif und verloren in ihren Anzügen. Lustigerweise haben wir einen der Herren gestern geholfen seinen Reifen am Motorroller aufzupumpen, das war 90 km entfernt. Sei stets freundlich, lächle und winke, man sieht sich immer zweimal, lautet mein Motto.
Der letzte Anstieg vor Oyon fürt über Mina Raura, mitten durch das Bergwerk. Es ist wirklich traurig zu sehen, wie diese schöne Gegend umgegraben wird, und alles nur wegen uns. Doch wer will schon heute auf Smartphone und Computer verzichten, der Hunger danach ist groß. Doch für die Peruaner die hier leben und arbeiten bleibt nicht viel übrig.
Das kleine Bergarbeiterdorf Oyon, ist nicht wirklich einladend zum Pause machen, aber wahrscheinlich ist es das letzte Mal, dass wir für die nächsten Wochen Internet haben.
Unsere Gedanken gehen hin und her. Immer wieder wägen wir ab und treffen schlussendlich eine Entscheidung. Peru ist auf unserer Reise das vorerst letzte Land in Südamerika. Wir werden nicht weiter bis nach Tiera del Fuego fahren, wie zu Beginn irgendwann einmal geplant war. Zwar war die Idee nach erreichen Asiens von Alaska nach Patagonien zu radeln, doch beweisen müssen wir keinem etwas. Unser Reisestiel hat sich viel zu sehr verändert. Lieber verbringen wir mehr Zeit in Gegenden die uns gut gefallen, als von unserem Plan weiter gescheucht zu werden, außerdem Patagonien läuft uns nicht weg. Auch wenn wir gerne noch in Bolivien auf den Salzseen unterwegs sein wollten, sowie den Weg rauf zum Uturuncu radeln wollten haben wir uns dagegen entschieden. In der Regenzeit ist das eh nicht möglich. Weihnachten geht es von Lima nach Anchorage. Wir haben das Internet in Oyon genutzt und einen Flug gebucht. Ja, Alaska lässt uns einfach nicht los und dieses Mal haben wir unsere Räder mit dabei :-)
Bis zu unserm Flug bleiben uns noch 1,5 Monate. Wir wollen versuchen, ob wir es bis nach Arequipa schaffen, abseits großer Straßen, was in Peru eine Leichtigkeit ist. Ab Oyon folgen wir der Peru`s Great Divide, eine Bikepacking Route durch die peruanischen Anden. Beim nächsten Mal gibt es mehr von peruanischen Schotterpisten, Bergpässen und vielen Kilometern über 4000 m Höhe, das Ganze während der Regenzeit.
Unterwegs Ende Oktober bis Oyon 42.809 km und 949 Tage
geschrieben von Steffi
Wo geht es hier nach El Silencio? Rechts, links, gerade aus? Wir brauchen eine lange Zeit um mit Peru warm zu werden. Zu viel Verkehr, zu viel Müll, zu viel Menschen. „Gringooo...!‟, ruft es von überall her. Das kann ja heiter werden, wenn das die nächsten Monate so weiter geht. Auf gutes Wetter ist auch kein Verlass mehr, die Regenzeit sitzt uns im Nacken. Langsam bahnen wir uns den Weg durch Dörfer und tiefe Canyons immer auf der Suche nach El Silencio.
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Which way to 'El Silencio'? Right, left, straight? It takes a long time to get comfortable with Peru`s ways. Too much traffic, too much garbage, too many people. "Gringooo ...!", it calls from everywhere. That should be fun, unless it continous for the next few months. The rainy season is behind us, the good weather is no longer reliable. Slowly we make our way through villages and deep canyons in search of 'El Silencio'.
Peru begrüßt uns zwar mit Asphalt, aber das endlos erscheinende Hoch und Runter der Straße bleibt. Zumindest bis wir in einer langen Abfahrt hinunter in die Ebene gelangen. Kaffee ist zum trocknen auf einer der Fahrspuren ausgebreitet. Weiter unten folgen dann Stände mit Kokosnüssen, Ananas, Orangen und vieles mehr. Reisfelder wohin das Auge schaut. Arbeiter stehen knietief im Wasser. Das Setzen der Reispflanzen ist Handarbeit, Maschinen kommen nur äußerst selten zum Einsatz. Es ist so heiß, dass uns der Schweiß von der Stirn tropft. „Lieber schnell wieder zurück in die Berge‟, denken wir uns während wir frischen Ananassaft im Schatten schlürfen.
Nach den ersten Tagen in Peru denke ich mir nur, „nichts wie weg!‟ Nachdem es in Ecuador noch einigermaßen geregelt zugegangen ist, scheint hier das absolute Chaos zu herrschen. Jede Menge Müll am Straßenrand, Roller, Tuk-Tuks und Motorradrikschas, die auf der Straße kreuz und quer fahren und jede Menge Lärm, den wir einfach nicht mehr gewohnt sind. „Möööp, Möööp!‟, ertönen die Hupen zur Begrüßung, zur Warnung oder einfach nur zum ganz normalen Überholen. Einfach überall und bei jeder Gelegenheit. 'Fahr doch einfach!' Warum musst du Vollidiot jetzt direkt neben uns auf die Hupe drücken? „Ahhhh...!‟, das kann ja heiter werden, wenn das die nächsten Monate so weiter geht. Wo geht es hier nach El Silencio? Mit dem vielen Verkehr und Lärm fühlen wir uns unweigerlich zurück nach China versetzt. Einziger Unterschied, Peruaner sind wesentlich freundlicher, als Chinesen und wir können alle Schilder lesen.
„Gringooooo, Gringaaaaa....!!!‟, ruft es von überall her. In Ecuador und Kolumbien haben wir das Wort, dass hier einfach für alle Ausländer verwendet wird, nur sehr selten gehört, hier hören wir es überall wo uns Menschen begegnen. Auch wenn es selten böse oder abwertend gemeint ist, wird es schnell nervig. Meist nehmen wir es als eine Art Frage und Fragen zurück, „Qué pasa Peruano?" - Was gibt's Peruaner? Peruaner sind zudem unheimliche Machos, zumindest hier im Norden wird gepfiffen und geglotzt was das Zeug hält. Andi wird überhaupt nicht beachtet.
Wir wollen so schnell wie möglich weiter Richtung Süden, nächster Stopp Cajamarca. In einer Gegend die uns nicht so gut gefällt brauchen wir uns nicht länger aufzuhalten, zumal uns die Regenzeit im Nacken sitzt. Wir wollen in die Berge, die richtigen Berge nicht die kleinen Hügel hier, die sich lustigerweise immer noch auf Zugspitz - Niveau befinden. Vorbei an kleinen und großen Dörfern. Wir haben uns für die Hauptstraße entschieden, doch obwohl wir die meiste Zeit auf ein und derselben Straße unterwegs sind, ändert sich der Straßenbelag gravierend. Eben waren wir noch auf einer breiten Asphaltstraße unterwegs, hinter dem nächsten Ort gleicht die Straße eher einem Trampelpfad. Für uns als Radler kein Problem, aber als Autofahrer würde ich mich hier nicht auf Straßenbezeichnungen verlassen. Immerhin in Teilen wird mächtig gebaut und Asphalt lässt auch hier nicht lange auf sich warten.
Es stehen Regional- und Kommunalwahlen an. In Peru herrscht Wahlpflicht und wir haben tatsächlich das Gefühl, dass die Menschen aus den abgelegensten Winkeln zu den Wahllokalen strömen, sei es per Pferd, Esel, Motorrad oder mit Bussen, die extra eingesetzt wurden. Es scheint ein sehr wichtiger Tag für die Peruaner zu sein.
„Seit ihr wegen der Wahlen hier?‟, werden wir gefragt.
„Nein eigentlich nicht, aber wer gilt denn als Favorit?‟
Da sind die Partei der gelben Hüte, die Stiere, Katzen, Getreidekörner, Schaufeln, Züge und viel mehr. Wahlwerbung befindet sich überall. Es gibt wohl kaum eine Hauswand, die nicht den Namen eines Kandidaten mit dazugehörigem Partei Symbol ziert, sozusagen Dauerwerbung. Bei den nächsten Wahlen muss nur das Datum und falls notwendig der Name des Kandidaten geändert werden.
Die Gegend um Cajamarca ist eine wichtige Minenprovinz und beherbergt eine der größten Goldminen der Welt. Ein wichtiger Arbeitgeber in der Region, jedoch auch das größte gesundheitliche Risiko, denn nicht umsonst lautet, neben dem Abschaffen von Korruption, eines der Wahlversprechen 'Zugang zu sauberen Trinkwasser'.
Cajamarca gehört zu den größten Städten in Peru. Überall wusselt es und wir sind mitten im Leben. Wir nehmen uns drei Tage Zeit, erkunden die Stadt zu Fuß, wobei es nicht viel zu sehen gibt, außer dem hier ganz alltäglichen Straßenleben, und arbeiten etwas an der Homepage, den Fotos und den Rädern... Das Übliche eben.
Wir verlassen den Trubel der Stadt und folgen erst einmal der Bikepacking.com 'Dirtroad Touring Peru' Route, die von Cajamarca in Richtung Caraz führt. Hier kommen nicht all zu viele Ausländer vorbei und der einzige Grund warum uns eine handvoll Autos begegnen ist, weil Markttag ist. Die Menschen sind auf Kleintransporter und LKWs als Transportmöglichkeit angewiesen, kaum einer kann sich ein eigenes Fahrzeug leisten.
Die Kinder sind neugierig, wenn auch zurückhaltend, vielen sieht man an, dass sie Angst vor uns haben und erst einmal lieber Abstand halten. Es ist nicht das erste Mal, dass Kinder schreiend oder heulend weglaufen, wenn sie uns sehen. Die Mutter des dreijährigen Mädchens nimmt es gelassen und schenkt mir ein Lächeln.
Vor dem Markt in Huamachuco herrscht so viel Tuk-Tuk Verkehr, dass wir kaum über die Straße kommen. In den Orten zählen Tuk-Tuks zu den wichtigsten Fortbewegungsmittel. Vollbeladen mit den Wocheneinkäufen kämpfen sie sich selbst steile Wege hinauf. Bereits 10 km hinter dem Ort biegen wir auf eine klein Dirtstraße ab und der gesamte Verkehr ist verschwunden. Fast hätten wir den Abzweig runter vom Asphalt verpasst. Vielleicht auch, weil wir auf der Suche nach Mittagessen sind. Wir passieren ein paar Dörfer und Häuser. Während eines der mittlerweile üblichen Nachmittagsgewitter erhält Andi eine Nachhilfestunde in Sachen Spanisch Vokabeln von Liss, die sich zusammen mit ihrer Schwester zu uns gesellt hat. Noch ein toller Einsatzzweck für das 'Ohne-Wörter-Buch', ein Bilderbuch zur Verständigung in fremden Ländern, dass in China das letzte Mal zum Einsatz gekommen ist.
Wir lassen die letzten Häuser hinter uns. Es geht wieder Hoch. Trotz Regen und einem Speichenbruch schaffen wir es doch noch zur Laguna Larga auf rund 4200 m Höhe. Es schüttet und ein starker Wind geht. Wir können unsere Finger kaum noch spüren. Inzwischen ist es dunkel geworden und wir versuchen so schnell wie es mit eiskalten Fingern geht das Zelt aufzubauen. Der Wind macht es doppelt schwer. Schnell raus aus den nassen Kleidern und den Kocher anwerfen. 30 Minuten später ist drinnen die Welt wieder in Ordnung, auch wenn draußen immer noch die Welt unterzugehen scheint. Mit den ersten Sonnenstrahlen am nächsten Tag stellen wir fest, wir haben es gefunden. El Silencio.
Peru wäre nicht Peru, wenn da nicht die klassische Straßenführung währe. „Ich kann den Ort schon sehen, da drüben müssen wir hin‟. Was aussieht, wie ein Katzensprung kann schnell einen halben Tag dauern, wenn sich die Straße erst einmal wie ein Wollknäuel mehrere 1000 hm hinunter in den Canyon schlängelt, um auf der anderen Seite genauso wieder hinauf zugehen. Für dieses Szenario ist Peru bekannt. Geliebt für seine sagenhaften Ausblicke und Meisterleistung in Sachen Straßenbau, gehasst für seine sich wie Kaugummi ziehenden Anstiege. Manchmal schauen wir abends auf die Karte und es kommt uns vor, als ob wir uns kaum bewegt haben. Beim Blick auf das GPS, das uns die gekletterten 2500 hm anzeigt, wissen wir jedoch, was wir den ganzen Tag geschafft haben.
Bei der Fahrt runter in den Rio Tablachaca Canyon finden wir uns plötzlich umgeben von Kakteen und trockenen 30 °C wieder. Die Straße ist teilweise asphaltiert, was die Abfahrt zum Genuss macht. Auf dem Anstieg treffen wir eine Gruppe Motorradfahrer, die dabei sind die fünf 'Todesstraßen' in Südamerika zu fahren. Wie wir erfahren, ist dieser Abschnitt einer davon, weniger für uns Radfahrer, jedoch für LKW Fahrer sind die engen Haarnadelkurven eine Herausforderung.
Im kleinen Ort Huandoval kaufen wir noch einmal ein. Für die nächsten paar Tage geht es wieder auf unbefestigte Wege und wir haben keine Ahnung wie schnell wir vorankommen. Wir fühlen uns gut und nehmen den 1100 hm Anstieg am frühen Nachmittag in den Angriff. Das Ziel, die acht Seen der Laguna Pusac Cocha. Bei Mark und Hana von Highlux haben wir Bilder von dieser Gruppe von Seen gesehen, die sehr faszinierend aussahen. Langsam kämpfen wir uns den steillen Weg hinauf. Hin und wieder drehen unsere schmalen Reifen auf dem nassen Geröll durch. Die Wolken sehen wieder nach Regen aus, aber bis auf ein paar Schauer bleibt es trocken, zumindest bis zum Nachmittag. Als wir an den Lagunas ankommen fängt es an zu regnen. Wir finden einen schönen Platz fürs Zelt und verkriechen uns ins Innere. Wennig später klopft ein Kuhhirte für eine kurze Unterhaltung an unser Zelt.
Es hat den ganzen Abend geregnet und die Sonne schaut am nächsten Morgen nur sehr zaghaft durch die Wolken. Um 6 Uhr kommt eine Gruppe Männer mit Eseln vorbei, die Baumaterial an die oberen Lagunas bringen uns aber nicht weiter beachten. Wir genießen den Morgen und den Ausblick, packen zusammen und fahren weiter. An der ersten Laguna ist gerade eine Gruppe Männer mit ihrem Hillux Geländewagen zum arbeiten und fischen angekommen. Auf den Erstenblick sieht die Gegend volkommen verlassen aus und mit so viel Trubel haben wir nicht gerechnet. Trotzdem, gelohnt hat es sich allemal. Die Gemeinde von Huandoval versucht hier oben eine Fischzucht zu betreiben und die Männer arbeiten hart daran es auf die Beine zu stellen. Wir sollen bloß all unseren Freunden von diesem wundervollen Platz erzählen, auf den sie so stolz sind.
Von September bis Mai herrscht Regenzeit in dieser Gegend von Peru. An die täglichen Nachmittagsgewitter haben wir uns mittlerweile gewöhnt, so sehr man sich daran gewöhnen kann. Auf über 4000 mh kommt statt Regen dann schon mal Hagel oder Schnee runter oder irgendwas dazwischen.
Wir sind gerade wieder trocken und sitzen in einem kleinen Restaurant in Corongo, das eher einem Wohnzimmer gleicht. Im Fernseher läuft eine liebes Telenovela, alle starren gespannt auf den Bildschirm. Eigentlich wollen wir noch weiterfahren, doch es schüttet und schüttet und will einfach nicht mehr aufhören. Auf den Straßen sammelt sich das Wasser. Frustriert machen wir uns auf die Suche nach einem Hotel, doch viele haben geschlossen, beziehungsweise es findet sich keiner der uns aufmacht. Wir werden von A nach B nach C geschickt, bis uns endlich ein Hotelbesitzer auf der Straße aufsammelt und wir unsere nassen Sachen trocknen können. Eine weise Entscheidung, denn der Regen hört erst in der Nacht auf.
Am nächsten Tag herrscht strahlender Sonnenschein. Wir wollen gerade losfahren, Andi springt noch schnell bei der Bäckerei rein. ‘Peng...!’, eine Hinterradspeiche ist gebrochen ohne, dass das Rad überhaupt bewegt wurde. Außerdem ist der Freilauf der Nabe jetzt endgültig im Eimer und muss ausgewechselt werden. Dann halt eben auf dem Hauptplatz in Corongo wo wir uns befinden. Eine Ersatznabe haben wir ja schon dabei. Also heißt es Laufrad auspeichen und wieder einspeichen. Andi hat ja damit inzwischen Erfahrung. Für einen Freitagmorgen ist viel los in dem kleinen Dorf, ein Blasorchester um 10 Uhr darf da natürlich nicht fehlen. „Was zum Teufel machen bloß die zwei komischen 'Gringos' da?"
Nach der morgendlichen Reparaturstunde kommen wir erst spät auf die Räder. Die Gipfel der Cordillera Blanca und Cordillera Negra verbergen sich mittlerweile wieder hinter dichten Wolken. In einer laaangen Abfahrt geht es den Rest des Tages runter in den Canyon. Es wird wärmer und wärmer.
Entlang des Rio Santa beginnen wir langsam wieder bergauf zu klettern, durch den Cañon del Pato - die Entenschlucht. Wieder eine der 'gefährlichsten Straßen der Welt', die aber mittlerweile asphaltiert ist. Viel Platz bietet die einspurige Straße mit ihren 35 ebenfalls einspurigen, unbeleuchteten Tunneln nicht, weshalb wir stets nach Bussen ausschauhalten müssen, die gerade so durch die Tunnel passen.
Bei Caraz tauchen wir ein in die Berge der Cordillera Blanca. Es geht hinein in den Huascarán Nationalpark, aber dazu mehr beim nächsten Mal.
Unterwegs bis Caraz 42.242 km und 932 Tage
geschrieben von Steffi