Der Mord an Holger und Krzysztof hat uns in ein Wechselbad der Gefühle geworfen. Viele Dinge die wir in der Zeit über Mexiko erfahren haben erscheinen uns so kontrovers, dass sie für uns nur schwer verständlich sind. Wir haben Mexiko von seiner düsteren, sowie von seiner vielfältig-schönen Seite kennengelernt. Die Menschen, die Mexikaner machen hierbei den Unterschied...
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The murder of Holger and Krzysztof has thrown us into a emotional roller coaster. Many of the things that we have learned about Mexico over time seem so controversial that they are difficult to understand for us. We got to know Mexico from its sad, as well as from its diverse-beautiful side. The people, the Mexicans make the difference ...
Leere, gähnende Leere…keiner sagt ein Wort. Unsere Blicke sind leer und unsere Gedanken weit weg. Wir versuchen uns abzulenken, Popo verschwindet wie schon den Tag zuvor in den Wolken. Und wir machen uns an die Abfahrt. Zurück in Richtung Zivilisation erreichen uns mit dem ersten Handysignal schlechte Nachrichten. Nachrichten die wir nicht wollen, dass sie sich in unseren Köpfen ausbreiten. Wir sind den Tränen nahe. Es grenzt an Ironie, dass genau in dem Moment ein deutscher Anwalt der in Mexiko lebt und arbeitet neben uns stoppt und fragt ob alles in Ordnung ist.
Wie in trance pedalieren wir bis nach Cholula. Im Stadtzentrum treten verschiedene Blasorchester aus verschiedenen Teilen des Landes gegeneinander an. Wir setzen uns in den Stadtpark, beobachten die freudig lächelnden Menschen um uns herum. Eine Coverband spielt alte Metall-Rock Balladen von Metallica, Guns and Roses …. Es ist der 5. Mai und die Feierlichkeiten des Cinco de Mayo, dem Tag der Schlacht von Puebla, sind im vollen Gange. In Puebla soll eine große Parade zum Gedenken der Niederschlagung französischer Truppen durch die mexikanische Armee 1862 stattfinden. Ohne uns. Wir halten es nicht aus, brauchen eine Pause vom radeln. Müssen unsere Gedanken sortieren und entscheiden wie es weiter gehen soll.
Irgendwie haben wir bis zum Schluss gehofft, dass es sich alles nur um einen schlechten Traum handelt. Doch was tun wo wir realisieren, dass es kein schlechter Scherz ist sondern Wirklichkeit. Holger und Krzysztof sind beide Tod. Wir wollen runter von der Straße rauß aus dem Radelalltag, bis wir unsere Gedanken sortiert haben. Wie gut, dass wir mit Ariel und Melisa verabredet sind. Die beiden tun alles dafür, damit wir uns wie Zuhause fühlen und überlassen uns sogar ihr Schlafzimmer. Wir suchen Halt in Gesprächen, wollen verstehen, was passiert ist.
Auch wenn wir uns zu dem Zeitpunkt in Mexiko aufhalten, Mexiko ist riesig und Puebla über 650km von San Cristóbal entfernt. Nein, es ist kein Unfall gewesen wie die Behörden die Welt zuerst glauben lassen wollen. Dafür ist die Beweise zu eindeutig. Wir kenne zwar die Gegend und die Strecke nicht, aber wie sollen zwei erfahrene Radler an derselben Stelle in eine Schlucht stürzen und dabei umkommen. Daran glaubt kein Mexikaner und auch Holgers Bruder nicht, der extra nach Mexiko gekommen ist um Licht ins Dunkel zu bringen. Seit dem wir Holgers Bruder über das Verschwinden von Holger informiert haben stehen wir in Kontakt. Erst durch seine Anwesenheit hier in Mexiko platzt die Bombe und die erste deutsche Zeitung lenkt ein und berichtet über den Mord an Holger und Krzysztof.
Wollten die Behörden absichtlich die Morde vertuschen? Was ist das für ein Land in dem Menschen umgebracht werden und die Behörden versuchen es zu vertuschen? Wie kann das sein. Alles nur wegen dem Tourismus, der in San Cristóbal und Umgebung eine wichtige Einnahmequelle ist. In Mexiko läuft definitive etwas schief. Nein, nicht mit den Menschen an sich, sondern mit dem staatlichen System. Wie kann es sein, dass nur aufgrund des massiven Druck von außen Ermittlungen angestellt werden. Alles nur, weil es zwei ausländische Radler sind? Wären es zwei mexikanische Radler gewesen, wären die Aufschreie im Keim erstickt. Etwas naive hoffe ich, dass dieser Vorfall auch etwas positives für das mexikanische Volk hat, doch in Mexiko herrscht nahezu Straflosigkeit. Straftaten werden nur äußerst selten aufgeklärt und die Täter zur Rechenschaft gezogen. “Wir verschanzen uns hinter Gitterstäben und Stacheldraht während Verbrecher draußen frei herum laufen können“ Aussagen wie diese hören wir häufiger. Die Polizeipräsens in Mexikosstraßen ist unheimlich hoch. Bis auf Xingchiang in China habe ich in keinem Land so viel Polizei und Kontrollen gesehen wie hier in Mexiko. Doch schlechte Bezahlung, Misswirtschaft und Vetternwirtschaft sind ein Nährboden für Korruption. Wir sehen mit eigenen Augen wie auf der Straße Pesos um Pesos den Besitzer wechselt, sei es Busfahrer oder Standbetreiber. Die Polizei genießt schon lange nicht mehr das Vertrauen der Bevölkerung und gilt als äußerst korrupt. Straßensperren durchziehen das Land, bei denen Anwohner für dubiose Straßenausbesserungen von den Fahrern Geld verlangen. Auch wir passieren drei solcher Sperren, jedesmal mit etwas Glück ohne etwas Zahlen zu müssen. Eine davon passieren wir direkt hinter einem Polizeifahrzeug. Es ist gängige Praxis und keiner scheint sich daran zu stören.
Im Jahre 2017 wurden über 29.000 Menschen in Mexico ermordet oder entführt und für 2018 sieht es nicht besser aus. Zahlen die für uns unglaublich sind, sind wir doch im sicheren Deutschland aufgewachsen. Die Zahl ist aufgrund von Bandenkriegen und Kämpfen der Drogenkartelle so hoch. Die Bevölkerung ist trotzdem vorsichtig. Bei Dunkelheit draußen auf der Straße sein ist vielerorts ein Tabuthema, selbst mit Auto. Wir fühlen uns in Mexiko nicht unsicherer als irgendwo anders auf der Welt. Auf der Straße fühlen wir uns sogar sicherer, als zuletzt in den USA. Die Autofahrer halten ausreichend Abstand, auch wenn die Überholmanöver riskant sind, jedoch hauptsächlich für den Gegenverkehr.
Wie kann es sein, dass uns trotz alledem Mexiko gefällt. Für jemanden Außenstehenden, der selbst keinerlei Bezug zu Mexiko besitzt und nur die schlechten News kennt, mag das unverständlich klingen. Doch die Menschen hier, die Mexikaner, machen den Unterschied. Weit zurück in den USA, bevor wir überhaupt einen Fuß nach Mexiko gesetzt haben hatten wir bereits tolle Begegnungen mit Mexikanern. Hier in Mexiko hat sich das nicht geändert. Tolle Menschen, schöne Städte und ganz unterschiedliche Landschaften. Der Vorfall ist ein absoluter Einzelfall, eine Zusammenkettung ungünstiger Ereignisse die wohl nie geklärt werden. Trotz dessen was passiert ist, ist und bleibt der größte Risikofaktor, den wir Radler ausgesetzt sind, der Verkehr.
Bei Ariel und Melissa erfahren wir viel über Mexiko und deren Umgang mit dem Tod. In unserer Kultur ist der Tod eher etwas was passiert, aber keiner darüber spricht. Ein absolutes Tabuthema. In der mexikanischen Kultur hingegen ist der Tod nichts wovor man Angst haben muss. Wir alle sterben früher oder später, die meisten davon zuhause im Bett und nicht selten allein. Doch der Tod ist kein Ende sondern der Anfang des Seins. Auch wenn der Film Coco, den wir zusammen mit den beiden schauen, ein Kinderfilm ist zeigt er doch schön den Umgang der Mexikaner mit Leben und Tod an Hand des Tag der Toten, dem Día de los Muertos. Schade, dass wir zum wichtigsten Fest in Mexiko nicht im Land waren. Wir wollen keine Angst vor den Menschen haben, keine Angst davor den Fuß vor die Haustür zu setzen nur weil etwas schreckliches passieren könnte. Menschen besuchen weiterhin Weihnachtsmärkte, steigen weiterhin ins Flugzeug, besuchen Musikclubs oder fahren Fahrrad in Mexiko. All das ist gut so.
Für uns steht fest, wir müssen zurück auf die Straße. Zurück auf Mexikos Straßen. Es gibt keinen Grund nicht weiter zu fahren. Es ist falsch hier aufzuhören und Aufzugeben. Das wäre auch nicht in Holgers Sinne. Er war jemand der die Welt entdecken wollte. Überall wo er hingekommen ist hat er dabei tiefe Eindrücke bei den Menschen hinterlassen. Erst kürzlich bekamen wir die Nachricht von zwei Radlern aus Thailand, dass sie einen thailändischen Freund von Holger getroffen haben. Solche Zufälle sind absolut kein Einzelfall!
Leider ist dies nicht für alle unserer Familien verständlich. Ein Teil würde uns lieber heute, als morgen im Flieger zurück nach Deutschland sehen. Die Tage enden mit Rechtfertigungen, Vorschriften und Zurechtweisungen. Doch nach all den Gesprächen die wir in den letzten Tagen geführt haben müssen wir zurück auf die Straße um die Vorfälle zu verarbeiten. Jetzt heim zu fliegen würde genau das bedeuten, was wir nicht haben wollen, nämlich Angst.
Die ersten Kilometer fühlen sich komisch an, aber dennoch sagt unser Bauchgefühl, dass wir die Richtige Entscheidung getroffen haben. In Oaxaca kommen wir ein paar Tage bei Alex unter. Bei Pulque und Bier treffen wir auch wieder auf Sandra und Anna, zwei Radlerinnen die wir schon in Puebla getroffen haben. Das Radeln hat gut getan und nach ein paar Tagen in der historischen Altstadt und Monte Albán beschließen wir weiter auf den Rädern in Richtung Guatemala zu fahren.
Präsidentschaftswahlen stehen für Juli in Mexiko an und wir wissen nicht wie sich die Lage bis dahin entwickelt. Ein Grund dafür, dass wir uns für eine der kürzesten Routen entscheiden um zur guatemalischen Grenze zu gelangen.
Es geht noch einmal in die Berge, die Serpentinen hinauf zu den Kalkterrassen von Hierve el Agua. Die Region von Oaxaca ist bekannt für ihren Mezcal und an der Hauptstaße entlang reit sich eine Fabrik an die Andere. Der Agavenschnaps ist nicht ganz unser Geschmack, ein kaltes Bier ist uns da schon lieber. Vor allem bei der Sonne. Abends vor dem Zelt sitzen und ein kühles Bier trinken während die Sonne untergeht.
Wir sind ein paar Minuten zu spät für den Sonnenuntergang an den Kalkterrassen, dafür springen wir schon vor Sonnenaufgang und noch bevor die ersten Menschen auftauchen ins Wasser.
Wir klettern weiter über die kleine Hauptstraße hinauf bis nach Murillo. Nebel drängt vom Tal hinauf und zieht über die Berge. Die Berghänge sind steil und dicht bewachsen. Die Anfangs gut asphaltierte Straße wir zunehmend kleiner und unasphaltiert. Der Nachmittag und Abend bringt Regen mit sich, der den Lehmboden aufweicht und schlammig werden lässt. Doch die Straße ist die einzige Verbindungsmöglichkeit zwischen den Dörfern. Kleine Dörfer in denen wir das nötigste kaufen können. Die Menschen sind sehr zurückhaltend, aber wie so häufig ein Lächeln bricht schnell das Eis. Kinder stellen mit erschrecken fest, „ihr habt ja gar keine Bremsen“ bis Andi erklärt, dass die Scheiben an den Rädern unsere Bremsen sind. Ältere Frauen stellen neugierig fragen. Nicht jeder der indigenen Bevölkerung sprichst oder versteht hier spanisch für uns auch ein Vorteil, so sind die Menschen gewöhnt daran in der Kommunikation kreativ zu sein.
Vom Nebelwald geht es hinunter in dichten grünen Regenwald. Das Klima wechselt mehrfach, Schweiß quillt aus all unseren Poren und brennt in den Augen. Wir haben schon lange nicht mehr so geschwitzt wie die Tage.
Die Pflanzen und Tierwelt ändert sich schlagartig, hin zu exotischen Faltern, Schlangen Die Menschen werden wieder offener und keine Spur mehr von der anfänglichen Zurückhaltung. Menschen arbeiten auf den Feldern, es ist viel los. Wir fragen meist an den Schulen wegen einer Zeltmöglichkeit. Selbst hier in den kleinen Dörfern haben die Menschen von dem schlimmen Vorfall mit den zwei ausländischen Radlern gehört. Dickes beschämen liegt in ihren Gesichtern und sie äußern ihre Bedauern, dass dies in ihrem Land passiert ist. Wir wissen, dass zumindest Holger auch hier durch diese Dörfer gekommen ist und wahrscheinlich wie wir in einem davon übernachtet hat. Die letzten Tage war landschaftlich noch einmal ein ganz anderes Mexiko, das uns näher an die Menschen gebracht hat.
Es geht wieder raus aus den Bergen hinunter in Richtung Küste. Die Region um La Ventosa ist berüchtigt für seine starken Winde. Wir versuchen dem Wind etwas zu entkommen, in dem wir uns auf kleinen Wegen aufhalten. Überall entstehen neue Windparks und wir müssen unsere Route ein paar mal ändern. Es ist überall unheimlich trocken, zu trocken um ohne Bewässerung etwas an zu bauen. Pferde, Esel und Ochsenkarren sind auf der Straße unterwegs. Müllberge türmen sich am Straßenrand.
Ein starkes Erdbeben in 2017 hat die Gegend um Union Hidalgo gezeichnet. Überall liegen Schuttberge, eingestürzte oder beschädigte Häuser. Nur wer es sich leisten kann, kann sein Haus wieder aufbauen. Ein Problem in einer Gegend in der es nicht viel gibt und die Menschen sehr arm sind. Wir machen eine Schleife zum Meer hinunter. Wegen dem Meer hat sich der Abstecher nicht gelohnt. Der Strand in dem kleinen Ort ist so dreckig, dass wir noch nicht einmal hier zu Mittag essen möchte bei dem Gestank. Dafür sind die Kinder die gerade von der Schule kommen umso interessierter, als sie hören, dass wir nicht aus den USA kommen.
Die letzten Tage verbringen wir mit drei ganz unterschiedlichen Warmshowers. Werden mal wieder in eine Englischklasse eingeladen, bei der auch unser Spanisch getestet wird. Welches immer noch stark ausbaufähig ist.
Kurz vor der Grenze ist er dann fällig, der erste Hotelbesuch seit Malaysia. Dank der vielen unglaublichen Menschen die wir in Nordamerika kennengelernt haben, mussten wir von Alaska bis hier her kein einziges mal in Hotels übernachten. Kein Wunder, das Mexiko das günstigste Land unsere Reise ist, obwohl wir uns viel in Städten aufgehalten haben. Wir dachten schon die USA waren günstig.
Die Grenze kommt näher, wir sind fast schon etwas wehmütig, dass wir Mexiko jetzt verlassen. Es hätte noch so viel zu entdecken gegeben. Mexiko ist voll kulturellem Hintergrund und unterschiedlichen Landschaften. Das was passiert ist, ist nicht das Mexiko, dass wir erlebt haben, voller freundlicher, herzlicher Menschen, Gastfreundschaft und Rücksichtnahme, ein Land mit zwei Gesichtern. Doch solange die Nachfrage an Drogen in den USA nicht gestillt ist wird das mexikanische Volk nicht zur Ruhe kommen.
Unterwegs bis Guatemala 37.780 km und 788 Tage
geschrieben von Steffi
Mexikos Festland bringt uns in die Berge der Sierra Madre. Wir klettern viel und hüpfen von einem Touristenort zum nächsten. Viele Menschen und viel Verkehr machen es uns nicht einfach. Zwischen Hauptstraße und Off-Road versuchen wir dennoch einen Weg für uns zu finden. So schnell wie möglich in Richtung Süden. Mit den Vulkanen Nevado de Toluca und Popocatépetl drehen wir dann doch noch ein paar Schleifen und klettern auf über 4000 Meter Höhe. Weg von der Hitze des Flachlandes rein in die Berge.
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Mexicos main land lead us into the mountains of the Sierra Madre. We climbed a lot, hopping from one Touristic place to another. We try to find our way between Highways and Off-Road. We are heading as fast as possible south. But the possibility of climbing over 4000 m altitude let us made a loop over the volcanos Nevado de Toluca and Popocatépetl . Away from the heat of the low lands up into the mountains.
Wir verlassen Alaska schweren Herzens wieder. Es geht zurück ins warme Mexiko, zurück auf die Räder. Trockene Hitze anstatt Schnee. Räder anstatt Hunde. Wir lassen es langsam angehen. Das heißt wir machen erst einmal Pause, Akklimatisieren uns und gewöhnen uns an Menschenmassen. Die Nächte in La Paz sind kühler, als erwartet doch tagsüber mit Sonne und ohne Wind ist es kaum auszuhalten. Wir gehen meist am späten Nachmittag erst in die Stadt und beobachten das bunte Treiben in den Abendstunden auf der Strandpromenade. Die Zeit in Alaska verging wie im Fluge. Schwupp die Wupp sind wir wieder in La Paz, ohne Plan wie es weiter gehen soll. Sollen wir die Fähre aufs Festland nehmen oder versuchen ein kleines Boot zu finden, das uns und unsere Räder mit nimmt. Ich hadere mit der Entscheidung, zu gerne würde ich das kleine Boot nehmen, jedoch weis ich ganz genau wie schnell mir schlecht wird. Mehrere Tage Seekrank auf offener See, klingt in diesem Fall nicht sehr verlockend. Wir entscheiden uns schweren Herzens für die Fähre.
Die ersten Kilometer wieder auf den Rädern fühlen sich fremd an. „Waren die Räder schon immer so unbequem gewesen?“ Wie haben wir es nur bis hierher und über die Baja Divide geschafft, wenn wir bei den Hügeln schon so ins Schwitzen kommen? Am Fährhafen erklärt uns ein freundlicher Arbeiter, dass heute keine Fähre fährt, sondern morgen. „ Warum dass den?“ Normalerweise fährt sie doch heute. Nach einigen Minuten hin und her, dämmert es mir, dass der Arbeiter für die andere Fährgesellschaft arbeitet. Nein, wir möchten aber heute fahren, mit der Fähre die heute fährt. Er sieht es ein, dass wir morgen nicht wieder kommen werden und weißt uns den Weg zum Tickethäuschen. Die Tickets sind schnell gekauft und wir dürfen direkt an Bord gehen. Über Nacht fahren wir die 15 Stunden aufs Festland. Ich bin froh, dass wir uns für die Fähre entschieden haben, das Meer ist äußerst unruhig und sogar das große Schiff schaukelt ganz schön. Ich will gar nicht daran denken wie es auf einem kleineren Boot gewesen wäre.
Sommer, Sonne, Beachfeeling - Wollen Sunglasses kaufen, beautiful Sunglasses my friend? An den Stränden von Matzatlan herrscht reger Betrieb. Doch nicht nur an den Stränden. Auch vor den Kirchen verkaufen Händler Kreuze und Marienstaturen. Mexikaner sind ein äußerst gläubiges Volk und nicht nur während der Osterwochen sind die Kirchen gut gefüllt.
Kaum zurück im heißen Mexiko habe ich mir eine Erkältung eingefangen. Ich sag es ja, zu viel Hitze ist nicht gut für den Körper. Ich hoffe ja noch, dass es nur etwas kleines ist und schnell wieder weg ist, aber werde leider enttäuscht. Ausgerechnet jetzt wo wir von Matzatlan auf Meereshöhe zurück in die Berge wollen. Schon wieder Pause? Wir haben doch erst eine Woche in La Paz verbracht. Weiter geht's, auch wenn wir nur ein paar Stunden am Morgen oder Nachmittag fahren. Den Rest des Tages schlafe ich oder versuche es zumindest. Kein einfaches unterfangen. Motorräder brettern im Minutentakt über die Straße. Hunderte sind auf der Strecke unterwegs. Überwiegen hochpreisige BMWs oder Harleys. Wie sich später herausstellt, ist am Wochenende eine Motorradschau in Mazatlan, und halb Mexiko scheint dahin unterwegs zu sein. Da ist es nicht sonderlich schlimm, dass wir soviel Pause machen.
Die Strecke ist genial, abgesehen von den Motorrädern sind kaum Fahrzeuge unterwegs, was auch daran liegt, dass es parallel zur alten Straße eine Schnellstraße gibt. Angenehme Steigung, kurven reich und ein Wahnsinns Ausblick über die Gipfel der Sierra Madre.
Die Straße Nr. 40 ist auch bekannt als Route 666 „El espinazo del diablo –Das Rückgrat des Teufels“. Bevor die neue Schnellstraße gebaut wurde gab es auf dieser Strecke viele Unfälle. Hunderte Kreuze am Straßenrand mahnen zur Vorsicht. Mit dem Bau der neuen Schnellstraße hat der Verkehr jedoch stark abgenommen. Somit eine perfekte Radroute.
“Ich glaube wir brauchen so langsam neue Schlafsäcke, meiner hat ordentlich an Wärmeleistung verloren“, meine ich am nächsten Morgen zu Andi. Doch ein Blick aufs Thermometer offenbart -9ºC. Nach Tagen des Schwitzens, haben wir nicht damit gerechnet, dass es nachts so kalt werden kann und die Schlafsäcke nicht von Anfang an ganz zu gemacht.
In Durango pickt uns Warmshowershost Daniel auf der Straße auf und zeigt uns die Stadt und seine Lieblingsplätze. Joe ist auch bei Ihm untergebracht ein Bikepacker der in Alaska aufgewachsen ist. Zufall? Die Tage Pause tun gut und ich bin meine Erkältung fast los. Daniel Begleitet uns noch aus der Stadt. Ein bisschen Training wie er sagt.
Hinter Durango geht es mit der Wüste weiter. Wieder stachliges Terrain wie schon auf der Baja, kleine Dörfer und Viehwirtschaft. Sowie ziemlich unerwartet zwei warme Pools am Wegrand. Leider ist das Areal um die Pools ziemlich vermüllt aber nach 10 Minuten sauber machen sieht es schon ganz ansehnlich aus. Ein perfekter Ort für ein Nachtlager. Weiter geht es auf einer recht guten Piste gespickt mit knackigen Anstiegen bis wir wieder auf Asphalt treffen.
Die Fahrt nach Zacatecas ist der absolute Horror. Zuvor hatte der Highway bereits abschnittsweise keinen Seitenstreifen und plötzlich auftauchende Radverbots Schilder. In die Stadt reinzus herrscht dann viel Verkehr der schnell unterwegs ist, zudem überhaupt keinen Seitenstreifen mehr. Ich bin heil froh, als wir es in die Altstadt geschafft haben.
Die Stadt und ihre kleinen Gassen sind wirklich schön und sehenswerte, doch mir graust es davor wieder raus zu fahren. Ich habe genug von mexikanischen Highways, doch die Landschaft lohnt nicht wirklich ausschließlich auf kleinen Straßen rum zu tingeln. Es ist einfach zu staubig und trocken zudem wenig abwechslungsreich. Wir wollen so schnell es geht weiter Richtung Süden.
Es ist schon spät als wir in León ankommen zu spät um weiter zu fahren. Eine riesige Stadt, wiedermal nicht besonders radfreundlich. Wir stoppen bei der Feuerwehr direkt im Zentrum und verbringen die Nacht in deren Schulungsraum. In Mexiko und vielen südamerikanischen Ländern ist das gängige Praxis von Radlern, bei der Feuerwehr nach einer Übernachtung zu fragen, in den meisten Fällen auch überhaupt kein Problem, solange Platz vorhanden ist. Die Arbeit bei der Feuerwehr ist ein reiner Männer Beruf, es gibt nur zwei Frauen in Mexiko die diesen Beruf ausüben, eine davon in León.
Beim rausfahren aus der Stadt werden wir von Sebastian und Monika aufgegabelt und zu sich nach Hause eingeladen. Sebastian ist deutscher, doch schon lange in der Welt und Mexiko zuhause. Die deutsche Pünktlichkeit hat er trotzdem nicht abgelegt. Hier in Mexiko gehen aber die Uhren alle etwas langsamer. Selbst bei Hochzeiten kann es vorkommen, dass das Brautpaar in einer leeren Kirche vor dem Traualtar tritt, wenn den Gästen nicht gesagt wird eine Stunde früher da zu sein als die eigentliche Zeremonie startet. Nach einem typisch deutschen Frühstück nehmen wir den langen Anstieg zum Cerro Cubilete in Angriff. Von weiten ist die Christusstatur bereits sichtbar, der Anzahl an Bussen und Menschen zu urteilen ein beliebter Pilgerort.
Von hier ist es nicht mehr weit zu den bunten Häusern von Guanajuato, für das die Stadt bei nationalen wie internationalen Touristen beliebt ist. Sooo unheimlich viele Menschen. Wir streifen durch die kleinen Gassen und unterirdischen Tunnel der Stadt, die den Verkehr aus der Altstadt fernhalten. Keine Leichtigkeit mit den Rädern durch dieses Labyrinth zu navigieren, zweimal falsch abgebogen und schon befinden wir uns in einem engen langen Tunnel steil den Berg hinauf. Am Abend erwachen die Straßen zum Leben, Leute sitzen zusammen in den Parks und unterhalten sich, Straßenmusiker geben ihr Bestes und Essensverkäufer warten an jeder Straßenecke.
In Richtung San Miguel de Allende fahren wir eine nicht mehr ganz so offizielle Route über ein Bergbau Gebiet. Die Straße wurde verlegt und ist nicht mehr durchgängig. Die Arbeiter lassen uns zwar passieren, allerdings müssen wir uns etwas durch die Büsche schlagen um wieder auf den eigentlichen Weg zu kommen. Nach all den Städten und vielen Menschen genießen wir die Ruhe hier draußen. San Miguel de Allende ist wie schon Zacatecas und Guanajuato zuvor ein kleines herausgeputztes Vorzeige Städtchen mit bunten, lebendigen Gassen. Das Straßenleben ist in den Städten ist zwar immer sehr schön zu beobachten, doch nur allein durch die Städte ergibt sich ein vollkommen verzehrtes Bild von einem Land.
So modern wie Mexiko in den Städten auch erscheint, so rückschrittlich sind die Arbeitsmethoden auf dem Lande. Häufig werden Felder noch mit Pferdepflug bestellt und die Ernte mit Eseln eingeholt. Andererseits bekommen die Schüler auf dem Land wegen der weiten Entfernungen zur Stadt Unterricht via Internet bei dem der Lehrer irgendwo in einer großen Stadt den Unterricht macht und ein Lehrer vor Ort ist der als Ansprechpartner bei Fragen dient.
Auch Oldtimer wie der VW Käfer oder Bulli sind in den Straßen keine Seltenheit. In Mexiko produziert, jedoch häufig mit deutscher Flagge versehen. Immer hin rollte der letzte Käfer erst 2010 in Mexiko vom Band.
Hinter Michoacán kommen wir durch das Biosphärenreservat Mariposa, indem im Winter ein einzigartiges Schauspiel stattfindet, wenn Milliarden Monarchfalter ihr Winterquartier in den Baumwipfeln beziehen. Leider ist es bereits April und wir damit mindestens einen Monat zu spät für dieses Ereignis. Im Winter muss es hier vor Touristen nur so wimmeln, jetzt im Frühjahr läuft alles wieder seinen geregelten Ablauf und die Bauern sind auf den Feldern um Obst und Gemüse anzubauen.
Auf dem Weg in Richtung "Nevado de Toluca" kommen wir an einer weiteren Touristenhochburg dem "Valle de Bravo" vorbei. Einen Blick auf den See zu bekommen ist nicht so einfach, da alles zu gebaut ist. Das Wasser sieht äußerst dreckig aus und Andis erstes Kommentar lautet, „da ist der Rhein ja sauberer“. Vielleicht sieht es ja nur so aus, denn heute war offensichtlich Triathlon Festival am See. Überall sind Rennräder mit Startnummern und dazugehörige abgekämpfte Starter im Einteiler unterwegs. Hätten wir das gewusst, vielleicht wären wir doch noch ins Wasser gesprungen. Neben der Olympischen Distanz (1,5 km Schwimmen, 40km Radfahren, 10km Laufen) gab es auch einige andere Strecken mit insgesamt rund 2000 Starter.
Der Ort an sich ist voll mit Souvenirständen, Restaurants, Bars, Bekleidungsgeschäften und Reiseunternehmen. Essen und Wasser auffüllen und nichts wie weg hier.
Ab jetzt geht es rauf. Wir wollen hoch hinaus, genauer zum Nevado de Toluca. Bei anderen Reisenden haben wir Bilder von diesem Berg gesehen und seitdem stand fest, dass wir hier vorbei wollen. Der Weg dorthin ist allerdings kein Zuckerschlecken. Zuerst müssen wir einige Höhenmeter überwinden um auf über 4200m Höhe zu kommen. Die letzten Meter bei Hagel und Regen.
Es ist schon Nachmittag, als wir oben an der Rangerstation ankommen. Halt! Der Weg zum Kratersee ist schon geschlossen, wir sollen morgen wieder kommen, dann können wir die Räder hier am Parkplatz abschließen und zum Kratersee laufen. Räder sind nur auf freigegebenen Wegen erlaubt. Auf die Frage, welches den freigegebene Wege sind und ob sie uns diese auf einer Karte zeigen können, heißt es nur, dass ab hier keine Räder erlaubt sind und eine Karte haben sie nicht. Wir sind etwas ratlos, immerhin sind wir mühsam hier hinauf gestrampelt und wollen nicht die gleiche Strecke runterfahren, sondern auf der anderen Seite des Berges. Wir zeigen den Rangern unsere geplante Route. Ja, der Weg ist Ok, hierüber dürfen wir zum Kratersee. Ahha…also sind doch nicht Räder überall verboten. Wir denken uns unseren Teil und machen uns auf den Weg zum See. Offiziell ist Zelten am See wohl nicht erlaubt, doch davon haben die Ranger nichts gesagt. Als wir endlich dort ankommen ist es eh schon zu spät für eine Abfahrt.
Belohnt werden wir für die Mühen mit einer fantastischen Landschaft und einem unglaublichen Sternenhimmel. Am nächsten Morgen verstecken wir unsere Räder hinter einem großen Stein und machen uns auf noch etwas höher zu klettern, schlussendlich auf über 4500m. Es ist ein tolles Gefühl hier oben zu stehen und ringsum tiefere Gipfel und weit in der Ferne Häuser zu erahnen. Ein paar Minuten zu spät machen wir uns an die Abfahrt hinunter ins Tal. Es Hagelt wieder wie verrückt und wird schlagartig kalt. Dick eingepackt rollen wir über ein schönes Gemisch an Single Tracks und Forstwegen. Ein Schild weist auf eine Downhill Strecke hin, das ist dann doch etwas zu viel für unsere Räder und wir folgen lieber dem Single Trail. Unser Bremsbelagverschleiß ist auch so schon hoch genug.
Von einem Berg hüpfen wir zu den nächsten, Popocatépetl und Iztaccihuatl steht auf dem Plan. Hinter San Pedro geht es durch Wald vorbei an einigen wenigen offenen Essensständen hinauf zum Passo de Cortés. Zwei Kilometer vor dem Pass zieht schlechtes Wetter auf, wir flüchten gerade noch rechtzeitig unter eine Hütte bevor riesige Hagelkörner und Schneeregen herunter prasseln. Hatten wir das nicht vor ein paar Tagen schon einmal? Wir warten und warten in der Hoffnung, dass es bald wieder aufhört. Ein Kleinbus kommt vor lauter Eis den Berg nicht hoch und möchte umdrehen. Also Regenkleidung anziehen und helfen das Eis von der Fahrbahn zu kratzen. Weiter oben liegt ein Auto auf dem Kopf, ja es ist super rutschig vor allem mit Sommerreifen. Die beiden Vulkane Popocatépetl und Iztaccihuatl sind in dicke Wolken gehüllt. Kaum oben angekommen machen wir uns an die Abfahrt und halten nach einer geeigneten Campstelle Ausschau. Neben einem kleinen Forstweg werden wir fündig. Am nächsten Morgen hat das Wetter dann doch noch Erbarmen und El Popo stößt ein kleines Rauchwölkchen aus.
Seit wir Valle de Bravo verlassen haben ist es nicht nur die schöne Landschaft die in unseren Gedanken umherschwirren. Holger, der Radkollege den wir auf der Baja kennengelernt haben, ist verschwunden. Wir haben uns selbst schon gewundert, dass er sich nicht mehr gemeldet hat. Damit sind wir nicht die Einzigen. Im Netz hat eine Mexikanerin, mit der Holger verabredet war, bereits einen Suchaufruf gestartet. Dank sozialer Netzwerke können wir den Bruder von Holger ausfindig machen und den Kontakt zu ihm nach Deutschland aufbauen...das Schicksal nimmt seinen Lauf, doch dazu mehr im nächsten Blog.
Unterwegs bis Popocatépetl 36.506 km und 763 Tage
geschrieben von Steffi
Sieben Monate waren wir jetzt in Nordamerika. Auch wenn Mexiko geografisch gesehen dazu gehört, finden wir uns doch in einer anderen Welt wieder. Das nicht nur, weil plötzlich Spanisch gesprochen wird. Mit viel zu viel Gepäck nehmen wir die Herausforderung an die Baja Divide, off-road von Tecate nach La Paz zu fahren. Dies machte uns zu Experten in Sachen schieben und sich gegenseitig motivieren. Vom staubigen Norden packten wir es zum pazifischen Ozean, waren mit Fischern draußen zum Fischen, wurden von allen möglichen Kaktusarten gepikst und verbrachten Weihnachten am Strand, typisch deutsch mit Lebkuchen, Glühwein, Stollen und selbstgemachten Plätzchen.
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We spent seven month in North America. Even when Mexico is geographically part of it we were faced with a completely different world. That isn’t only because the language changed. With way to much stuff, we faced the challenge of riding the Baja Divide, off-road from Tecate to La Paz. This made us too experts in hike a bike and motivating each other. From the dusty north we made it to the Pacific Ocean, went out fishing with fisherman, got pricked by different variety of cacti and spent Christmas on the beach typical German like with gingerbread, glühwein, stollen and selfmade cookies.
Immer wieder hat es geheißen, Mexiko ist viel zu gefährlich. An der Grenze kommen wir mit einem US-amerikanischen Grenzbeamten ins Gespräch, dieser ist völlig begeistert von Mexiko und den Mexikanern und prophezeit uns eine schöne Zeit. Das ist doch mal ein guter Einstieg. Wenigstens einer der wirklich schon einmal in Mexiko war und uns nicht davon abrät die Grenze zu überqueren.
Die Beamten auf mexikanischer Seite sind freundlich und hilfsbereit, selbst mit unseren homöopathischen Spanischkenntnissen. Die Menschen lächeln uns zu. Das erste was auffällt, ist das die Straßen viel lebendiger sind. Menschen sitzen draußen, Kinder spielen im Park und Hunde streunen durch die Straßen. Wie immer in einem neuen Land stehen als erstes ein paar Erledigungen an. Geld wechseln, Simkarte kaufen, Einkaufen, Wasserflaschen auffüllen.... es ist ziemlich spät als wir Tecate verlassen und bereits dunkel, als wir von der Hauptstraße auf den kleinen Seitenweg Weg abbiegen, wo wir nach einigen Kilometern Fahrt in Dunkelheit einen Platz fürs Zelt finden. Erster Tag in Mexiko und wir haben unsere Prinzipien nicht bei Dunkelheit zu fahren bereits über den Haufen geworfen. Ab jetzt versuchen wir vorsichtiger zu sein.
Wir sind auf der Baja Divide unterwegs, eine Mountainbike Strecke die sich einmal über die niederkalifornische Halbinsel schlängelt und 2015/16 von Nicholas Carman und Lael Wilcox ins Leben gerufen wurde. Da die Strecke fast überwiegend Off - Road geht, werden 3“ breite Tubeless Reifen mit Pannenmilch empfohlen. Uns ist bewusst, dass unsere Räder so überhaupt nicht den Empfehlungen entsprechen. Trotzdem wollen wir es probieren wenigstens ein paar Teile der Strecke zu fahren. In Tecate haben wir deshalb noch schnell Pannenmilch besorgt und wenigstens unsere Vorderradreifen zu einem mit etwas mehr Profil getauscht. Von 3“ Reifen sind wir trotzdem weit entfernt. Zudem sind wir bepackt wie zwei Esel mit all dem Wasser und zwei zusätzlichen Mondial Reifen im Gepäck.
Wir kämpfen die ersten Tage gegen den extremem Gegenwind. Sand wirbelt uns ins Gesicht, immer wieder werden wir von den Rädern herunter geweht. Unser Mittagessen gibt es nur mit Sandbeilage. Die meisten Häuser und Farmen sind verlassen. Die wenigen Leute die wir treffen sind freundlich. Ein Autofahrer bietet uns an uns mit zu nehmen. Zwei Tage soll der Wind noch so bleiben. Wir lehnen dankend ab.
Der Norden ist äußerst beliebt bei Motorcrossfahrern und da Wochenende ist scheinen einige einen Kurztrip von den USA über die Grenze zu machen. Die Baja California ist ein beliebter Ort für Off-Road Motorrad oder Autofahrer, und das zuhause einiger Rennen, das bekannteste davon ist die Baja 1000. Ein Autorennen, dessen Wegweiser wir in den nächsten Wochen immer wieder kreuzen. Häufig hinterlassen die Rennen jedoch zerstörte oder zumindest beschädigte Straßen, was es vor allem für die Einheimischen nicht immer einfach macht.
Unser erstes Ziel ist die Küste. Ein paar steinige und steile Abfahrten sind dabei. Machbar wenn auch langsam. Nach fünf Tage erreichen wir das erste Mal, seitdem wir Anchorage verlassen haben, den pazifischen Ozean. Die Szenerie ist beeindruckend. Wir können uns kaum aufs fahren konzentrieren und halten ständig an.
Wir folgen der Küste in einem endlos erscheinenden auf und ab. Nein, selbst die Küstenwege auf der Baja sind alles andere als flach.
Wir finden einen schönen Zeltplatz direkt an der Küste. Wellen schlagen in die Brandung und wir sehen Delphine. Stellen zum zelten auf der Baja gibt jede Menge.
Die Vegetation an der Küste ist einzigartig und bei genauen hinsehen entdeckt man neben den blühenden Agaven noch viel weitere kleine Pflanzen die das Küstenklima mögen.
In Colonet treffen wir Jesus, ein einheimischer Mountainbiker, der uns mit der Routenplanung weiterhilft. Die eigentliche Route der Baja Divide macht einen Schlenker in die Berge um dann wieder zurück an die Küste zu kommen. Etwas was für uns absolut keinen Sinn macht, wir müssen nicht jeden Schwachsinn mitmachen. Jesus versteht den Sinn der Route auch nicht und empfiehlt uns lieber an der Küste entlang zu fahren, was wir dann auch machen.
Die MEX 1 bildet die Hauptverkehrsader der Halbinsel und abgesehen zu Off-Road strecken die einzige Verbindung zwischen dem Norden und Süden. Die Städte entlang der MEX 1 sind laute, dreckige, stinkende Löcher. Der Verkehr rollt mitten durch den Ortskern. Um nach Vicente Guerrero zu kommen müssen wir ein Stück über den Highway fahren. Es herrscht unheimlich viel Verkehr und keinerlei Seitenstreifen auf der eh schon viel zu engen Straße. Der Asphalt ist übersät mit Löchern und erinnert eher an ein Spinnennetz. Trotzdem wird viel zu schnell gefahren und überholt. Ich bin froh als wir nach 15 km wieder runter sind. Keine MEX 1 mehr bitte, zumindest nicht hier in der Region.
Die Gegend ist geprägt von Agrarkultur. Überall reihen sich weiße Gewächshäuser aneinander. Tomaten und Himbeeren entdecken wir für den Export. Wo kommt nur all das Wasser her, welches für die intensive Bewässerung benötigt wird? Abgewirtschaftete Felder hinterlassen tote Erde in der eh schon sehr trockenen Region.
Die eigentliche Herausforderung der Baja Divide ist der Wassertransport. Essen für 3-4 Tage einzupacken sind wir mittlerweile gewohnt, doch warum muss Wasser nur so schwer sein? Vor allem im Norden wo die Gegend extrem staubig und trocken ist und nur wenige Orte entlang der Strecke liegen heißt es für uns aufladen was geht und gut kalkulieren.
Die Auswahl an Lebensmitteln in den Dörfern variiert stark. Tortillas, Nudeln, Salsa, Kekse und selbstverständlich Cola finden wir in jedem noch so kleinen Dorfladen. Da wir nicht viel durch Städte kommen gibt es nur wenige Essensstände.
Hinter San Quintin wird es noch mal richtig sandig. Wir schieben diesmal lange. Über glitzernde Salzwiesen geht es dann doch wieder mit fahren und wir kommen dem Meer ganz nah. Am Strand entscheiden wir uns dann doch lieber für die Straße, kein durchkommen durch den weichen Sand.
Über eine Dirt Road geht es zurück in die Berge. Immer wieder müssen wir schieben, da es entweder zu steil, zu steinig, zu sandig oder alles drei zusammen ist. Wir klettern von einem Tal ins nächste. Die Landschaft wandelt sich. Mehr und mehr Kakteenarten tauchen am Wegesrand auf. Jetzt heißt es besonders vorsichtig sein, denn es wird stachelig. Ab jetzt ist nicht mehr die Strecke der Bremser, sondern wir selbst, weil wir ein Foto nach dem anderen machen.
Der mittlere Teil der Baja California ist für seine Bunte Kakteenvielfalt bekannt. Kakteen in unterschiedlichen Größen, Formen und Variationen. Besonders beeindruckend ist der riesen Cardòn Kaktus der bis zu 20m groß werden kann und schon eher an einen Baum erinnert, da sieht selbst Andi klein dagegen aus. Zelten zwischen all diesen Kakteen hat schon fast etwas magische, vor allen mit einem kleinen Lagerfeuer. Wir müssen nur höllig aufpassen nicht einen Stachel nach dem anderen mit den Reifen einzusammeln.
Durch das "Valle de los Cirios" zu radeln ist beeindruckend. Umgeben von hunderten Cirio oder Boojum Bäumen wie sie auch genannt werden. Keiner sieht aus wie der andere. Manche sind kunstvoll gebogen, andere wie ein Kronleuchter verzweigt. In Sachen Vielfalt hat die Baja California viel mehr zu bieten als nur puren Wüstensand.
Regen auf der Baja kann schnell in einem Desaster enden, wenn der Untergrund sich in eine klebrige Masse verwandelt. Wir geben Vollgas als die ersten Tropfen fallen. Da haben wir nochmal Glück gehabt. Am Abend als wir stoppen um das Zeltaufzubauen hat uns das Wetter wieder eingeholt. Trotz Regen ist der Untergrund am nächsten Tag noch gut fahrbar und wir beschließen weiter auf der Strecke zu bleiben. Eine Fehlentscheidung! Die Strecke ist sehr steinig und erinnert an ein ausgetrocknetes Flussbett, was für uns heiß schieben, schieben und nochmal schieben. Ein Gewitter braut sich in der Ferne zusammen und wir beschließen bei erster Gelegenheit runter auf die MEX1 zu fahren. Hier herrscht im Gegensatz zu unserem letzte MEX1 Erlebnis sehr wenig Verkehr.
Nach einem Abstecher nach Cartaviña sind wir wieder zurück auf der Strecke. Unsere Taschen sind voll mit Essen und Wasser für 3-4 Tage, denn es folgt die längste Sektion der Baja Divide ohne Einkaufsmöglichkeiten. Der Weg, gespickt mit steilen Anstiegen und Waschbrettpassagen, bringt uns wieder zurück an den Pazifik. Vor ein paar Tagen muss es hier heftig geregnet haben es sind immer noch ein paar matschige Passagen vorhanden. Da haben wir noch mal Glück gehabt.
Kurz vor Sonnenuntergang kommen wir in San Jose del Faro an, einem winzigen Fischerdorf. Wir werden von einer bunten Truppe Fischer willkommen geheißen und zu Quesadillias und Garnelensalat eingeladen. Übernachten können wir in der Scheune nebenan. Am nächsten Morgen gibt’s ersteinmal Kaffee, Tortillas und Bratkartoffeln. Dann werden Langusten abgekocht. Camillo der zu Besuch ist spricht Englisch, was die Kommunikation deutlich vereinfacht. Unser Spanisch ist eine absolute Katastrophe. Die Fischer wollen heute noch zum Fischen raus fahren. Andi nutzt die Gelegenheit und fragt ob er mitfahren kann. Klar! So kommt es, das wir einen Tag unter Fischern verbringen. Gelassene Kerle, die das Leben genießen und stolz auf ihre Arbeit draußen auf dem Meer sind. Am Abend gibt es auf jeden Fall jede Menge Fisch zum braten.
Wir müssen uns ein wenig sputen. Für Weihnachten sind wir mit andern Reisenden in La Gringa verabredet, das auf der Golfseite der Halbinsel liegt. Kein leichtes unterfangen zumal wir mit ordentlich Gegenwind zu kämpfen haben, als wir die Pazifikküste wieder verlassen. Ob wohl es zur Misión Boja nur leicht bergauf geht, fühlt es sich mit dem Wind wie bei einer Bergetappe an. Die Misións Kirche wird leider nur noch einmal im Jahr zur Pilgerfahrt aktiv genutzt. Außer eine handvoll Farmen gibt es hier draußen nichts.
Bahía de los Ángeles ist ein keiner Touristenort und äußerst beliebt bei kanadischen und US-amerikanischen Rentnern und Aussteigern. Es ist schon dunkel, als wir am 23.12 an der deutschen Wagenburg am Strand von La Gringa eintreffen um gemeinsam Weihnachten zu feiern. Da sind Irmgard und Klaus, die wir bereits beim Yellowstone Nationalpark getroffen haben, Ralf und Ute mit ihrem Albatros Unimog, mit denen wir in bereits in Kanada um die Wette gefahren sind, Petra und Stephan die mit ihrem Unimog Felix in Nordamerika unterwegs sind, sowie Laura und Heiri aus der Schweiz die mit ihrem grünen Sprinter schon in vielen Ländern unterwegs waren. Am Strand bei Sonnenschein verbringen wir entspannt Weihnachtsfeiertage zusammen. Letztes Weihnachten waren wir in China auf über 4000mh, irgendwo im nirgendwo mit einem zusammengewürfelten Weihnachtsessen. Dieses Jahr fühlt es sich schon fast heimisch an, als wir drei Tage mit Glühwein, Lebkuchen, Spekulatius, Christstollen und selbst gebackenen Plätzchen verwöhnt werden. Danke Aldi USA!
Am 26.12 kommt dann noch Holger hinzu, der mit seinem Rad wie wir in Richtung Süden unterwegs ist und selbst schon einige Jahre im Sattel sitzt. Wir beschließen gemeinsam weiter zu fahren. Weit kommen wir jedoch nicht. Beim Einkaufen werden wir von Chris und seiner Familie zum Muschel sammeln eingeladen. Warum nicht? So sehen wir sogar Delphine, die neben unserem Boot her schwimmen. Vollkommen ungeplant und wunderschön. Am Abend bereiten wir die gesammelten Muscheln auf dem Grill zu, super lecker! Die zweite Hälfte der Baja Divide kann kommen.
Unterwegs bis Bahìa de los Àngeles 33.534 km und 635 Tage
geschrieben von Steffi