
Wo geht es hier nach El Silencio? Rechts, links, gerade aus? Wir brauchen eine lange Zeit um mit Peru warm zu werden. Zu viel Verkehr, zu viel Müll, zu viel Menschen. „Gringooo...!‟, ruft es von überall her. Das kann ja heiter werden, wenn das die nächsten Monate so weiter geht. Auf gutes Wetter ist auch kein Verlass mehr, die Regenzeit sitzt uns im Nacken. Langsam bahnen wir uns den Weg durch Dörfer und tiefe Canyons immer auf der Suche nach El Silencio.
..........................................
Which way to 'El Silencio'? Right, left, straight? It takes a long time to get comfortable with Peru`s ways. Too much traffic, too much garbage, too many people. "Gringooo ...!", it calls from everywhere. That should be fun, unless it continous for the next few months. The rainy season is behind us, the good weather is no longer reliable. Slowly we make our way through villages and deep canyons in search of 'El Silencio'.
Peru begrüßt uns zwar mit Asphalt, aber das endlos erscheinende Hoch und Runter der Straße bleibt. Zumindest bis wir in einer langen Abfahrt hinunter in die Ebene gelangen. Kaffee ist zum trocknen auf einer der Fahrspuren ausgebreitet. Weiter unten folgen dann Stände mit Kokosnüssen, Ananas, Orangen und vieles mehr. Reisfelder wohin das Auge schaut. Arbeiter stehen knietief im Wasser. Das Setzen der Reispflanzen ist Handarbeit, Maschinen kommen nur äußerst selten zum Einsatz. Es ist so heiß, dass uns der Schweiß von der Stirn tropft. „Lieber schnell wieder zurück in die Berge‟, denken wir uns während wir frischen Ananassaft im Schatten schlürfen.
Nach den ersten Tagen in Peru denke ich mir nur, „nichts wie weg!‟ Nachdem es in Ecuador noch einigermaßen geregelt zugegangen ist, scheint hier das absolute Chaos zu herrschen. Jede Menge Müll am Straßenrand, Roller, Tuk-Tuks und Motorradrikschas, die auf der Straße kreuz und quer fahren und jede Menge Lärm, den wir einfach nicht mehr gewohnt sind. „Möööp, Möööp!‟, ertönen die Hupen zur Begrüßung, zur Warnung oder einfach nur zum ganz normalen Überholen. Einfach überall und bei jeder Gelegenheit. 'Fahr doch einfach!' Warum musst du Vollidiot jetzt direkt neben uns auf die Hupe drücken? „Ahhhh...!‟, das kann ja heiter werden, wenn das die nächsten Monate so weiter geht. Wo geht es hier nach El Silencio? Mit dem vielen Verkehr und Lärm fühlen wir uns unweigerlich zurück nach China versetzt. Einziger Unterschied, Peruaner sind wesentlich freundlicher, als Chinesen und wir können alle Schilder lesen.
„Gringooooo, Gringaaaaa....!!!‟, ruft es von überall her. In Ecuador und Kolumbien haben wir das Wort, dass hier einfach für alle Ausländer verwendet wird, nur sehr selten gehört, hier hören wir es überall wo uns Menschen begegnen. Auch wenn es selten böse oder abwertend gemeint ist, wird es schnell nervig. Meist nehmen wir es als eine Art Frage und Fragen zurück, „Qué pasa Peruano?" - Was gibt's Peruaner? Peruaner sind zudem unheimliche Machos, zumindest hier im Norden wird gepfiffen und geglotzt was das Zeug hält. Andi wird überhaupt nicht beachtet.
Wir wollen so schnell wie möglich weiter Richtung Süden, nächster Stopp Cajamarca. In einer Gegend die uns nicht so gut gefällt brauchen wir uns nicht länger aufzuhalten, zumal uns die Regenzeit im Nacken sitzt. Wir wollen in die Berge, die richtigen Berge nicht die kleinen Hügel hier, die sich lustigerweise immer noch auf Zugspitz - Niveau befinden. Vorbei an kleinen und großen Dörfern. Wir haben uns für die Hauptstraße entschieden, doch obwohl wir die meiste Zeit auf ein und derselben Straße unterwegs sind, ändert sich der Straßenbelag gravierend. Eben waren wir noch auf einer breiten Asphaltstraße unterwegs, hinter dem nächsten Ort gleicht die Straße eher einem Trampelpfad. Für uns als Radler kein Problem, aber als Autofahrer würde ich mich hier nicht auf Straßenbezeichnungen verlassen. Immerhin in Teilen wird mächtig gebaut und Asphalt lässt auch hier nicht lange auf sich warten.
Es stehen Regional- und Kommunalwahlen an. In Peru herrscht Wahlpflicht und wir haben tatsächlich das Gefühl, dass die Menschen aus den abgelegensten Winkeln zu den Wahllokalen strömen, sei es per Pferd, Esel, Motorrad oder mit Bussen, die extra eingesetzt wurden. Es scheint ein sehr wichtiger Tag für die Peruaner zu sein.
„Seit ihr wegen der Wahlen hier?‟, werden wir gefragt.
„Nein eigentlich nicht, aber wer gilt denn als Favorit?‟
Da sind die Partei der gelben Hüte, die Stiere, Katzen, Getreidekörner, Schaufeln, Züge und viel mehr. Wahlwerbung befindet sich überall. Es gibt wohl kaum eine Hauswand, die nicht den Namen eines Kandidaten mit dazugehörigem Partei Symbol ziert, sozusagen Dauerwerbung. Bei den nächsten Wahlen muss nur das Datum und falls notwendig der Name des Kandidaten geändert werden.
Die Gegend um Cajamarca ist eine wichtige Minenprovinz und beherbergt eine der größten Goldminen der Welt. Ein wichtiger Arbeitgeber in der Region, jedoch auch das größte gesundheitliche Risiko, denn nicht umsonst lautet, neben dem Abschaffen von Korruption, eines der Wahlversprechen 'Zugang zu sauberen Trinkwasser'.
Cajamarca gehört zu den größten Städten in Peru. Überall wusselt es und wir sind mitten im Leben. Wir nehmen uns drei Tage Zeit, erkunden die Stadt zu Fuß, wobei es nicht viel zu sehen gibt, außer dem hier ganz alltäglichen Straßenleben, und arbeiten etwas an der Homepage, den Fotos und den Rädern... Das Übliche eben.
Wir verlassen den Trubel der Stadt und folgen erst einmal der Bikepacking.com 'Dirtroad Touring Peru' Route, die von Cajamarca in Richtung Caraz führt. Hier kommen nicht all zu viele Ausländer vorbei und der einzige Grund warum uns eine handvoll Autos begegnen ist, weil Markttag ist. Die Menschen sind auf Kleintransporter und LKWs als Transportmöglichkeit angewiesen, kaum einer kann sich ein eigenes Fahrzeug leisten.
Die Kinder sind neugierig, wenn auch zurückhaltend, vielen sieht man an, dass sie Angst vor uns haben und erst einmal lieber Abstand halten. Es ist nicht das erste Mal, dass Kinder schreiend oder heulend weglaufen, wenn sie uns sehen. Die Mutter des dreijährigen Mädchens nimmt es gelassen und schenkt mir ein Lächeln.
Vor dem Markt in Huamachuco herrscht so viel Tuk-Tuk Verkehr, dass wir kaum über die Straße kommen. In den Orten zählen Tuk-Tuks zu den wichtigsten Fortbewegungsmittel. Vollbeladen mit den Wocheneinkäufen kämpfen sie sich selbst steile Wege hinauf. Bereits 10 km hinter dem Ort biegen wir auf eine klein Dirtstraße ab und der gesamte Verkehr ist verschwunden. Fast hätten wir den Abzweig runter vom Asphalt verpasst. Vielleicht auch, weil wir auf der Suche nach Mittagessen sind. Wir passieren ein paar Dörfer und Häuser. Während eines der mittlerweile üblichen Nachmittagsgewitter erhält Andi eine Nachhilfestunde in Sachen Spanisch Vokabeln von Liss, die sich zusammen mit ihrer Schwester zu uns gesellt hat. Noch ein toller Einsatzzweck für das 'Ohne-Wörter-Buch', ein Bilderbuch zur Verständigung in fremden Ländern, dass in China das letzte Mal zum Einsatz gekommen ist.

Wir lassen die letzten Häuser hinter uns. Es geht wieder Hoch. Trotz Regen und einem Speichenbruch schaffen wir es doch noch zur Laguna Larga auf rund 4200 m Höhe. Es schüttet und ein starker Wind geht. Wir können unsere Finger kaum noch spüren. Inzwischen ist es dunkel geworden und wir versuchen so schnell wie es mit eiskalten Fingern geht das Zelt aufzubauen. Der Wind macht es doppelt schwer. Schnell raus aus den nassen Kleidern und den Kocher anwerfen. 30 Minuten später ist drinnen die Welt wieder in Ordnung, auch wenn draußen immer noch die Welt unterzugehen scheint. Mit den ersten Sonnenstrahlen am nächsten Tag stellen wir fest, wir haben es gefunden. El Silencio.
Peru wäre nicht Peru, wenn da nicht die klassische Straßenführung währe. „Ich kann den Ort schon sehen, da drüben müssen wir hin‟. Was aussieht, wie ein Katzensprung kann schnell einen halben Tag dauern, wenn sich die Straße erst einmal wie ein Wollknäuel mehrere 1000 hm hinunter in den Canyon schlängelt, um auf der anderen Seite genauso wieder hinauf zugehen. Für dieses Szenario ist Peru bekannt. Geliebt für seine sagenhaften Ausblicke und Meisterleistung in Sachen Straßenbau, gehasst für seine sich wie Kaugummi ziehenden Anstiege. Manchmal schauen wir abends auf die Karte und es kommt uns vor, als ob wir uns kaum bewegt haben. Beim Blick auf das GPS, das uns die gekletterten 2500 hm anzeigt, wissen wir jedoch, was wir den ganzen Tag geschafft haben.
Bei der Fahrt runter in den Rio Tablachaca Canyon finden wir uns plötzlich umgeben von Kakteen und trockenen 30 °C wieder. Die Straße ist teilweise asphaltiert, was die Abfahrt zum Genuss macht. Auf dem Anstieg treffen wir eine Gruppe Motorradfahrer, die dabei sind die fünf 'Todesstraßen' in Südamerika zu fahren. Wie wir erfahren, ist dieser Abschnitt einer davon, weniger für uns Radfahrer, jedoch für LKW Fahrer sind die engen Haarnadelkurven eine Herausforderung.
Im kleinen Ort Huandoval kaufen wir noch einmal ein. Für die nächsten paar Tage geht es wieder auf unbefestigte Wege und wir haben keine Ahnung wie schnell wir vorankommen. Wir fühlen uns gut und nehmen den 1100 hm Anstieg am frühen Nachmittag in den Angriff. Das Ziel, die acht Seen der Laguna Pusac Cocha. Bei Mark und Hana von Highlux haben wir Bilder von dieser Gruppe von Seen gesehen, die sehr faszinierend aussahen. Langsam kämpfen wir uns den steillen Weg hinauf. Hin und wieder drehen unsere schmalen Reifen auf dem nassen Geröll durch. Die Wolken sehen wieder nach Regen aus, aber bis auf ein paar Schauer bleibt es trocken, zumindest bis zum Nachmittag. Als wir an den Lagunas ankommen fängt es an zu regnen. Wir finden einen schönen Platz fürs Zelt und verkriechen uns ins Innere. Wennig später klopft ein Kuhhirte für eine kurze Unterhaltung an unser Zelt.
Es hat den ganzen Abend geregnet und die Sonne schaut am nächsten Morgen nur sehr zaghaft durch die Wolken. Um 6 Uhr kommt eine Gruppe Männer mit Eseln vorbei, die Baumaterial an die oberen Lagunas bringen uns aber nicht weiter beachten. Wir genießen den Morgen und den Ausblick, packen zusammen und fahren weiter. An der ersten Laguna ist gerade eine Gruppe Männer mit ihrem Hillux Geländewagen zum arbeiten und fischen angekommen. Auf den Erstenblick sieht die Gegend volkommen verlassen aus und mit so viel Trubel haben wir nicht gerechnet. Trotzdem, gelohnt hat es sich allemal. Die Gemeinde von Huandoval versucht hier oben eine Fischzucht zu betreiben und die Männer arbeiten hart daran es auf die Beine zu stellen. Wir sollen bloß all unseren Freunden von diesem wundervollen Platz erzählen, auf den sie so stolz sind.
Von September bis Mai herrscht Regenzeit in dieser Gegend von Peru. An die täglichen Nachmittagsgewitter haben wir uns mittlerweile gewöhnt, so sehr man sich daran gewöhnen kann. Auf über 4000 mh kommt statt Regen dann schon mal Hagel oder Schnee runter oder irgendwas dazwischen.
Wir sind gerade wieder trocken und sitzen in einem kleinen Restaurant in Corongo, das eher einem Wohnzimmer gleicht. Im Fernseher läuft eine liebes Telenovela, alle starren gespannt auf den Bildschirm. Eigentlich wollen wir noch weiterfahren, doch es schüttet und schüttet und will einfach nicht mehr aufhören. Auf den Straßen sammelt sich das Wasser. Frustriert machen wir uns auf die Suche nach einem Hotel, doch viele haben geschlossen, beziehungsweise es findet sich keiner der uns aufmacht. Wir werden von A nach B nach C geschickt, bis uns endlich ein Hotelbesitzer auf der Straße aufsammelt und wir unsere nassen Sachen trocknen können. Eine weise Entscheidung, denn der Regen hört erst in der Nacht auf.
Am nächsten Tag herrscht strahlender Sonnenschein. Wir wollen gerade losfahren, Andi springt noch schnell bei der Bäckerei rein. ‘Peng...!’, eine Hinterradspeiche ist gebrochen ohne, dass das Rad überhaupt bewegt wurde. Außerdem ist der Freilauf der Nabe jetzt endgültig im Eimer und muss ausgewechselt werden. Dann halt eben auf dem Hauptplatz in Corongo wo wir uns befinden. Eine Ersatznabe haben wir ja schon dabei. Also heißt es Laufrad auspeichen und wieder einspeichen. Andi hat ja damit inzwischen Erfahrung. Für einen Freitagmorgen ist viel los in dem kleinen Dorf, ein Blasorchester um 10 Uhr darf da natürlich nicht fehlen. „Was zum Teufel machen bloß die zwei komischen 'Gringos' da?"
Nach der morgendlichen Reparaturstunde kommen wir erst spät auf die Räder. Die Gipfel der Cordillera Blanca und Cordillera Negra verbergen sich mittlerweile wieder hinter dichten Wolken. In einer laaangen Abfahrt geht es den Rest des Tages runter in den Canyon. Es wird wärmer und wärmer.
Entlang des Rio Santa beginnen wir langsam wieder bergauf zu klettern, durch den Cañon del Pato - die Entenschlucht. Wieder eine der 'gefährlichsten Straßen der Welt', die aber mittlerweile asphaltiert ist. Viel Platz bietet die einspurige Straße mit ihren 35 ebenfalls einspurigen, unbeleuchteten Tunneln nicht, weshalb wir stets nach Bussen ausschauhalten müssen, die gerade so durch die Tunnel passen.
Bei Caraz tauchen wir ein in die Berge der Cordillera Blanca. Es geht hinein in den Huascarán Nationalpark, aber dazu mehr beim nächsten Mal.
Unterwegs bis Caraz 42.242 km und 932 Tage
geschrieben von Steffi
Kommentar schreiben
Martin E. (Freitag, 22 Februar 2019 01:24)
Wieder ein schöner Reisebericht.
Respekt bei diesem Auf und ab was ihr da an Höhenmetern zurücklegt.
Werner Pfenning (Freitag, 22 Februar 2019 12:57)
Phantastische Bilder mit tollen Farben. Einfach Klasse!
Beste Grüße
Werner
Anita und Bruno J (Freitag, 22 Februar 2019 20:08)
Wir haben uns schon seit einiger Zeit Gedanken über Euren Verbleib und die Gesundheit gemacht. Zu lange nichts gehört; schön, dass es Euch gut geht und Ihr Eure Tour fortsetzen könnt. Hautnaher Bericht über die ups and downs des Radfahrerlebens, und natürlich wieder gute Bilder. Viele Grüße und Kette rechts.
Anita und Bruno
Steffi & Andi Ride-Worldwide (Montag, 25 Februar 2019 08:14)
Vielen Dank für die netten Komentare, wir freuen uns immer sehr zu hören das es euch gefällt. Besonders klasse finden wir das ihr 4 uns schon so lange auf unserer Reise begleitet. Danke! So macht das schreiben doppelt spaß :-)
Anton (Freitag, 15 März 2019 14:20)
Hallo ihr beiden, wunderbarer Bericht. Schöne Bilder.
Würde ger ein paar Kilometer mitradeln.
Alles Gute
Rolf aus worms (Mittwoch, 01 Mai 2019 21:23)
ja endlich mal wieder ein Lebenszeichen!.....hatte mir schon echt Sorgen gemacht.
Toll, dass Ihr das so locker immer noch schafft-und Ihr seid sicher, dass Ihr im Sommer zurück kommt?
Weiterhin ganz viel Glück und stabile Radnaben! :-)