
Nur ein paar Tage Zeit blieben uns für den Norden von Ecuador bis nach Quito. Denn Steffis Schwester hat vor einem Monat ihren Besuch angekündigt. Der zweite Familienbesuch auf der Reise. Über Teilstrecken der Trans Ecuador Mountainbike Route schafften wir es in die Casa de Ciclista nach Tumbaco. Für einem Monat standen dort die Räder still, mit Bus und zu Fuß gingen wir gemeinsam auf Entdeckungstour. Märkte, Städte, Lagunas und die nasse Landschaft des Páramos auf der Ruta del Condor. Eine schöne Zeit, doch das Rad bleibt unser bevorzugtes Fortbewegungsmittel.
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We had only a few days left for the north of Ecuador to reach Quito. The second family visit on this trip is on. A month ago Steffi's sister decided to come to visit us. Over sections of the Trans Ecuador mountain bike route we made it to the Casa de Ciclista in Tumbaco. For a month our wheels stood still and we went out to discover the region by bus and foot. Along markets, cities, lagunas and the wet landscape of the Páramo on the Ruta del Condor. It was a nice time, but the bike remains our preferred mean of transportation.
Wir sind nicht die einzigen, die die Grenze von Kolumbien nach Ecuador überqueren wollen. Mehrere hunderte venezolanische Flüchtlinge warten in einer gigantischen Schlange auf ihren Ausreisestempel. Wow… ich bin platt von dem Anblick. Ich kann mich nicht daran erinnern, solche Flüchtlingsströme bei unsere Fahrt über den Balkan zurück in 2016 erlebt zu haben.
Während wir den Ausreisestempel in wenigen Minuten im Pass haben warten die meisten Venezolaner den ganzen Tag wenn nicht länger darauf.

Auf der ecuadorianischen Seite sieht es fast noch schlimmer aus, denn die Schlange geht in einem weiten Bogen um das Gebäude herum. Mehrere tausend Flüchtlinge sollen hier täglich die Grenze überqueren. Doch zuerst warten die meisten hier mehrere Tage auf ihren Einreisestempel. Wir haben Glück und sind in zwei Stunden durch. Die Frau am Schalter stellt mir keine einzige Frage, ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob sie mich überhaupt einmal angeschaut hat. Selbst, dass Andi, der draußen bei den Rädern wartet nicht persönlich hier ist, sondern ich seinen Pass vorzeige scheint sie nicht zu interessieren.
Wir drücken unsere letzten kolumbianischen Pesos einer jungen Frau in die Hand die ihr neugeborenes auf dem Schoß liegen hat. Wir können die Dankbarkeit in ihrem strahlenden Gesicht sehen. Die wenige Zeit die wir mit diesen Menschen hier an der Grenze verbracht haben haben wir festgestellt, dass Venezolaner ein unheimlich Lebensfrohes Volk sind und das trotz all der schwierigen Umstände. Die Menschen wollen ihre Heimat nicht verlassen, doch eine andere Wahl bleibt ihnen nicht. Es wird uns wieder einmal bewusst wie gut es uns als Europäer doch geht.
Kurz hinter dem Grenzort Tulcan biegen wir auf eine kleine Dirtroad ab. Wir sind auf der Trans Ecuador Mountainbike Route (TEMBR) unterwegs. Eine von Cass Gilbert und Bikepacking.com publizierte Strecke die einmal längs durch das Land geht. Von der Grenze Kolumbiens bis zur Grenze nach Peru. Immer auf der Suche nach abgelegenen Strecken durch die Berge, vorbei an schneebedeckten Gipfeln, Lagunen und kleinen verschlafen Dörfern.
Ersteinmal geht es durch den Páramo des Naturreservat El Ángel. Am ersten Tag ist es regnerisch und kalt. Wir kommen auch nicht sehr weit und verbringen die Nacht in einer Rangerstation. Am nächsten Tag strahlt die Sonne wieder und wir werden für das warten belohnt. Wir haben einen fantastischen Ausblick über die mit Frailejones bewachsenen Hänge und laufen ein paar Kilometer durch diese Landschaft.
Aufgrund von Spannungen wegen illegalem Bergbau auf dem weiteren Streckenverlauf streichen wir die Fahrt durch die Berge. Ein weiterer Grund ist, dass meine Schwester in wenigen Tagen nach Quito kommt und wir müssen uns ein wenig sputen um rechtzeitig dort zu sein. Von El Ángel geht es in einem langen Downhill bis ins Tal hinunter über 2000m da glühen die Bremsen. Unten angekommen fallen wir bald um vor Hitze. Im Tal ist die Luft zum schneiden dick. Viele Trucks donnern an uns vorbei und die Abgase machen das Atmen schwer. Wir wollen so schnell wie möglich wieder in die Berge dort wo es kühler ist. Die Strecke die wir gedacht haben zu fahren ist leider nicht fahrbar, so landen wir wieder auf der Hauptstraße mit viel Verkehr rauf nach Ibarra.
Die Nacht klopfen wir an die Tür der Feuerwehr, die hier am See eine Wache hat. Die Männer sind freundlich und wir dürfen unser Zelt im Garten aufstellen und duschen. Andi freut sich denn sogar eine Hundestaffel gibt es hier. Einer der Hunde verbringt sogar einen Teil des Abends mit uns.
Mit perfekten Timing schaffen wir es in die Casa de Ciclistas in Tumbaco direkt bei Quito und beziehen unser Base Camp für die nächsten Wochen. Seit über zwei Jahren habe ich meine Schwester nicht mehr gesehen und freue mich drauf. Ohne Fahrrad, dafür mit riesigem Rucksack und einigen Ersatzteilen im Gepäck holen wir sie vom Flughafen ab. Drei Wochen Urlaub hat sie sich für Ecuador genommen. Wir hatten überlegt zusammen mit dem Rad weiterzufahren, doch das war uns dann doch etwas zu viel. Ecuador liegt recht hoch, was das Radeln nicht leichter macht. Auch der Verkehr ist definitive gewöhnungsbedürftig aus deutscher Sicht, also beschränken wir uns auf Bus und Fuß. Wir besuchen Quito und seine koloniale Altstadt und genießen die Fiesta de la Luz, das Lichterfest, bei dem die Kolonialbauten kunstvoll durch Lichtinszenierungen in Szene gesetzt werden.
Wir verbringen ein paar Tage in Otavalo, ein kleiner verschlafener Ort der vor allem bekannt für seine Textilien und Kunsthandwerk ist. Doch Vorsicht nicht alles hier ist Handarbeit und wir entdecken immer wieder den selben Chinaschrott und Industrieware.
Ein paar Tage zuvor sind wir hier bereits mit den Rädern durchgefahren und es fühlt sich merkwürdig an am gleichen Ort zweimal gewesen zu sein. Mit dem Rad hatte der Ort einen anderen Eindruck gemacht. Jetzt mit dem Bus hier zu sein ist komisch, nicht besser oder schlechter, einfach anders. Samstags gibt es außer Ponchos, Schals und Alpakadecken noch einen großen Tier und Lebensmittelmarkt, bei dem gehandelt und gefeilscht wird, was das Zeug hält. Was für die lokale Bevölkerung normaler Alltag ist, ist für uns zwar nicht mehr fremd, aber immer noch spannend.
Wir sind mittlerweile auf der Südhalbkugel der Erde angekommen. Ja, mit den Rädern sind wir einfach so drüber gerollt und haben es nicht einmal gemerkt. In einem Tagestrip erkunden wir das Mysterium dieser unsichtbaren Linie die sich einmal um den Globus zieht. Mit dem Gemeinschaftsprojekt der indigenen Bevölkerung besuchen wir Quitsato, die Mitte der Welt, in Form einer Sonnenuhr in der Nähe von Cayambe. Der wirklichen Äquator und nicht das Disneyland bei Quito zu dem die meisten Touristen hin gekarrt werden und das sich noch nicht einmal wirklich auf der Äquatorlinie befindet.
Verändert hat sich auf dem ersten Blick nicht wirklich etwas. Das Wasser der Klospülung läuft immer noch mal mit, mal gegen den Uhrzeigersinn, doch wenn die Lichter von Quito nicht wären könnten wir hier in der Nacht sowohl die Sternbilder der Nordhalbkugel als auch die der Südhalbkugel sehen. Faszinierend!
Nach einer Woche täglichem Busfahren, Menschenmassen, Städten und Märkten haben wir alle die Schnauze voll. Täglich schlucke ich Reiseübelkeitstabletten um von A nach B zu kommen, die mich dann meist etwas paralysiert und schlaftrunken in den Seilen hängen lassen. Natur muss her, rauß ins Grüne! Eine Busstunde von Quito fängt die Ruta del Condor, der Condor Trek an. Ein 4-5 Tage Trekkingpfad durch den Páramo, vom Fuß des Vulkan Antisana zum Vulkan Cotopaxi. Von National Geographics 2014 zu eine der schönsten Trekkingrouten in den Anden gekührt, finden wir jedoch kaum Informationen über den Weg. Es gibt zwar einige Touranbieter die geführte Touren All-Inklusive mit Gepäcktransport anbieten, jedoch zu einem stolzen Preis von über 600 US$ pro Person. Außerhalb unseres Budget und überhaupt wo bleibt da der Spaß und die Herausforderung. Von Tumbaco nehmen wir einen Bus in Richtung Papallacta und der Bussfahrer lässt uns direkt am Startpunkt des Treks raus. Hier oben im Páramo ist das Wetter anders als unten im Tal nass und kalt. Wir registrieren uns in der kleinen Rangerstation und los geht`s. Bei Regen, Nebel, Wind und Hagel bahnen wir uns unseren Weg durch die nasse und matschige Graslandschaft des Trails. Am Anfang geben wir uns noch mühe die Füße trocken zu halten, doch nach dem die braune Brühe doch ihren Weg in die Schuhe gefunden hat steht fest, dass ist vergebene Liebesmühe. Erst am zweiten Tag erreichen wir die Wettergrenze und Vulkan Antisana erhebt sich majestätisch vor uns. Ab hier wird es schlagartig trocken.
Bis auf eine große Gruppe Bergsteiger die mit dem Bus zum Höhentraining an den Fuß des Antisanas gekommen sind sehen wir kaum Menschen. Dafür jede Menge Wildpferde, Lamas, Füchse und tatsächlich einen der seltenen Andenbären. Für uns sieht er wie ein kleiner Schwarzbär aus, die wir zu haufen in Alaska und Kanada gesehen haben. Insgeheim gehofft hätten wir nicht gedacht eines diese scheuen Tiere hier zu Gesicht zu bekommen.
Die Routenführung ist nicht immer einfach, da wir nur einen alten Gpx Tracks für unser GPS Gerät haben und die neue Routenführung von Beginn an stark von diesem abweicht. Aktuelle Karten sind leider Fehlanzeige. Ist der erste Abschnitt überraschenderweise gut markiert, fehlen ab der Laguna Micacocha dann die Markierungen vollkommen. Aber was soll`s wir navigieren kurzerhand selbst über die Graslandschaften, bis wir wieder einen Pfad erreichen. Bis auf 4500m Höhe geht es rauf. Vor allem für meine Schwester, die erst vor 1,5 Wochen aus dem Flieger gestiegen ist eine Herausforderung, die es zu meistern gilt.
Nach dem langen Hike gönnen wir uns ein paar Tage Pause in Latacunga, bevor meine Schwester und ich, diesmal ohne Andi, uns aufmachen in Richtung Laguna Quilotoa. Wir besuchen den traditionellen Markt in Saquisili, Wandern von Isinvili nach Chucchilan und rauf zum Krater der Laguna. Welches Teil des bei Touristen beliebten Quilotoaloops ist, den so ziemlich jeder Backpacker der Ecuador besucht unter die Füße nimmt. Nach dem atemberaubenden Erlebnis auf der Routa del Condor wirkt der Quilotoaloop von der Landschaft her geradezu langweilig.
Der Einfluss den der Tourismus mit sich bring macht sich auch hier bemerkbar. Die Kids entlang der Strecke wissen genau was sie bekommen können und Fragen jeden Gringo nach Süßigkeiten. Ich will nicht wissen wie sich die Zahngesundheit der Kinder mit steigendem Tourismus verschlechtert hat. Das wäre doch mal eine Statistik Wert. Ein Mädchen fragt schon gar nicht mehr nach Süßigkeiten, ihre Vorliebe ist Schokolade und nur die will sie haben. Wir haben keine Schokolade und das Mädchen ist schnell wieder verschwunden. Während die Kids noch auf Süßes aus sind spielt bei den Erwachsenen Geld wieder eine entscheidende Rolle, das heißt Foto meist nur gegen Bezahlung. Etwas was ich grundsätzlich nicht unterstütze. Zwar ist der Großteil der Menschen sehr nett und wir haben einige interessante Unterhaltungen, jedoch merke ich auch, dass es einigen Einheimischen zu viel Trubel ist.
Den gesamten August über ist die Casa de Ciclistas in Tumbaco immer wieder unser Zuhause. Der Besitzer Santiago und seine Familie sorgen seit über 20 Jahren dafür, dass sich alle Radler wie zuhause fühlen. Es herrscht ein reges Treiben, Radler kommen und gehen. Die meisten sind Richtung Süden unterwegs, einige wenige in Richtung Norden. Die Wenigsten bleiben nur eine Nacht, die Meisten mehr als eine Woche. Das Leben im "Bunker" ist geprägt vom Kalorientanken, reparieren oder einfach nur entspannen. "Was machst du heute?- Nichts!" Radler können ganz schön faul sein, wenn sie die Möglichkeit dazu haben und nicht den ganzen Tag mit Rad fahren, Schlafplatzsuche und Kochen beschäftigt sind.
Langweilig wird uns nicht. Eigentlich will ich Blog schreiben, doch unser Laptop stürzt immer wieder ab. Andi hat mittlerweile Erfahrung mit Elektronik aufschrauben und Fehler suchen auf Reisen. Doch bei unserem Laptop hilft selbst der Lötkolben, den er seit den USA mit dabei hat nicht. Hier lässt sich nicht wie bei anderer Elektronik teile tauschen oder Kabel löten. Der Arbeitsspeicher ist hinüber, unglücklicherweise kann dieser nicht einzeln Ausgetauscht werden, sondern ist auf das Mainboard gelötet. Ecuador ist kein günstiges Land für Elektronik und ein Neugerät unerschwinglich. Wir finden, aber einen gebrauchten Laptop dessen Akku defekt ist, fast den gleichen den wir haben. Zufälle gibt es. Die Teile passen und Andi macht aus zwei Laptops kurzerhand einen. Auch die Räder werden auf Vordermann gebracht, General überholt und Verschleißteile ausgetauscht.
Jetzt langt`s aber auch wieder! Wir beide hoffen insgeheim, dass wir für die nächsten Monate erst einmal Ruhe haben.
Vier Wochen Backpacker Dasein sind vorüber und wir sind froh wieder auf den Rädern zu sitzen und dorthin zu fahren wo wir möchten und nicht wohin die Busgesellschaft möchte. Was ein Luxus!
Meine Schwester ist wieder zurück in Deutschland. Die Zeit mit ihr war schön, wenn auch nicht immer Konfliktfrei. Drei Wochen alles zusammen machen waren eine lange Zeit und im Nachhinein überhaupt nicht ohne Konflikte zu überstehen. Es ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen, auch wenn wir immer freundlich in die Kamera lächeln. Andi und ich sind seit Jahren 24 Stunden am Tag zusammen unterwegs und ich frage mich manchmal wie das überhaupt möglich ist. Ohne Konflikte, lautstarke Auseinandersetzungen und Kompromisse sicherlich nicht. Ja, hin und wieder wollen wir uns gegenseitig auf den Mond schicken um dann wieder gemeinsam nach einer Lösung zu suchen.
Vor uns liegt ein hartes Stück Arbeit nicht nur an uns selbst, denn wir fahren weiter über die TEMBR und die Los Tres Volcanes Routen bis zur Grenze nach Peru. Der nächste Bericht also wider mit Fahrrad...
Unterwegs bis zur Casa de Ciclista Tumbaco (bei Quito) 40.000 km und 854 Tage
geschrieben von Steffi
Anmerkungen für Reisende:
Pakete: In die Casa kannst du Pakete schicken. Achte darauf das sie unter 4kg und unter 400$ Wert sind, andernfalls bekommst du sie nicht durch den Zoll!
Sim-Karte: Movistar ist zwar günstig, aber außerhalb von Städten hast du so gut wie kein Empfang. Auf dem Land ist Claro besser. Für Whatsapp reicht die Geschwindigkeit meist aus, dass war`s dann aber auch.
Steigung: Die Straßen in Ecuador sind nicht nur abseits der Hauptstraße brutal. Schau das du möglichst kleine Gänge hast
Ersatzteile: Santiago von der Casa ist Fahrradmechaniker und kann an sich alles besorgen und das zu Preisen, die du sonst in keinem Laden in Ecuador findest
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Werner (Mittwoch, 31 Oktober 2018 17:26)
Wieder tolle Geschichte mit noch schöneren Fotos. Wie kommt man an einer langen Schlange von warteten Menschen an der Grenze ohne Gemaule durch ?
Steffi & Andi Ride-Worldwide (Mittwoch, 31 Oktober 2018 20:18)
@ Werner: Das ist eine gute Frage. Unser Joker ist der deutsche Pass und die Tatsache, dass wir nicht einen Asylantrag stellen wollten. Bei der Ausreise wurden wir von einem Sicherheitsbeamten abgefangen, der uns durch einen anderen Eingang gelotzt hat. Bei der Einreise in Ecuador haben wir gut und gerne 1,5 Stunden gewartet. Auch hier gab es wieder unterschiedliche Schlangen. Allerdings haben wir erst ein mal eine Weile gebraucht, bis wir die richtige gefunden haben.
Zum Teil haben die Menschen dort tagelang gewartet aber dennoch war die Stimmung für die Umstände sehr entspannt...
Hannelore Lang (Freitag, 02 November 2018 10:02)
Hallo ihr Beiden Ich bin mir immer nicht sicher wo die Nachrichten landen. Ich verfolge Eure Reise schon seit langer Zeit. Auch ich fotografiere immer wieder gerne so erhielt ich Nachricht von Deutschem Fotopreis für die beste Präsentation
Fahrrad verbindet Ich habe gleich an Euch gedacht. Es gibt Preisgelder .Eine Myriam Pritzsch habe ich eure Bloc gegeben Vielleicht bekommt ihr diese Nachricht Denke oft an Euch und was Ihr so durchhaltet einfach großartig.
Liebe Grüße Hannelore