
Drogensumpf und Guerillakrieg ade. Das heutige Kolumbien ist anders. Bunt, fröhlich und voller kultureller Vielfalt und Lebensfreude. Im Land in dem Radfahren zum Volkssport gehört bahnen wir uns unseren Weg, von der Hauptstadt Bogotá ging es im Juli bis zur ecuadorianischen Grenze. Vorbei an Kaffee-, Zuckerrohr- und Bananenplantagen. Weil wir Berge so lieben überquerten wir dabei gleich dreimal den Páramo, die Wasserader des Landes, natürlich nicht ohne jedes mal nass von oben zu werden. Wir besuchten mit San Agustín und Tierradentro die wichtigsten Archäologischen Ausgrabungsstätten des Landes und hüpften über das Trampolin des Todes
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The time of drug swamp and guerrilla warfare is over. Today's Colombia is different. Colorful, cheerful and full of cultural diversity and joy of living. In the country in which cycling belongs to the most popular sports we make our way. From the capital Bogotá we cycled to the Ecuadorian border. We passed by coffee, sugar cane and banana plantations. Because we love mountains so much, we crossed the Páramo, the water vein of the country, three times, of course not without getting wet from above. With San Agustín and Tierradentro we visited the most important archeological sites in the country and jumped over the Trampolin of Death.
Eigentlich wollten wir in Guatemala der Regenzeit entkommen, doch Bogotá empfängt uns nass und kalt. Nicht ganz das, was wir uns vorgestellt haben. Zugegeben in Bogotá soll aufgrund der hohen Lage über 2600 Meter Höhe das ganze Jahr über eher kühles Klima herrschen. Etwas dicker angezogen finden wir ausreichend Zeit die Stadt zu erkunden. Bogotá ist ein Mix zwischen alt und neu. Spanische Kolonial Architektur zusammen mit Streetart und Hochhäusern. Wir Streifen durch die Gassen des Zentrums die den Ganzen Tag prall gefüllt sind. Wir lassen uns etwas Zeit um uns an das neue Umfeld zu gewöhnen und das brauchen wir auch. Bogotá ist modern und doch ist die Armut an jeder Straßenecke sichtbar.
Der Besuch im Goldmuseum ist äußerst interessant. Doch nicht alles ist etwas für uns Kunstbanausen. Wie die übergewichtige Monalisa von Botero in einer anderen Galerie. Anderes erinnert mich eher an ein Bild was ich einmal im Kindergarten gemalt habe und das immer noch im Wohnzimmer meiner Eltern hängt. Äußerst fragwürdig, aber wem's gefällt. Wir genießen eher die bunte Vielfalt auf den Straßen und Märkten. Neues Land, unbekanntes Essen...Kolumbien bringt essenstechnisch Spannung rein.
Es ist Sonntag in Bogotá, als wir aus der Stadt fahren. Sonntag in Bogotá und mittlerweile auch in vielen weiter kolumbianischen oder auch Lateinamerikanischen Städten bedeutet, seit mehr als 40 Jahren Ciclovía. Etliche Hauptstraßen werden für den motorisierten Verkehr gesperrt und Radfahrer, Inlineskater und Läufer dürfen ihre Runden durch die Hauptstadtdrehen. Warum gibt es so etwas nicht auch bei uns in Deutschland? Wir kommen vollkommen stressfrei und unkompliziert aus der Stadt. Auch abseits von Ciclovía begegnen uns viele Radfahrer, die die freie Zeit nutzen. Auch wenn die Fußball-WM das Land gerade in Aufruhr versetzt und sich alles nur noch darum zu drehen scheint, Kolumbien ist Radfahrland und Wochenende heißt hier Radelhose und Trikot an und rauf aufs Rad. Zumindest in der Nähe von größeren Städten wo es die dazugehörige Infrastruktur und Radwege gibt. Auf dem Land sieht es anders aus. Hier begegnen uns kaum um nicht zu sagen gar keine Radler. Trotzdem Kolumbien hat so einiges zu bieten, um in Zukunft in Sachen Radtourismus ganz weit vorne mit zu spielen.
Raus aus der Stadt, bedeutet gleichzeitig raus aus Hektik und Anonymität. Die Menschen werden wieder offener und interessierter mit voller Lebensfreude. Was uns gleich am ersten Abend auffällt, ohne Fragen finden wir keinen Zeltplatz. Kolumbien ist stark besiedelt. Wildzeltplätze gibt es wenig und ohne fragen geht hier nichts. Überall sind Obst, Gemüse oder Kaffee-Plantagen. Zäune, jede Menge Zäune. Ich muss an die USA und Kanada denken wo es vieler Orts das selbe Bild hatte. Jedoch fehlen hier in Kolumbien die „Privat“ und „Bleib draußen“ Schilder. Trotzdem haben wir uns das etwas anders vorgestellt. Immerhin kommen wir so automatisch in einen intensiveren Kontakt zu den Einheimischen. Das Leben hier draußen auf dem Land scheint uns deutlich einfacher, als in der Stadt. Unser erster Abend endet auf dem Sportplatz einer Schule mit einem Fußballspiel in der Dorfgemeinschaft.
Von Bogota aus haben wir uns für eine kleine Schleife hin zum Fuß des Vulkans Nevado de Ruiz entschieden. Im Tal kommen wir an der Ruinenstadt Armero vorbei. Hier wo sich einst eine Stadt befand sind seit dem Ausbruch des Vulkans 1985 nur noch Überreste zu sehen. Der Gedanke, dass hier über 25.000 Menschen ums leben gekommen sind, hinterlässt ein gespenstisches Gefühl.
Leider ist das Wetter in den höheren Lagen sehr wechselhaft und unbeständig und wir sollen den großen Schneeberg nur für wenige Minuten zu Gesicht bekommen.
Nach etlichen Höhenmetern und einigen brutalen Steigungen seit wir Bogota verlassen haben kommen wir nach Murillo. Von hier hatte wir geplant weiter in Richtung Süden zu fahren. Wie wir feststellen gibt es von Murillo nach Santa Isabel eine neue Mountainbike Route. Die Ruta de la Templanza geht genau dort hin wohin wir auch hin wollen. Vorbei an üppig grünen Kuhweiden vereinzelt Waxpalmen und Kaffeeplantagen. Eine schöne Strecke, jedoch äußerst schlammig in vielen Teilen. Hier möchte ich nicht in der Regenzeit unterwegs sein.
Wir verlängern die Strecke bis in die Vororte von Ibagué. Vorbei an Kaffee-Fincas, Bananen- und Zuckerrohrplantagen. Nein, wir haben nicht mit so vielen Menschen gerechnet besonders nicht in den Bergen. Essensversorgung ist in Kolumbien kein Problem. Es gibt eigentlich überall irgendwas zu kaufen. Jedes kleine Dorf hat einen kleinen Laden mit mal mehr oder weniger guten Angebot und auf der Straße wird auch immer irgendetwas frittiert oder gegrillt.
Die Straßen können wie schon in Guatemala schmerzhaft steil sein. Wir sind froh, dass wir unsere Kassetten in Bogotá von 12-36 auf 11-40 gewechselt haben und damit steilere Berge hinauf kommen. Trotzdem ist es stellenweise so steil, dass wir schieben müssen. Der Abschnitt vor San Juan de la China hat es in sich.
Raus aus den Bergen rein in die Ebene. Die Hitze ist fast unerträglich. Die Wüste Tatacoa ist etwas Abwechslung in der bisher so immer grünen Plantagengegend. Doch wirklich vom Hocker haut uns die Gegend nicht. Vielleicht weil es Wüste ist. Vielleicht auch weil mein Körper noch geschwächt vom Vortag ist, den ich mit Übelkeit und Schwindel im Bett verbracht habe und die Sonne es nicht gerade besser macht. Oder einfach weil wir schon durch so viele Wüsten gekommen sind, die wesentlich detailreicher und spannender waren.
Schnell steht fest wir wollen wieder in die Berge. Das Páramo hüpfen hat begonnen.
Nächster Zwischenstopp ist Tierradentro mit seinen in den Bergen verstreuten unterirdischen Grabkammern, die wir mit Kopflampen erkunden. Die Ausgrabung besteht aus mehreren einzelnen Stellen, die durch einen langen teilweise steilen Wanderweg miteinander verbunden sind. Wir verbringen den Nachmittag damit diese zu erkunden.
Die Páramo Überquerung Nummer 1 wird, wie auch die Folgenden, zu einer nassen, matschigen und kalten Angelegenheit. Kurz vor dem höchsten Punkt kommt uns Lulisia rufend hinterher gelaufen. Wir können nicht einfach weiter fahren, es ist viel zu kalt und nass hier draußen. Wir sollen uns erst einmal aufwärmen. Sie lädt uns in ihr kleines Straßenrestaurant ein, dass sie hier draußen in der Abgeschiedenheit betreibt. Schon haben wir jeder eine Tasse Agua Panela vor uns stehen. Ein Getränk aus Vollrohrzucker aufgegossen mit Wasser und bestenfalls etwas Gewürzen, das meist mit Käse serviert wird, der zum schmelzen in der Tasse verschwindet. Das beste was es gibt bei diesem schmuddel Wetter.
Es ist Dienstag und das Timing passt perfekt für einen Besuch des indigenen Markt in Silvia. Die Händler kommen an diesem Tag aus den umliegenden Bergdörfern um ihre Waren anzubieten. Wir sind früh dran, und nutzen die Zeit um uns in Ruhe um zu sehen, bevor die Hallen und Straßen Prall gefüllt sind. Beim Fleischer bekomme ich eine Einführung ins gesamte Fleischangebot. Hier wird noch wirklich alles vom Tier angeboten, verarbeitet und gegessen. Nicht selten schwimmt mal ein Hühnerfuß oder ein Stück Leber oder Herz in der Suppe. Mir gefällt die Einstellung, dass das Tier hier noch als Ganzes betrachtet wird.
Von Silvia geht es in einer langen Abfahrt hinunter nach Popayán, der weiße Stadt. Der Stadtkern besteht aus überwiegend weiß angestrichenen Kolonialbauten, die dem Ganzen etwas elegantes verleihen. Letztendlich ist es aber trotzdem eine Stadt, aufgebaut wie überall in Süd- und Zentralamerika. Wir nutzen den Aufenthalt zum Bauch voll schlagen und Energie zu tanken, denn von Popayán aus geht es wieder über den Páramo auf die andere Seite der Bergkette nach San Agustín. Es gibt nicht viel solcher Ost-West-Traversen über den Páramo. Wir haben Spaß und liefern uns ein Rennen mit den schwer beladenen Trucks, die wegen dem vielen Matsch und den tiefen Pfützen nur langsam voran kommen. Die Straße ist teilweise sehr eng und die Fahrer müssen hier Millimeterarbeit leisten wenn Gegenverkehr kommt. Viele der bis oben hin beladenen Kleinwagen kratzen immer wieder mit der Karosserie oder Unterboden über herausragende Steine. Mit unseren Rädern haben wir es viel leichter und kommen deutlich besser voran.
Historisches Highlight in Kolumbien sind die Archäologischen Ausgrabungsstätte San Agustín sowie Alto de los Ídolos. Die San Agustín Kultur entstand bereits 3000 v. Chr. und endete mit der Eroberungszeit der Spanier was sie zu einer der ältesten Kulturen Lateinamerikas macht. Im Bereich um San Agustín wurden bislang über 300 überlebensgroße Steinskulpturen gefunden. Das Alter liegt zwischen 200v. Chr. bis 700n. Chr. Da sie meist im Erdreich verborgen waren sind die Skulpturen teilweise noch unglaublich detailreich geblieben. Bei den Steinskulpturen verschmelzen die Formen von Mensch, Tier, Göttern, Dämonen in einander. Keine gleicht damit der Anderen.
Die einzige Verbindung die ich bis jetzt zu Kolumbien hatte war durch meine Schwester die hier ein Jahr in einem sozialen Projekt an einer Schule gearbeitet hatte. Wer die Nachrichten verfolgt, wird mit Kolumbien Angst und Schrecken durch Drogenkrieg und Guerilla-Aktivität verbinden. Doch das war einmal, das heutige Kolumbien ist bei weiten nicht mehr so schlimm wie in der Vergangenheit. Wir spüren die pure Lebensfreude der Menschen. Das Land hat in den letzten Jahren einen immensen Entwicklungsprozess durchlaufen. Und ja mit etwas Menschenverstand und Vorsicht ist es nicht gefährlicher, als in den meisten Ländern in denen wir bis jetzt unterwegs waren.
Etwas komisch ist es schon, dass wir häufiger mal gefragt werden, ob sich eine Polizeikontrolle in der Richtung befindet aus der wir gerade kommen. Anscheinend besitzen viel gar keinen Fahrzeug- oder Führerschein für ihre Motorroller. Die Polizei kontrolliert auf den Hauptstraßen auf jeden Fall scharf.
Die StraßeTrampolin de la muerte - Trampolin des Todes, zählt zu eine der gefährlichsten der Welt. Immer wieder kommt es auf der steil in Fels gehauenen Serpentinen zu Unfällen und Wetter bedingten Erdrutschen oder Steinschlag. Regen gibt es hier jede Menge wie wir am zweiten Tag und der Nacht im ehemaligen Arbeiter Schlafsaal des Miradors selbst feststellen. Nach stundenlangen Regen sind wir nass und ausgekühlt. Trotzdem, die Strecke mit ihren engen Kurven ist super spaßig, auch wenn hier deutlich mehr Verkehr herrscht, als erwarteten. Mit dem Fahrrad ist die Strecke bei weiten nicht so gefährlich oder schwierig wie häufig behauptet wird trotz des angst einflößenden Namen.
Das Ende unserer Zeit in Kolumbien nähert sich ziemlich schnell. Die Zeit hier war klasse und wir haben viel gesehen und erleben dürfen. Anders wie das Bild von vor ein paar Jahren ist es heute ein weitgehend sicheres Land mit viel alter und neuer aufblühender Kultur. Farbenfroh, lebendig und offen hat uns das Land und ihre Menschen Empfangen. Langweilig wurde es uns hier nicht. Doch wir müssen weiter, sind wir doch schon in wenigen Tagen mit Steffis Schwester in Quito (Ecuador) verabredet.
Unterwegs bis zur ecuadorianischen Grenze 39.775 km und 850 Tage
geschrieben von Steffi
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Werner (Samstag, 20 Oktober 2018 13:58)
kommt ihr noch auf 50 000 km? Ich freue mich auf weitere Berichte und tolle Bilder und natürlich auf das Ziel
Regina Haas (Montag, 22 Oktober 2018 12:19)
Some people don't understand what a challenge means.
Kudos to you for hanging in there for so long!
Steffi & Andi Ride-Worldwide (Montag, 22 Oktober 2018 16:02)
@Werner: Da bin ich(Andi) mir nicht so sicher, aber wer weis... Die Anden machen das vorankommen doch etwas langsamer das heißt wir haben auf den endlosen Steigungen mehr Zeit die Gegend zu genießen :-)
Steffi sagt sie kommt nicht früher Heim bis die 50 000km voll sind. :-P
@Regina
Thanks a lot. It is a challange every single day but a good one :-)