
Nach einer langen Zeit in Missoula haben wir es wieder auf die Straße geschafft. Nur für einen Tag. Warum nicht einen Teil des Continental Divide Wanderwegs probieren? Dabei bekommt Radwandern gleich eine ganz andere Bedeutung und wir werden zu ungewollten Experten. Aber die Landschaft war so unglaublich, dass es uns weiter zog, bis uns das Essen ausgegangen ist.
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After a long time in Missoula we made it back on the road. Just for one Day. Why don't we try a part of the the Continental Divide Hiking Trail? This decision made us to experts in hike a bike. But the Landscape was so amazing so we kept on going, untill we run out of food.
Nach einer langen Zeit Stillstand in Missoula und dem einwöchigen Urlaub in Las Vegas sind wir wieder unterwegs. Nicht, dass wir nichts anderes mehr zu tun hätten, doch es kribbelt in den Beinen. Ein Zeichen dafür, dass wir weiter müssen. Doch erst einmal müssen wir auf unserem Weg in Richtung Süden vorbei an den nun seit Monaten lodernden Waldbränden. Die Nationalgarde ist im Einsatz, um die angrenzenden Straßen zu sperren. Der Rauch brennt in den Augen und das Radeln fällt uns schwer.
Als wir aus dem gröbsten raus sind, beschließen wir runter von der Schnellstraße zu gehen und rein in die Berge. Wir befinden uns nicht weit weg von dem CDT, dem Continential Divide Trail. Dieser Wanderweg folgt der Wasserscheide im Gegensatz zur Radvariante der „Great Divide“, exakt. Also warum nicht einmal ausprobieren, wie weit wir mit den Rädern kommen? Viele Informationen haben wir nicht über die Strecke, aber die Seen in einigen Kilometern Entfernung sehen schön aus. Dort wollen wir hin.

Nach einem langen Anstieg über eine Schotterpiste spüren wir unsere lange Pause vom Radfahren in den Beinen. Ich bin skeptisch, ob es eine gute Idee ist, nach nur einem Tag auf der Straße gleich ins Gelände zu gehen, doch die ersten Kilometer von Gibbons Pass zum Chief Joseph Pass lassen meine Skepsis in Begeisterung umschlagen. Der Singeltrack läuft wie Butter, wir müssen kein einziges Mal schieben. Ich bin so dankbar um meinen neuen Vorderradmantel mit deutlich mehr Grip, den ich bei Freecycle bekommen habe.
Eine Gruppe Mountainbiker kommt uns entgegen. In der Gegend findet gerade ein Mountainbike Festival statt. Wahrscheinlich ein Grund dafür, dass der Trail in einem so guten Zustand ist.
Wir genießen noch einmal die Annehmlichkeiten mit fließend Wasser an der Raststätte unten an der Schnellstraße. Für die wir gerade mal eine Meile den Berg runter müssen (und wieder hoch).
Zurück auf dem Trail treffen wir die ersten Wanderer. Die meisten super leichtgewichtig unterwegs, gedanklich schwebend in einer anderen Welt. Rund fünf Monate zu Fuß sind die meisten von Mexiko nach Kanada unterwegs. Viel Zeit, um über Dinge nachzudenken und zu sich selbst zu finden. Jeder Wanderer hat einen Trailnamen, den er sich selbst gibt oder von anderen Wanderern bekommt. So treffen wir Glühwürmchen, Gleiter und Adlerauge.
Wahnsinnige 1.000 $ pro Monat lässt ein Wanderer im Durchschnitt auf dem Trail, oder viel mehr in den Städten, denn auf dem Trail gibt es nichts. Nahezu das doppelte, was wir zu zweit benötigen. Wenn sie dann mal einkaufen und essen gehen können, lassen sie es krachen.
Das erste Steilstück kurz vor Sonnenuntergang gibt uns dann einen Vorgeschmack darauf, was uns die nächsten Tage immer wieder erwartet. Schieben, schieben, schieben... Da bekommt Radwandern gleich eine ganz andere Bedeutung. Oder "Hike a bike", wie sie es hier nennen. Vollkommen kaputt fallen wir in unsere Schlafsäcke.
Am nächsten Tag heißt es schon bald wieder schieben. Der Weg ist zu steil, voller Geröll und umgefallener Bäume. Viele Stellen sind gerade so fahrbar. Nach einer sehr steilen Abfahrt geht es auf der anderen Seite genauso steil wieder bergauf. Gemeinsam brauchen wir über eine Stunde um die 200 Höhenmeter zu bewältigen. Doch Daniel und Elaine, zwei Wanderer aus Colorado, geben uns neuen Mut. Sie sind nahezu auf der Zielgeraden ihrer Wanderung. So kommt es, dass wir am Big Hole Pass die erstmögliche Ausstiegsstelle runter vom Trail links liegen lassen. Belohnt werden wir dafür mit einem schönen Singletrack durch den Wald und offensichtlichen Reifenspuren. Weitere Radler?!
Die folgende Nacht wird dann ein Alptraum, Andi geht es ziemlich schlecht: Erbrechen, Durchfall, das volle Programm. Am nächsten Morgen geht es ihm wieder besser. Zu viel Sonne, die Anstrengung oder doch das Wasser oder Essen? Wir haben keine Ahnung und lassen es langsam angehen. Doch weiter müssen wir. Auf der langen steinigen Abfahrt mach ich mir mein Schutzblech kaputt. Wer kommt auch auf die blöde Idee mit Tourenrad und Schutzblech hier lang zu fahren?
Und wieder verfallen wir in den alten Rhythmus schieben, fahren, schieben, fahren... trotzdem machen wir kaum Höhenmeter. Das letzte steile Stück über Geröll bringt uns dann doch pünktlich zum Sonnenuntergang rauf auf den Bergkamm. Hier passieren uns die letzten Wanderer des Tages, die den ganzen Tag schon unseren Spuren folgen und bereits von den beiden verrückten Deutschen vor ihnen gehört haben. Wir beschließen, dass es zu gefährlich ist, jetzt noch die Abfahrt in Angriff zu nehmen, immerhin sind wir beide ganz schön kaputt. Kraft und Konzentration haben nachgelassen und das folgende Stück sieht so aus, als ob wir beides brauchen könnten. Deshalb genießen wir lieber den sagenhaften Rundumblick. Nach Sonnenuntergang wird es stürmisch, Wolken ziehen auf und in der Ferne sehen wir gleich mehrere Gewitter auf uns zu kommen. Bald sind wir vom Wetter eingekesselt und sind froh, dass wir unser Zelt nicht wie zuerst geplant auf einer kleinen Anhöhe aufgestellt haben. Es dauert einige Stunden, bis der Sturm sich gelegt hat und wir beruhigt schlafen können.
Die Abfahrt am nächsten Tag erfordert viel Aufmerksamkeit, geht es zur Seite hin steil runter. Trotz Geröll aber gut machbar. Vorbei an kleineren Seen und Bächen geht es über eine Bergwiese.
Nach 10km hauptsächlich runter stelle ich am ersten langen Anstieg fest, dass unser Schloss fehlt. Ist es etwa rausgefallen? Kann nicht sein, bei fast einem Kilo Gewicht hätte ich das merken müssen. Andi ist sich nicht sicher, ob er es am Morgen eingepackt hat und entschlossen den Weg wieder zurück zu laufen. Ich bin kaputt und drehe nach ein paar Kilometern wieder um und mache Essen. Am Nachmittag kommt Andi tatsächlich mit dem Schloss zurück. Was für eine Aktion! Ein cross country Halbmarathon und zur Belohnung ein paar Kilometer Fahrrad schieben oben drauf. Über einen steilen Bergkamm geht es zu den ersten großen Seen und wir schlagen unser Zelt am unteren Slag-a-Melt See auf. Niemand hier außer Streifenhörnchen, ein einsames Reh und die Fische im Wasser.
Rauch kommt aus der Richtung, in der wir unterwegs sind. Noch ein Waldbrand? Wir haben gedacht, dass wir aus dem Bereich raus seien. Wie dem auch sei, es gibt nur weiter oder zurück, und den ganzen Weg wieder zurück? Hört sich nicht sehr reizvoll an. Außer, dass wieder unsere Lungen brennen, können wir kein Feuer sehen.
Es geht vorbei an vielen weiteren schönen Seen. Nach dem Little Lake schieben wir ein letztes mal gemeinsam den Berg hinauf. Auf 2828 Metern Höhe ist der höchste Punkt unseres zurückgelegten Abschnitts erreicht. Doch die Abfahrt ist alles andere als prickelnd. Sehr steil und tiefer Schotter. Wo kommen nur all die runden Steine her? Geht es mir durch den Kopf. Aber wir haben unser Ziel erreicht.
Nach 5 Tagen verlassen wir die CDT. Kaputt, aber glücklich. Immer wieder haben wir uns gefragt, "Was machen wir hier eigentlich?" "Warum tun wir uns das an?" Ausstiegsstellen gab es zu genüge auf dem Trail. Doch aus irgendeinem Grund hat es uns immer wieder weiter getrieben. Die Landschaft war einfach zu beeindruckend. Schlussendlich sind unsere Essensvorräte bis auf unser Notfallpaket Kartoffelbrei aufgebraucht. Bis Dillon zur nächsten Einkaufsmöglichkeit sind es noch 105 km. Wieder auf der Straße treffen wir Christina aus Kanada, die mit ihrem Rennrad auf dem Weg von Alaska nach Kolumbien ist. Zusammen schaffen wir auch diese Kilometer. Hungrig und erschöpft von den letzten Tagen gönnen wir uns erst mal ein 1,5 Liter Eimer Eis. Mmh... lecker!
Unterwegs bis Dillon 27.382 km und 518 Tage
geschrieben von Steffi
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VeloRudiX (Dienstag, 17 Oktober 2017 21:04)
Hi Ihr zwei,
ein sehr interessanter und packender Bericht. Nach dem ausführlichen Lesen und alle Fotos anschauend, dachte ich nur:
Wahnsinn, solche Schotterwege und Höhenmeter und das Ganze auch noch mit vollem Gepäck. Hervorragende Leistung.
Weiterhin spannende Reise,
Viele Grüße,
der VeloRudiX
Steffi & Andi (Dienstag, 31 Oktober 2017 20:22)
Danke VeloRudiX,
es war ein hartes Stück Arbeit aber es hat sich doch gelohnt. Strecke haben wir aber da oben nicht gemacht nur Höhenmeter ;-)
Liebe Grüße Steffi & Andi
Silvia wohnmobiltourusacan (Samstag, 04 November 2017 05:17)
Ihr seid schon 2 verrückte Hühner, war mein erster Gedanke als ich euren Bericht gelesen habe. Ich fahre oder schiebe immer mit euch , weiter so viel Spaß, tolle Bilder