
Am Mount Robson, dem höchsten Berg der kanadischen Rockies, lassen wir für ein paar Tage die Räder stehen. Vom Kinney Lake geht es zu Fuß weiter über den Berglake Trail vorbei an Wasserfällen, Seen und Gletschern hinauf bis zum Snowbird Pass. Eine dreitägige Wanderung, deren Highlight für uns der Blick vom Snowbird Pass hinunter auf das Reef Eisfeld ist. Leider darf hier nur auf ausgewiesenen Campingplätzen übernachtet werden, die während der Hauptsaison meistens voll und zudem teuer sind. Hinter dem Berg Lake sind kaum noch Wanderer unterwegs, weshalb wir gerne noch viel weiter gelaufen wären. Doch für die Kilometer, die wir normalerweise an einem Tag auf dem Rad machen, haben wir jetzt drei Tage zu Fuß gebraucht. Mit unseren improvisierten Rucksäcken und Andis mittlerweile Tischtennisball großen Löchern in den Schuhen waren drei Tage ausreichend. Auch merken wir die einseitige Belastung durch das Radfahren. Die Beine sind zwar stark, aber die Rumpfstabilität hat in den Monaten stark abgebaut. Trotzdem mal ein abwechslungsreiches Programm für den gesamten Körper, das wir noch die nächsten Tage spüren werden.
Wieder zurück auf unseren Rädern fahren wir weiter zum Jaspers Nationalpark. Da Kanada dieses Jahr seinen 150. Geburtstag feiert, ist der Eintritt zu sämtlichen Nationalparks kostenlos. Doch nicht nur für uns, sondern für alle anderen auch. Der kleine Ort Jaspers quillt über vor Touristen. Alle Campingplätze und Hotels sind schon lange im Voraus ausgebucht. Am Patrica Lake 5km außerhalb der Stadt finden wir trotzdem ein einsames und gleichzeitig schönes Plätzchen für die Nacht. Am nächsten Tag sind wir schon 20 km aus der Stadt draußen, als ich mit meinem Pedal an einem Stein hängen bleibe. Normalerweise nichts wildes, trotzdem ist eines verbogen. Ärgerlich, da ich sie erst in Bangkok ausgetauscht habe. Offensichtlich war der Stahl nicht gehärtet. Also wieder zurück und bis morgen warten bis der Radladen wieder aufmacht. Ausgerechnet hier, wo die Preise wieder ihren Zenit erreicht haben. Da heißt es Augen zu und durch.
In Jaspers ist gleichzeitig auch der Beginn des berühmten Icefield Parkway, der durch den Jaspers und Banff Nationalpark nach Lake Louise geht. Berge, Gletscher, türkis-blaue Seen, Wasserfälle... Alle Radler, die wir unterwegs getroffen haben, waren der Meinung, dass wir hier unbedingt entlang müssen, wenn wir noch nie dort waren. Der viele Verkehr und Rauch durch die Brände trübt allerdings das Erlebnis. „Komm, wir fahren mal schnell über den Icefield Parkway, wenn es schon nichts kostet“, das haben sich wohl viele Reisende und Einheimische gedacht. Als eine Frau keuchend aus dem Auto gesprungen kommt, auf den Auslöser ihrer Handykamera drückt und schon wieder verschwunden ist, müssen wir beide lachen. Immerhin kann sie jetzt behaupten, dass sie dort gewesen ist, auch wenn das Foto mit Sicherheit nichts geworden ist.
Leider haben wir nicht viel Glück mit dem Wetter. Am zweiten Tag erwartet uns am Columbia Icefield und Fuß des Athabasca Gletscher kalter Eisregen sowie dichte Wolken. Wir verkriechen uns dick eingepackt unter einer Überdachung und schauen uns das bunte Treiben vor dem Besucherzentrum an. Eine lange Schlange wartet am Ticketschalter. Zu Wucherpreisen lassen sich die Leute hinauf auf den Gletscher karren oder können über eine Glasterrasse laufen, die sich noch nicht einmal über dem Gletscher, sondern nur an einem Geröllfeld befindet. Diese Art des Massentourismus hat wenig mit dem ursprünglichen Ziel von Nationalparks, dem Naturschutz, zu tun. Bis zum Jahre 2100 soll der Gletscher wohl ganz verschwunden sein. Bis dahin kann aber noch konsumiert werden, egal was es kostet. Der Tourenanbieter Brewster folgt dabei seinem Werbespruch „We know all the best places“ (Wir kennen all die besten Orte). Eins ist uns sicher, die Teuersten mit Sicherheit.
Da das Wetter nicht besser werden will, beschließen wir weiterzufahren. Um Lake Louise liegt dichter Rauch und zu viel Andrang, sodass wir gar nicht erst hinauf zum See fahren, sondern direkt weiter.
In Banff ist der Startpunkt der Great Divide. Eine über 4.000 km lange Mountainbikestrecke, die von Kanada einmal quer durch die USA bis zur mexikanischen Grenze führt und sich dabei an der nordamerikanischen kontinentalen Wasserscheide sowie den Rocky Mountains orientiert. Eine Strecke, auf die wir uns schon die ganze Zeit freuen. Abseits von Verkehr und 90% unasphaltiert soll sie sein. Eins ist klar, wir wollen mit Sicherheit nicht die gesamte Strecke bis zur mexikanischen Grenze auf der Great Divide unterwegs sein. Immerhin haben wir einen National Park Pass für die USA. Und über die Trail könnten wir theoretisch in 4 Wochen in Mexiko sein. Das ist nicht unser Ziel.
Wir füllen nochmal unsere Essensreserven auf, vergessen aber unsere Spritflasche aufzufüllen, sodass Andi noch einmal eine Extrarunde dreht. Wir sind hoch motiviert und sofort begeistert von dem Weg, der sich über Waldwege gespickt mit kleineren Trails schlängelt. So kann es die nächsten Wochen weitergehen, denken wir uns. Leider tut es das nicht und wir sind schon bald auf einer breiten Schotterstraße unterwegs. Am späten Abend kommen wir an einem Rastplatz vorbei, der wegen Bärenfütterung durch Touristen geschlossen ist und wenn sich Bären erst mal an unser Essen gewöhnt haben, können sie zu einem ernsthaften Problem werden. Wir haben leider nicht viele Möglichkeiten, bei gerade einsetzendem Eisregen schlagen wir unser Zelt nicht allzu weit entfernt auf. Diesmal mit einem etwas mulmigen Gefühl.
In Elkford können wir das erste Mal wieder einkaufen. Wir folgen dem Elk Valley Trail nach Sparwood. Nach einem schönen Singletrack zu Beginn geht es über Asphalt weiter mit Blick auf die riesige Kohlemine von Sparwood. Wir entscheiden uns der Hauptroute der Great Divide zu folgen, was nochmal mehr Asphalt bis Corbin bedeutet. Am Bergwerk in Corbin fängt die Flathead Valley Road an und eine Handvoll Quadfahrer tummeln sich hier.

Im Mittelteil hat der Bach den Weg weggespült und wir folgen einem stellenweise noch aktiven Flussbett. Über den Flathead River gibt es keine Brücke mehr, weshalb wir durch den nicht sonderlich tiefen Fluss furten. Bei der Hitze die ersuchte Abkühlung. Die nächsten Tage geht es hauptsächlich über Schotterstraßen oder Waldwege weiter. Auf den Recreation Sites (Zeltplätzen) entlang des Flusses tummeln sich doch mehr Camper als gedacht. Wirklich abgelegen ist die Gegend nicht. Im Sommer ein Erholungsgebiet für Touristen und im Herbst Jagdgebiet. Wegen ihres hohen Wildtierbestand wird die Gegend auch Serengeti Nordamerikas genannt. Zudem soll es hier eine hohe Grizzlybär-Konzentration geben. Wir halten die Augen und Ohren offen, aber außer ein paar Rehen sehen wir keinerlei Bären. Es bleibt also bei nur 49 Bären, die wir seit Anchorage gesehen haben.
Am Wigwam River stoßen wir auf den Beginn eines Singletracks in Richtung Galton Pass. Ein steiles Zwischenstück kommen wir nur gemeinsam schiebend hinauf. Wir müssen etwas schmunzeln über die Routenbeschreibung der Great Divide, die noch aus den Anfängen des Bikepackings stammt und empfiehlt, Rad und Anhänger separat den Berg hinaufzuschieben.
In einer langen Abfahrt geht es hinunter zur US-Grenze bei Roosville. Wir sind geschockt von der trockenen Hitze, die hier herrscht. Auf Nachfrage beim netten Grenzbeamten bekommen wir ein neues 6 Monats US Visum ausgestellt. „Normaly we don’t do that, but...“. „Normalerweise machen wir das nicht, aber ich bin gut gelaunt und ihr seid mir sympathisch“, antwortet uns der Grenzbeamte. Puhh...für 6 $ pro Person dürfen wir uns jetzt bis Ende Januar 2018 anstatt Ende Oktober 2017 in den USA aufhalten. Kurioserweise haben die Amerikaner noch nicht einmal gewusst, dass wir oben in Alaska bzw. uns die letzten 2 Monate in Kanada aufgehalten haben. Unser Flug von Seattle nach Anchorage wurde als inländischer Flug genauso wie der Grenzübergang nach Kanada nicht registriert. So betreten wir mit dem „Schatz Staat“ Montana den ersten der 48 Kontinentalstaaten der USA, die in Alaska immer nur als lower 48 (unteren 48) bezeichnet wurden. Wie lange wir uns wirklich in den USA aufhalten werden, entscheiden wir unterwegs.
Unterwegs bis zur US-Grenze bei Roosville 26.357 km und 480 Tage
geschrieben von Steffi
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Werner (Samstag, 26 August 2017 16:51)
Wahnsinns tolle Bilder, wäre ich doch 40 jahre jünger und genau so abenteuerlustig
Anton (Sonntag, 27 August 2017 17:41)
Hallo ihr beiden,
Unglaublich tolle Bilder.
Wäre gerne dabei.
LG Toni
Oliver (Mittwoch, 30 August 2017 21:31)
Hallo ihr beiden,
vor einiger Zeit hat mich (mal wieder) das Fernweh gepackt. Nachdem ich bisher einige Male als Backpacker unterwegs war, wird es wohl das nächste mal auch das Fahhrad werden (Wird leider noch ein wenig dauern). So habe ich euren Blog vor ein paar Tagen entdeckt, ihn bis zu dieser Stelle verschlungen und bin jetzt gespannt darauf, wie es weitergeht.
LG Oliver
Andreas & Steffi (Mittwoch, 06 September 2017 00:14)
@ Werner: Du weist doch es ist nie zu spät ;-)
@Toni: Danke Toni. Komm doch einfach rüber und fahr ein Stück mit. Es stehen einige Nationalparks an.
@ Oli: Na mit Backpacken hast du ja die beste Grundlage nicht überladen los zu fahren. Hoffentlich liest du weiter unseren Blog und wir können dich davon überzeugen das es einfach ein klasse Weg ist zu Reisen.
Bis dahin Keep on riding
alberto (Donnerstag, 07 September 2017 05:37)
ich verfolge euer reise die ganze zeit
ein tip von mir falls ihr kein spanisch koennt ...beschaeftigt euch nun so langsam mit spanisch was ihr auf den folgenden 10000 km brauchen werdet weil in lateinamerika kaum einer englisch spricht ..und wenn es nur ein paar wichtige wort sind
ohne ist es schwierig ....sehr viel besser mit etwas spanisch und wenn es auch nur wenig ist
liebe gruesse
Steffi & Andi (Donnerstag, 07 September 2017 05:46)
@ Alberto
Vielen Dank für den Tipp. Wir sind dabei uns vorzubereiten. Hoffentlich bekommen wir es noch rechtzeitig auf die Reihe. Der Plan ist das wir in Mexico zusätzlich eine Sprachschule besuchen.
Viele liebe Grüße aus West Yellowstone
alberto (Donnerstag, 07 September 2017 06:46)
die latinos sind ja im prinzip alle lieb und hilfsbereit aber man muss zumindest sagen koennen was man will
euer problem ist dass ihr campen wollt ,aber die haben hier alles eingezaeunt
also ,muss man fragen koennen ob man bei denen auf dem grundstueck zelten darf
das problem ist eben das fragen ...
naja bei problemen reden wir mal ueber skype oder whatsapp ...ich hab beides
zur not kann meine frau die verhandlungen uebernehmen
uebrigens w-lan heisst hier wifi ,,und in der hinsicht sind die wesentlich besser
jedes besser restaurant hat w-lan also fragt man "porfa me pueden prestar wifi "
so lieb die latinos sind ..im verkehr auf der strasse herrscht purer buegerkrieg
null ruecksicht auf niemand ,nur mal als vorwarnung
Steffi & Andi (Montag, 11 September 2017 20:11)
@ Alberto:
Ohje sag bloß die Latinos sind auch so Konsequent mit dem Einzäunen von jedem kleinen fitzelchen Erde. Überall Wlan hört sich fast so an wie Südostasien. Hier in Nordamerika ist es eher mau. Vielen Dank für das Angebot. Falls etwas unerwartetes passiert wäre das natürlich eine riesen Hilfe. Das mit dem Verkehr macht uns da aber schon etwas Bauchschmerzen aber bestimmt finden wir da auch noch ne Lösung, die für uns OK ist.
Limberger Siegfried (Dienstag, 12 September 2017 20:07)
Hallo ihr beiden, könnt ihr euch noch an den Beginn eurer Reise an Südtirol und mich erinnern, morgen fahre ich wieder hin nach Vilpian. Macht wieder so, das ist ja gewaltig.
lg
Siggi
Steffi & Andi (Montag, 18 September 2017 03:57)
Hey Siggi,
na klar erinnern wir uns an dich. Das war schließlich gaaanz am Anfang unsere Reise. Schön das du uns immer noch treu geblieben bist. Hab viel Spaß in Südtirol. Hoffentlich hast du besseres Wetter als wir. Wir hatten gestern den ersten Schnee der Saison.
Liebe Grüße
Steffi & Andi