
Willkommen in British Columbia „The Best Place on Earth“ ("der beste Platz auf Erden") – oder so. Genau an diesem verheißungsvollen Straßenschild machen wir mit einer Gruppe portugiesisch-amerikanischer Motorradfahrer Pause. Mitten in der Midlife crisis befinden sie sich auf dem Trip ihres Lebens von Florida hoch nach Alaska. Alle haben das ganze Leben hart gearbeitet und so viel Geld und Besitztümer angehäuft, die sie nicht glücklich gemacht haben. Frei dem Motto „Männer werden sieben, danach wachsen sie nur noch“ heizen sie den Hügel einer Sandpiste hinauf und wieder hinunter. Die BMW Motorräder haben sie sich extra für den Trip gekauft. Wir genießen das bunte Treiben und die Show. Am Ende ist die Gruppe so begeistert von unserem Trip, dass sie uns einen Hotel- oder Restaurantbesuch in den USA sponsern. Wow...

Der Stewart – Cassiar Highway ist bekannt für seine Bären und wir wurden im Vorfeld immer wieder von Autofahrern gewarnt. Nachdem wir am ersten Tag keinen einzigen gesehen haben, sind wir etwas skeptisch. Doch gleich am nächsten Morgen sehen wir zwei kleine auf der Straße rumtollen, während die Mutter genüsslich im Graben sitzt und futtert. Wie immer machen wir uns durch Rufen und lautes Sprechen bemerkbar. Meistens hilft das auch und der Bär verschwindet auf Nimmerwiedersehen im Gebüsch. Doch hier am Stewart – Cassiar Highway sind sie schon so an den Lärm der Straße gewöhnt, dass sie sich nicht immer von hupenden Lkws oder Radlern stören lassen. Auch kommt es vor, dass wir erst viel zu spät bzw. viel zu nah feststellen, dass da ein Bär war. „Oh, hast du den Bär gerade eben gesehen?“ Die empfohlenen 100m oder mehr Abstand zu halten, ist in den seltensten Fällen möglich. Wie bei uns Menschen ist Bär auch nicht gleich Bär. „Be carful with mother with cups and old grumpy man“, warnt uns ein Camper, der uns morgens mit Kaffee versorgt. Ja, Mütter mit Kindern und alte Männer können schon mal ungemütlich werden ;-)

Auch das Wetter bleibt ungemütlich mit Gegenwind und frostigen Temperaturen. „Ist das etwa Neuschnee auf den Gipfeln?“ Tagsüber ist die Straße dann doch mehr befahren als wir erwartet haben. Vor allem im südlichen Teil der Strecke sind viele Holztransporter unterwegs, die äußerst rücksichtslos fahren. Erst am späten Abend ist bis auf ein paar Lkws niemand mehr auf der Straße. So kommt es, dass wir wie schon in Alaska häufig spät fahren. Die 2 bis 3 Stunden bevor es dunkel wird, werden immer mehr zu unseren Lieblingsstunden. Weiter südlich wird es nachts wieder richtig dunkel, das erste mal seit zwei Monaten zeigen sich Sterne am Himmel. Ein komisches Gefühl.
Neben Bären entdecken wir mit Wolf und Vielfraß noch weitere Tiere. Beim Zähneputzen werden wir von einem ausgewachsenen Luchs beobachtet. Er ist viel größer als der kleine, den wir oben im Norden gesehen haben. Nachdem er festgestellt hat, dass ihm keine Gefahr droht, läuft er ganz gelassen weiter sein Revier ab. Schade ist nur, dass wir bei solchen Momenten meist nicht die Kamera zur Hand haben. Auch haben wir immer noch kein richtiges Foto von einem Bären. Meistens sind sie schon weg, bevor wir überhaupt reagieren können, zu weit weg um sie auf Fotos noch erkennen zu können oder sie sind zu nah, dass es besser ist das Bärenspray anstatt der Kamera in der Hand zu haben. Auch wenn wir nicht das Gefühl haben, Angst vor Bären haben zu müssen, sind es immer noch wilde Tiere, die uns als Eindringlinge in ihrem Revier sehen könnten.

Bei bestem Wetter machen wir einen Abstecher hinauf zum Salmon Gletscher. Auf dem Weg dorthin zeigt uns ein Tourist stolz Bilder von seinem Heli-Rundflug über den Gletscher. Leider liegt so ein Spaß jenseits unserer Preisklasse. Die Straße rauf ist taff, aber selbst mit all unserem Gepäck zu bewerkstelligen. Pünktlich zum Mittagessen sind wir oben und kochen erst einmal Spaghetti und genießen eine kalte Cola und Bier, dass wir von Campern geschenkt bekommen.
Eine über 70 - jährige Deutsche, die hier in Kanada lebt, zeigt uns wieder einmal, dass es nie zu spät ist um seine Träume zu verwirklichen. Mit kleinem Anhänger, Katze, Auto und Seekajak auf dem Dach ist sie von Toronto aus auf dem Weg nach Inuvik, hoch in den Polarkreis.
Im Kispiox Valley legen wir einen Zwischenstopp auf der WoodGrain Farm von Jonathan und Jolene ein. Die beiden produzieren nahezu all ihre Lebensmittel selbst. Neben Obst und Gemüse haben sie eine Handvoll Hühner, Lämmer und eine Kuh. Wir sind so fasziniert von der Lebensweise, dass wir uns kaum Ruhe gönnen und stattdessen lieber mit anpacken. Unkraut rupfen, Erdbeeren ernten und Andi macht den Heuwender wieder fit. Ich helfe bei der Käse-, Butter- und Brotherstellung. Am Abend gibt es dann das beste Eis, dass ich je gegessen habe. Wir brauchen auch mal so eine Kuh wie Hazel mit cremiger Milch. Gerne wären wir noch länger geblieben und hätten so wie Felix aus Deutschland ein paar Wochen mit angepackt. Mit "Wwoofing", einem weltweiten Austauschprogramm für freiwillige Helfer auf Bio-Höfen, kommen vor allem im Sommer regelmäßig Helfer auf die WoodGrain Farm. Leider haben wir eine Verabredung einzuhalten und müssen unsere erste Wwoofing Erfahrung auf später verschieben.
Samstags ist Wochenmarkt in Smithers sowie Canada Day, Nationalfeiertag in Kanada und Jubiläum mit 150 Jahren. Alles ist mit Fahnen geschmückt, aber anders als erwartet keine große Parade oder Straßenfest. Auch sonst haben wir das Gefühl, dass eher verhalten gefeiert wird. Fast gleichzeitig zum Nationalfeiertag haben wir unsere 25.000 km auf dem Rad zu feiern. Die letzten Wochen sind die km nur so an uns vorbeigezogen.
Wir haben einfach keine Lust auf viel Verkehr, weshalb wir wo irgendwie möglich Seitenstraßen nehmen. Doch irgendwann landen wir dann doch auf dem Yellowhead Highway in Richtung Prince George. Die Straße, welche wegen ihrer traurigen Vergangenheit auch „Highway of Tears“ (Straße der Tränen) genannt wird. Unzählige Schilder von vermissten Jugendlichen prägen die Straße. Große Hinweistafeln warnen vorm Trampen und Autofahrern ist es hier verboten, Tramper mitzunehmen. Trotzdem sehen wir immer wieder Menschen an der Straße stehen, die auf eine Mitfahrgelegenheit warten. Nicht unbedingt die beste Gegend für Backpacker, welche auf freundliche Autofahrer angewiesen sind.
"Warum seit ihr ausgerechnet hier auf der Strecke unterwegs, wo es doch nichts zu sehen gibt?", fragt uns ein Camper. Da hat er wohl recht, aber irgendwie müssen wir von A nach B kommen, was heißt auch mal langweilige Abschnitte zu überbrücken.
Mit Zunahme des Verkehrs und Menschen merken wir sofort, dass wir uns Prince George nähern. Das Angebot an Lebensmittel ist reichhaltig, überall spriesen Fast Food-Ketten aus dem Boden und Preise werden günstiger. Auch die Menschen werden immer dicker und dicker. Nach unserem ersten Walmart-Besuch in Prince George können wir auch verstehen warum. Die Preise für Essen haben sich im Vergleich zum Yukon nahezu halbiert. Hinter Prince George wird die Gegend langsam wieder interessanter. Über 2000 Jahre alte Zedernbäume und der Wald bieten angenehme Temperaturen in der Mittagshitze.
Im Robson Valley versuchen Bauern verzweifelt noch ihre Heuernte einzubringen, bevor ein Gewitter über uns hinweg zieht. Trockenheit und Unwetter haben in den letzten Tagen zu hunderten Waldbränden in British Columbia geführt. Der Notstand wurde ausgerufen. Zwei Straßen in Richtung Süden sind geschlossen und der gesamte Verkehr rollt über unsere Strecke. Dichter Rauch liegt in der Luft und das Atmen fällt schwer, auch wenn es noch nicht so schlimm wie in Kambodscha ist. Der Rauch und Verkehr wird uns auch die nächsten Tage über begleiten.
Unterwegs bis Jasper 25.523 km und 468 Tage
geschrieben von Steffi
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alberto (Dienstag, 22 August 2017 06:55)
naja wenn es soweit ist dass ihr nach kolumbien kommt
kommt mein tip mit den seitenstrassen ,sonst kann das zum horror werden
ich als grossasemer wohne dort ...das dauert noch eine weile bei euch bis ihr hier ankommt
Juergen (Dienstag, 22 August 2017 16:44)
Einfach nur WOW!
Andreas & Steffi (Dienstag, 22 August 2017 17:41)
@ Jürgen: Vielen Dank Jürgen. anscheinend gefällt es dir ;-)
@Alberto: Seitenstraßen oh ja das machen wir ganz bestimmt. Wir haben nicht so großes Interesse an großen Trucks die auf Tuchfühlung kommen. Es wird wohl nächstes Jahr werden bis wir in Südamerika ankommen.