
Der kanadische Frühling zieht sich in Form von lila blühenden Lupinen entlang des Straßenrands. Eine gewonnene Abwechslung in der endlosen Weite des Yukon, der von uns ewig lange Distanzen fordert. Bis auf tausende Touristen in ihren Wohnmobilen kommt uns die Gegend fast menschenleer vor. Wir können verstehen, dass es so viele Deutsche hier hoch verschlägt. Die Abgelegenheit lässt auch uns tief in Gedanken versinken und alles nochmal viel intensiver wahrnehmen. Mit ein paar Abstechern über Offroad-Pisten halten wir uns bei Laune. Doch ein Wanderweg bringt uns an unsere Grenzen und darüber hinaus.
The Yukon is beautiful but also a challenge. We had to pedal very long distances and sometimes we only saw big RVs going up north in the deserted countryside. Sometimes we lost ourselves in thought and reflected our impressions. We understood why many Germans end up in the North. From time to time we took off-road tracks to keep in good mood. Finally a hiking trail pushed us to our limit.
Auf Schotter geht es für uns auf der kanadischen Seite des „Top of the World Highway“ weiter. Kurz nach dem Grenzübertritt kommen uns bereits die ersten RV's entgegen, die meist mehr an einen LKW als an ein Wohnmobil erinnern. Da kann die nachfolgende Strecke ja nicht sehr anspruchsvoll sein, denken wir uns. Tatsächlich macht uns der Gegenwind mehr zu schaffen als die Straße, die sich in einem endlosen Auf und Ab über die Bergkuppen schlängelt. Obwohl nur auf 1300m über dem Meer haben wir das Gefühl, dass alles andere um uns herum winzig ist.
Mit der Fähre über den Yukon erreichen wir Dawson City, die erste Stadt in Kanada. Vom einstigen Goldrausch ist in der alten Goldgräberstadt nicht mehr viel zu spüren. Dennoch tummeln sich hier im Sommer die Touristen. Wir treffen Faez, einen iranischen Radler, der im Frühling, als die Flüsse noch gefroren waren, über den Dempster Highway geradelt ist.
Auch wir überlegen kurz noch einen „Abstecher“ in Richtung Norden rauf nach Inuvik zu machen, damit einzutauchen in den nördlichen Polarkreis. Doch 740 km Schotterstraße, zweimal die gleiche Strecke, hin und zurück!? In der Touristeninformation heißt es, dass die beiden Fähren über den Mackenzie River und Peel River wahrscheinlich erst Mitte Juni den Betrieb aufnehmen. Die Frau aus der Touriinfo schlägt uns daher vor hinzufliegen und dann zu schauen, ob bis dahin die Fähren fahren, ansonsten dann wieder zurück fliegen. Wir brauchen nicht lange zu überlegen, das ist definitiv nichts für uns.
Über den Klondike Highway geht es weiter Richtung Süden. Landstriche, in denen kein Stein mehr auf dem andern liegt, sind Zeugnisse des Goldrauschs. Hier wurde einst gebuddelt was das Zeug hält. Das Wetter schlägt um. Neben Regen bekommen wir Gegenwind. Die Worte des iranischen Radlers liegen in unseren Ohren: Bei Regen habt ihr Gegenwind – Er behält recht! Sobald es regnet haben wir Gegenwind und das tut es leider viel zu häufig, zudem es noch einmal kalt geworden ist. Doch nichts im Vergleich zum Winter, bei dem die Temperaturen weit unter -40° C fallen können und das öffentliche Leben still steht.
Uns kommt es gerade recht, dass wir zwei Nächte bei Laird verbringen können. Mit Sicherheit der hipste Hipster in Pelly Crossing, der in seiner Freizeit Tiny Houses (Minihäuser) baut und der einzige Vegetarier, den wir kennen, mit einem Kühlschrank voller Hirschwürstchen. Eine sehr inspirierende und minimalistische Lebensweise. Wer weiß, vielleicht bauen wir uns auch irgendwann ein Tiny House, vorstellen können wir es uns auf jeden Fall gut. Zum Abschied bekommen wir noch einen leckeren Elcheintopf zum mitnehmen.
Wir haben uns entschieden nicht nach Whitehorse zu fahren und die größte Stadt im Yukon und damit die erste große Einkaufsmöglichkeit auszulassen. Über die kleine Frenchman Lake Road und den Campbell Highway hoffen wir dem Hauptstrom an Campern etwas aus dem Weg zu gehen. Ein Camper auf dem Heimweg von seinem Wochenendtrip schenkt uns noch seine Essensreserven. In 20 min ist er zurück in Whitehorse und kann im nächsten Walmart wieder einkaufen. Super, aber die Aussage hätte er sich sparen können. Aus Gesprächen mit Einheimischen wissen wir zwar, dass es zwei-drei kleinere Einkaufsmöglichkeiten gibt, aber nicht genau was es gibt.

Dass nicht allzu viele Radler hier über die Nordroute kommen, merken wir, als am nächsten Tag eine Frau anhält und sich erkundigt, ob alles OK bei uns ist und ob wir etwas brauchen. Es herrscht nur noch wenig Verkehr auf der Straße und die Campingplätze, an denen wir Pause machen, sind menschenleer. Alle Camper scheint es aktuell hoch nach Alaska zu ziehen. Je einsamer die Gegend wird, umso mehr geben die Menschen aufeinander acht. Ein Phänomen, das wir auf der Reise immer wieder erleben.
In der endlosen Weite kommen auch Fragen auf. Was arbeiten die wenigen Leute hier oben? Wie ist das Leben hier im Winter? Fragen, die uns leider nur unzureichend beantwortet werden können. Ob Goldrausch oder Tourismus, Alkohol und Drogen sind und bleiben ein großes Problem der Communities. Vor allem in den vielen Ureinwohner-Siedlungen ist dies zu spüren. Doch ob betrunken oder voll gedröhnt, die Natives sind außerordentlich freundlich und heißen uns in ihrem Kanada Willkommen.
Mit Andis erstem Platten seit Anchorage fallen uns beim Flicken ein paar kanadische Dollarscheine auf, die jemand um unser Flickzeug gewickelt hat. Wir schauen uns beide fragend an. Wir haben die Räder doch nirgends unbeaufsichtigt gelassen. Langsam dämmert es uns, die Alaskaner sind schon ein verrücktes Volk. Da kann ein Platten schnell zu einer freudigen Überraschung werden. Der nächste Einkauf ist auf jeden Fall gesichert.
In der Touristeninformation in Faro werden wir gleich auf deutsch begrüßt. So viele Deutsche wie hier oben im Yukon haben wir selbst in Thailand nicht erlebt. In den drei Stunden, die wir mit Blog schreiben und Routenplanung verbringen, kommen fast ausschließlich deutsche Pärchen rein. Der Grund ist eine Condor Maschine, die in den Sommermonaten jeden Sonntag direkt von Frankfurt nach Whitehorse fliegt. Kanada gehört zu einem der beliebtesten Reisefernziele deutscher Urlauber und ist ein beliebtes Ziel für deutsche Auswanderer.
Von Faro nach Rossriver haben wir einen Trail ausfindig gemacht, der endlich mal nicht in einer Sackgasse endet. Ein Wanderweg 67 km entlang des Pelly River. In der Touriinfo heißt es, dass der Trail durchaus mit den Rädern machbar istn zumal er erst kürzlich freigeräumt wurde und trocken sei. Und schon ist die Falle zugeschnappt. Nachdem wir den ersten Steilhang hinunter gefahren sind und uns nasse Füße bei der ersten Flussüberquerung geholt haben, gibt es kein Zurück mehr. Was wir einmal angefangen haben ziehen wir auch durch, mit der Hoffnung auf Besserung. Es folgen Sand, Geröllfelder, eisige Flussdurchquerungen, Steilhänge und Morast. Wir sehen beide aus wie Erdferkel im verzweifelten Versuch vorwärts zu kommen. Immerhin brauchen wir abends kein Zelt aufstellen, sondern können in einer der vier Schutzhütten entlang des Trails übernachten. Das ist aber auch der einzige Lichtblick. Der Weg an sich ist nur bei einigen wenigen Abschnitten wirklich schön und lohnenswert. Nur gemeinsam packen wir es voranzukommen. Häufig müssen wir die Strecken dreimal laufen, um die Räder gemeinsam zu schieben. Die wohl steilste Strecke unserer Reise mit 40% Steigung auf rutschigem Untergrund. 100m Anstieg auf 250m, das fordert! Definitiv nur etwas für masochistisch Veranlagte. Vielleicht waren wir auch einfach zur falschen Zeit dort, sicher jedoch mit den falschen Rädern und immer noch zu viel Gepäck. Wir sind beide glücklich, als wir in Ross River ankommen und neue Kraft im Lebensmittelladen tanken können.

Zurück auf dem Highway biegen wir auch schon wieder ab auf die South Canol Road. Eine Schotterstraße, die zu Kriegszeiten von den USA zum Bau und Wartung einer Ölpipeline genutzt wurde. Von der Pipeline ist nichts mehr übrig, aber die Straße als beliebte Reiseroute ist geblieben. Für Autos ist sie offiziell noch gesperrt, aber mit Rädern kein Problem. Kein Verkehr und unzählig viele Zeltmöglichkeiten an einer der vielen Seen. Leider auch die ersten bösen Abende mit Mosquitos. Selbst beim Bergauffahren fangen sie jetzt schon an zu stechen. Mit der einen Hand sind wir fleißig am wedeln, während wir so schnell wie möglich aufwärts pedalieren. Ach, wie wünschen wir uns doch die langsamen und großen Mosquitos aus Alaska wieder zurück.
Über den Alcan (Alaska – Canada Highway) geht es in Richtung Watson Lake. Wir treten noch mal ordentlich in die Pedale, um die eintönige Strecke mit vielen Trucks möglichst schnell hinter uns zu bringen. Ach, und da ist ja noch mein Geburtstag, den wir auf der Strecke verbringen. Es gibt zwar keinen Geburtstagskuchen, aber immerhin eine Familienpackung Croissants, die wir vor dem Müll gerettet haben.
Wir wollen beide so schnell wie möglich nach Watson Lake. Einkaufen, Duschen, Wäsche waschen... Mit diesem Ziel vor Augen können wir problemlos 130 km am Tag abspulen.
Watson Lake ist ein Muss-Stopp für alle Alcan-Reisenden. Aus aller Welt kommen die Leute, um durch den Schilderwald zu streifen oder selbst ein Schild aufzuhängen. Wie in aller Welt kommen nur all die deutschen Ortsschilder hier her? Und wer ist so verrückt ein geklautes Ortsschild im Koffer über den Teich zu transportieren?
Bei ordentlich Gegenwind geht es wieder ein paar Kilometer zurück, um auf den Stewart-Cassiar Highway abzubiegen. Wir verlassen den Yukon und damit den „wahren Norden“, es geht nach British Columbia „The Best Place on Earth“. Zumindest verspricht uns das der Slogan auf dem Straßenschild. Uns erinnert es einmal mehr an chinesisch-amerikanische Superlative hier in Kanada. Wir sind gespannt...
Unterwegs bis Watson Lake 23.600 km und 440 Tage
geschrieben von Steffi
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Stephanie (Donnerstag, 20 Juli 2017 12:28)
Weiterhin eine gute Reise! Liebe Grüße aus Mannhei.
Anton (Donnerstag, 20 Juli 2017 20:40)
Alles Gute zu Deinem Geburtstag und weiterhin viel Glück bei eurer Reise und viele weitere Berichte
Gruss aus Bayern
VeloRudiX (Donnerstag, 20 Juli 2017 20:47)
Hallo mal wieder,
na da habt Ihr ja von Faro nach Rossriver einen tollen Trail ausfindig gemacht ;-)) Habt Ihr die Radtaschen am Baum hängend "alarmgesichert?" oder was ist das für eine kleine schwarze Box am Seil? Wieder tolle Landschaftsaufnahmen und Stimmungen.
Liebe Grüße und alles, alles Gute für Eure weitere Fahrt.
der VeloRudix
Steffi & Andi (Mittwoch, 26 Juli 2017 16:16)
@VeloRudix:
Das hast du gut erkannt. Ja im Bärengebiet sichern wir unsere Taschen nochmal mit einem kleinen Taschenalarm. Wir wollen unser Essen nicht teilen und laute Geräusche mögen Bären überhaupt nicht.
Liebe Grüße Steffi & Andi