
Wir radeln in unserem Blog mal wieder der Wirklichkeit hinterher. Dick eingepackt in Daunenjacke und gefütterter Hose blicken wir von Alaska zurück in das warme Malaysia. Günstiges Straßenessen mit ethnischen Einflüssen. Mit "...ich bin der König im Affenstall..." summt King Loui von Dschungelbuch die ganze Zeit in unseren Köpfen mit. Nach Teegenuss im Kolonialstil, lassen wir hoch über den Wolken von Kuala Lumpur die Seele baumeln.
Der Grenzübergang von Thailand nach Malaysia ist mit Abstand einer der schnellsten Grenzübergänge auf unserer Reise. Keine Visa, keine Gepäckkontrolle, nur Fingerabdrücke und einen Stempel. Wenige Kilometer nach der Grenze biegen wir auf einen Dschungelpfad ab. Regen hat den Pfad in eine Rutschbahn verwandelt, zudem ist der Boden übersät mit Blutegeln, die nur auf uns gewartet haben. Nix wie raus hier und bloß nicht stehenbleiben, denken wir uns. Hätten wir die Infos von Toni und Daniel bloß etwas früher gelesen. Wie gut, dass es nur ein paar Kilometer sind. Trotzdem hat sich ein Blutegel durch ein immer größer werdendes Loch in Andis Schuh geschlängelt und fest gesaugt. Die Blutung will gar nicht mehr aufhören.
Auf der anderen Seite des Pfads befindet sich ein Militärcamp, das aber vollkommen verlassen scheint. Es ist schon spät, kurzerhand fragen wir beim Wachmann nach, ob wir hier unser Zelt aufschlagen können. Kein Problem! Am nächsten Morgen klopft der Kommandant des Camps an unser Zelt. Er ist selbst Radler und entschuldigt sich mehrfach, dass er erst jetzt von unserer Ankunft erfahren hat. Selbstverständlich hätten wir in einem der leeren Schlafsäle schlafen können. Die nächsten Rekruten kommen erst in ein paar Wochen. Wir werden noch mit einigen Streckeninfos und einer handgemalten Karte ausgestattet. Ein Motorrad begleitet uns zum Eingang einer kleinen Wasserhöhle, die wir mit den Rädern durchqueren dürfen.
Die Kommunikation in Malaysia ist auf einmal wieder deutlich einfacher. Zumal wir alles wieder lesen können. Auch sprechen viele Menschen wieder Englisch. Zu unserem Glück ist Englisch die zweite Amtssprache, da Malaysia bis 1957 noch britische Kolonie war. Obwohl Malaysia mit seinen unterschiedlichsten Ethnien ein Vielvölkerstaat ist, kommt es uns doch stark muslimisch geprägt vor. Der Großteil der Frauen trägt Kopftuch. Der Umgang zwischen Männlein und Weiblein ist wieder etwas distanzierter. Und freitags strömen alle zum großen Gebet in die Moscheen, weshalb viele Geschäfte und Straßenstände an diesem Tag geschlossen sind.
An einem BMW Teststand kommen wir mit Bikern ins Gespräch. Immerhin sind wir Deutsche bekannt für Qualitätsprodukte. Ein Luxus, der für die meisten Malaien unbezahlbar bleibt. Wir bekommen ein paar Tipps für die nachfolgende Strecke, die wir dankend annehmen. So beschließen wir einen Abstecher hinauf auf den Jerai Mountain. Die erste ordentliche Steigung seit Laos bringt uns angesichts der hohen Luftfeuchtigkeit ganz schön ins Schwitzen. Ein malaysisch-chinesischer Radler kommt auf seiner Trainingsfahrt von hinten angerauscht. Er ist Arzt und war selbst schon in Deutschland. Eine ungeplante Begegnung, die uns einen tiefen Einblick in das Land und das Zusammenleben zwischen den ethnischen Gruppen gibt.
Den Abend verbringen wir mit einer malaysischen Studentengruppe, die den weiten Weg von der Ostküste hier hinauf gefahren ist. Alles unterschiedlichste Fachrichtungen, sogar jemand, der Ernährungswissenschaften studiert. Und wieder bekommen wir einen vollkommen anderen Einblick, diesmal in das muslimisch geprägte Studentenleben.
Einen Zeltplatz zu finden wird immer schwerer. An einem Abend fahren wir bis in die Dunkelheit, weil wir keinen Platz für unser Zelt finden. An einer Wiese will Andi gerade den Nachbarn fragen, ob wir hier unser Zelt aufstellen können, doch er kommt gar nicht dazu. Der Mann weiß sofort Bescheid und meint „Camping no problem“. Offensichtlich sind wir nicht die ersten Radler, die hier an die Tür klopfen. Ein andermal fragen wir bei einer katholischen Kirche nach und dürfen das Zelt sogar im trockenen aufstellen. Am nächsten Morgen bringt ein Kleinbus eine Gruppe Kinder, die uns mit großen Augen begutachten. Wir erfahren, dass es sich um Kinder indonesischer Gastarbeiter handelt, die in Malaysia jedoch nicht zur Schule gehen dürfen und deshalb von der Kirche unterrichtet werden. Wir haben somit in ihrem Freiluft-Klassenzimmer gezeltet.
Die Insel Penang und damit die für seine Street Art bekannte Stadt George Town kommt immer mehr in Reichweite. Zusammen mit einer Dutzend Autos und Rollerfahrern setzen wir mit der Fähre über. Den nächsten Tag streifen wir durch die Gassen und schauen uns die Street Arts an, für die George Town bekannt ist. Teilweise sind sie aber schon stark verfallen und einige werden in den nächsten Jahren wohl komplett verschwinden. Aber nicht nur das kulturelle Angebot ist reichhaltig. Wie schon viele Radler zuvor probieren auch wir uns durch das vielfältige Essensangebot und genießen ein kaltes ABC oder Cendol in der Mittagshitze.
Neues Land, neuer Supermarkt. Das Essen ist inzwischen erheblich westlicher und es gibt Nutella, Frischkäse und Toastbrot. Supermärkte sind die eine Sache, die Straßenküche ist jedoch wie schon in Thailand viel interessanter. Dass Malaysia ein Vielvölkerstaat ist, spiegelt sich auch im Essen wieder. Indisch, Malaysisch oder doch lieber Chinesisch? Nicht immer eine einfache Entscheidung. Zum Frühstück gehen wir meist Roti mit Dhal essen. Leider gibt es dies meistens nur bis um 11 Uhr. Dann steigen wir auf Chapati oder diverse Reisgerichte um. Zu fast allem gibt es Hühnchen. Die Preise für das gleiche Gericht schwanken von Restaurant zu Restaurant von Ort zu Ort unheimlich. Gegessen wird wieder mit den Händen oder vielmehr mit der rechten Hand. Am Anfang etwas ungewöhnt, am Ende haben wir den Dreh raus, wie wir den Reis in den Mund schaufeln. Auch essen mit der Hand will gelernt sein.
Wir fahren noch einmal in den Nordosten der Insel und verbringen einen letzten Tag am Strand. Wahrscheinlich unser letzter Strandaufenthalt hier in Asien, bevor wir die Insel wieder verlassen und es mehr ins Landesinnere geht.

Der Verkehr zerrt an den Nerven, vor allem wenn die dicken Trucks an uns vorbeidonnern. Es sind einfach viel zu viele auf den Straßen unterwegs. Zudem gibt es kaum kleinere Straßen wie in Thailand, auf die wir ausweichen könnten. Und selbst wenn diese vorhanden sind, herrscht dort nicht unbedingt weniger Verkehr.
Die Auffahrt zu den Cameron Highlands wird eine nasse Angelegenheit. Nach wenigen Kilometern fängt es bereits an zu regnen und wir sind nass bis auf die Unterhosen, bevor wir einen Unterstand finden. Die Monsunzeit hat bereits begonnen und es regnet jetzt fast täglich. Es hat aber auch was Gutes. Andi nutzt den Regen mal eben zum Haare waschen.
Es herrscht doch mehr Verkehr auf der Straße als erwartet.
Von jetzt auf gleich befinden wir uns mitten in einer riesigen Plantage. In unzähligen Gewächshäusern werden Gemüse und die beliebten Highland Erdbeeren angebaut, die für rund 3 € pro 250g verkauft werden. Trotz des hohen Preis kaufen die Besucher, als ob es kein Morgen mehr gibt.
Wir beschließen einen „Ruhetag“, an dem wir zur Abwechslung die Wanderschuhe schnüren. Durch den Dschungel geht es vier Stunden steil den Berg hoch und genauso steil wieder runter. Definitive nur etwas für Trittsichere. Dafür sind die Temperaturen hier oben auf den Highlands fast schon etwas frisch und wir tragen das erste Mal seit langem wieder lange Kleidung.
Am nächsten Tag fahren wir weiter in Richtung Teeplantagen. Der Ausblick ist wirklich beeindruckend, da können die Plantagen, die wir in der Türkei und China gesehen haben, einfach nicht mithalten. Nur allein wegen der Teeplantagen hat sich der Abstecher hinauf auf die Highlands schon gelohnt. Und das, obwohl wir gar keine großen Teetrinker sind. Aber der Tee ist so lecker, dass wir uns in weiser Voraussicht auf das kalte Alaska schon mal damit eindecken.
Wir nehmen einen kleinen Weg durch die Plantagen, der am Ende in einem Dschungelpfad endet. Der Pfad wird immer kleiner und kleiner, bis er fast vollständig zugewachsen ist. Der Untergrund ist nass und rutschig, wir denken an unsere ersten Kilometer hier in Malaysia zurück. Aber wir fahren weiter und kommen tatsächlich in einem kleinen Dorf an und sind nach wenigen Kilometern wieder auf der Hauptstraße. Es geht weiter runter, von 1400m Höhe sind wir wieder auf 130m Höhe angekommen. Noch nicht genug von Höhenmetern beschließen wir die Straße über den Fraser Hill zu nehmen. Nur eine Hand voll Autos, kühle Temperaturen und eine angenehme Steigung, genauso wie wir es lieben.
Kurz vor Kuala Lumpur kommt dann doch nochmal Zeitnot auf. Mit einem kleinen Umweg holen wir noch schnell unseren neuen Radcomputer ab (der kurz nach Bangkok bereits seinen Dienst eingestellt hat) und ein weiterer kurzer Zwischenstopp bei Decathlon, um uns noch mal günstig für Alaska zu wappnen. Über viele Baustellen geht es dann zügig und ziemlich einfach in die Stadt. Entgegen den Horrorberichten anderer Radler, alles halb so wild.
In Kuala Lumpur wollen wir uns mal richtig was gönnen. Wir haben das Gefühl, dass wir das viel zu selten tun. Ein polnisches Pärchen, das wir auf den Camoren Highlands getroffen haben, hat uns mit dem Infinity Pool Virus angesteckt. Seitdem haben wir immer wieder daran denken müssen. Über AirBnB haben wir uns ein bezahlbares kleines Apartment, hoch über den Dächern von Kuala Lumpur, gemietet. Das Apartment war dabei eigentlich nur Nebensache, das Highlight waren die Waschmaschine und Trockner im Apartment und natürlich der Infinity Pool auf dem Dach des Hotelkomplexes. Von hier aus haben wir den vollen Blick auf die Skyline von Kuala Lumpur und die Petronas Towers, dem Wahrzeichen der Stadt. Es ist sogar eine wesentlich günstigere Alternative als auf die Türme oder den Fernsehturm hinauf zu gehen. Und so schwelgen wir zwei Nächte in bezahlbarem Luxus, bevor wir am Ende wieder im Zehn Bett-Schlafsaal eines Hostels in China-Town aufwachen.
Wir haben noch genug Zeit und erkunden die Stadt zu Fuß und mit dem Monorail Zug. Genießen ein letztes Mal unsere indischen Lieblingsspeisen in Little India, schlendern durch die Einkaufsstraßen und Parks um die Petronas Towers und schauen uns das erste Mal seit Deutschland wieder einen Film im Kino an. Natürlich auf Englisch.
Die Räder verpacken wir gut in Fahrradkartons, bevor wir all unser Geraffel einen Kilometer weit durch die Stadt zum nächsten Busbahnhof tragen. Von dort geht ein Bus direkt zum Flughafen, der 55 km außerhalb des Stadtzentrums liegt. Sicherlich nicht der einfachste und schon gar nicht der bequemste Weg, dafür aber der Günstigste. Wir sind sechs Stunden zu früh am Flughafen, bevor wir am späten Abend ohne Probleme die Räder und unser Gepäck einchecken. Alles läuft sehr wie geschmiert. Schon sitzen wir im Flieger, mit gemischten Gefühlen blicken wir zurück auf unser erstes großes Etappenziel Südostasien. Ab jetzt lautet die Antwort auf die Frage wohin wir fahren nicht mehr Südostasien oder Kuala Lumpur, sondern Patagonien. Wir sind bereit für ein neues Abenteuer: Amerika, wir kommen!
Unterwegs bis Kuala Lumpur 20.770 km und 388 Tage
geschrieben von Steffi
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VeloRudiX (Donnerstag, 25 Mai 2017 23:48)
Hallo Ihr zwei,
wie immer ein sehr ausführlicher und toller Bericht Eurer Weltreise.
Steffi hat auf allen Fotos ein strahlendes Lächeln und Begeisterung Eurer Reise im Gesicht, toll. Bei Dir Andi fällt auf, dass Du immer der "Grösste" auf den Fotos bist, na Asiaten sind auch nicht soo groß.
Bin schon gespannt auf den nächsten Bericht von Alaska und die Fotos mit Daunenjacke und gefütterter Hose.
Wünsche Euch beiden weiterhin unendlich viel Spass und Begeisterung auf Eurem weiteren Weg um die Welt. Weiter so "Mit Rad und Zelt in die Welt". Genießt Eure Jugend und Freiheit.
Liebe Grüße,
der VeloRudix
Rocco Hartmann (Sonntag, 28 Mai 2017 01:25)
EINFACH NUR GEIL :)
Grüßle
Rocco
Steffi und Chris (Sonntag, 28 Mai 2017 11:30)
Hallo Ihr Beiden Weltenbummler,
immer wieder beeindruckend und total schön euren Blog zu lesen. Von der Ausführlichkeit der Berichte und den wunderschönen Aufnahmen sind wir immer wieder total begeistert. Danke, dass ihr damit uns daheimgebliebenen so einen hautnahen und authentischen Eindruck eurer Reise vermittelt.
Euer Abenteuer sorgt auf alle Fälle immer wieder für Gesprächsstoff und für viel Bewunderung.
Wie Rainer schon in einem der vorigen Berichte kommentiert hat, ist es wirklich bewunderndswert, dass ihr zwei euch immer wieder aufrafft und so viel gemeinsam macht. Sich 24 Stunden auf der Pelle zu hocken ist ja schon zu Hause anstrengend, aber auf einer Welttour muss man wirklich zu einer Einheit werden und das zu meistern. Ich denke so ein wenig wie Ying und Yang, habt auch ihr euren Rythmus gefunden und ergänzt euch ganz wunderbar. Das eure Verbundenheit so tief reicht spricht Bände.
Auch hier bei uns gibt es immer mal wieder die ein oder andere Krise und ein entschleunigen hilft sogar zu Hause wirklich am Besten gegen den Alltagsstress.
Wir wünschen Euch ein weiteres Jahr viele Ergänzungen und "in der Ruhe liegt die Kraft".
P.S. witzig, dass ihr Studis der Ernährungswissenschaften getroffen habt ;)
Liebe Grüße aus dem warmen und windigen Norden Deutschlands
Rolf S. (Mittwoch, 31 Mai 2017 22:24)
Danke dass ihr uns mit Nehmt auf eure Weltreise.