Um den Süden von Laos genießen zu können, haben wir unser Visum um zwei Wochen verlängert. Von Vientiane aus geht es nur ein kurzes Stück entlang des Mekong, dann wieder ins Landesinnere. Über sandige Pisten kämpfen wir uns weiter vor in Richtung Süden. Vorbei an Karstbergen, machen wir eine Höhlentour mit Boot und Rädern. Dabei tauchen wir tief in die dunkle Vergangenheit des Landes ein.
Seit Beginn unseres Aufenthalt in Laos verspüren wir das Bedürfnis, uns näher mit der dunklen Geschichte des uns so unbekannten Land zu befassen. Denn was wir zuvor nicht wussten, Laos ist das meist bombardierte Land der Welt und das, obwohl es sich selbst nie im Krieg befunden hat. Im Zuge des Vietnamkriegs wurden mehr Bomben über Laos abgeworfen als über Vietnam. Diese schreckliche Vergangenheit der Landzerstörung spiegelt sich noch heute im Alltag wieder. Noch immer lauern tausende Blindgänger in den Böden, deren Räumung wahrscheinlich noch Jahrzehnte dauern wird. Für die Menschen bedeutet dies Leben mit der Gefahr, was wiederum die wirtschaftliche Entwicklung des Landes stark einschränkt. Im Schnitt wurden ganze neun Jahre lang alle acht Minuten eine Bombenladung durch Flugzeuge über Laos abgeworfen. 270 Millionen Clusterbomben, wovon bis zu 30% nicht detoniert sind. Für uns sind das Dimensionen, die unvorstellbar sind. Mehr dazu haben wir im Besucherzentrum der Organisation COPE erfahren, die sich um die Opfer von Blindgängern kümmert. Ein Besuch, der sich lohnt.
Nachdenklich verlassen wir Vientiane in Richtung Süden. Auf unserem Weg nach Kambodscha werden wir genau durch die Gebiete kommen, die es besonders hart getroffen hat.
Mit den Rädern sind wir jetzt auf der Straße Nr. 13, der Hauptverkehrsader des Landes zwischen Nord und Süd, unterwegs. Trotz Gegenwind geben wir Vollgas, um so schnell wie möglich voranzukommen. Bei Paksan nutzen wir die erstbeste Gelegenheit weiter ins Landesinnere zu kommen, weg vom vielen Verkehr, hinein in die Berge.
Kurz hinter der Stadt schlagen wir unser Zelt auf. Verdammt, wo ist der Toilettenpapiersack? Eben war er noch da. Beim Verstauen der Einkäufe auf dem Markt muss er wohl heruntergefallen sein. Ich setze mich sofort noch einmal aufs Rad und tatsächlich liegt der Beutel noch da, wo er verloren gegangen ist. Das ist Laos, der Beutel ist noch da, aber das Papier hat jemand mitgenommen. Eben nur das Wichtigste. Wie gut, dass wir noch eine eiserne Reserve haben.
Wir beschließen eine Abstecher zur Konglor Höhle zu machen, ein 7,5 km lange Wasserhöhle, welche sich durch das Karstgestein schlängelt. Wir zelten direkt im Park vor der Höhle. Am nächsten Morgen machen wir erst einmal Pancakes zum Frühstück und schauen uns das bunte Treiben der Bootsmänner an, die auf ihren Einsatz warten. Der Radtransport durch die Höhle ist kein Problem und mit etwas Geduld können wir einen akzeptablen Preis aushandeln. Die Höhle an sich ist zwar nicht die Schönste, aber trotzdem hat sich das Abenteuer gelohnt. Schon deshalb, weil wir auf der andern Seite jetzt weiter durch den Hin Boun Nationalpark fahren können. Vom Höhlenfieber gepackt, habe ich am Nachmittag den richtigen Riecher. Wir erkunden eine einsame Höhle am Wegesrand, deren Gänge tief in den Karst hinein gehen. Unsere erste Höhlenexpedition, die Lust auf mehr macht. Die nächsten Tage sehe ich überall versteckte Höhlen, bei denen wir aber nicht so viel Glück haben.
Die Nacht verbringen wir auf einer Freifläche neben einem der vielen Bombenkrater. Ein komisches Gefühl, da noch immer viele Blindgänger im Boden schlummern. Schon deshalb halten wir uns strikt an die Wege der Einheimischen. In Laos ist es aber auch kein Problem, wenn uns ein Einheimischer beim Wildzelten sieht. Manchmal lässt es sich auch kaum vermeiden.
Da wir unsere Routen häufig sehr kurzfristig planen, müssen wir fast täglich neue Entscheidungen treffen. Asphalt oder Schotter, Berge oder Ebene, rechts oder links, Neben- oder Hauptroute.
Wir entscheiden uns für eine Nebenroute, ein Fehler, wie sich bald herausstellt. Mehrfach müssen wir die Räder gemeinsam den Berg hinauf schieben und dann reißt auch noch ein Taschenhalter ab. Geröll, Sand und heftige Steigungen machen es unmöglich zu fahren. Bei der Hitze eine schweißtreibende Angelegenheit. Aber auch das meistern wir gemeinsam.
Die Gegend ist geprägt von Reisfelder und Karstbergen, wie wir sie schon in Vang Vieng gesehen haben, mit dem Unterschied, dass hier die Touristen fehlen. Der Weg, den wir uns rausgesucht haben, wird immer kleiner und kleiner und zieht sich über sandige Felder und Wälder. Wir denken schon ans Umdrehen, aber tatsächlich taucht vor uns eine Furt über den Nam Kapo auf und wir atmen tief durch, nicht zurück zu müssen.
Wieder kreuzen wir eine der Hauptverkehrsrouten in Richtung Vietnam. Irgendwie ist es schade, nicht nach Vietnam zu fahren. Nachdem wir uns mit der laotischen Geschichte beschäftigt haben, würden wir gerne mehr über den Vietnamkrieg erfahren. In Dong gibt es ein kleines Museum über die Kämpfe während des Kriegs entlang der Straße Nr. 9. Aber um den Krieg zu verstehen und alle Fragen beantwortet zu bekommen, müssen wir wohl nach Vietnam fahren. Ein andermal. Von dem Gedanken, alles zu sehen, haben wir uns schon verabschiedet. So komisch es sich anhört, unsere Zeit auf Reise ist dann doch zu kurz. Oder eher so: es gibt einfach viel zu viel zu sehen.
Wir folgen dem Ho Chi Min Pfad, der als dicht verzweigtes Wegenetz auch durch Laos führte. Kriegsschrott ist hier allgegenwärtig. Immer wieder sehen wir Hütten auf Bombengehäusen errichtet. Schon zuvor sind uns immer wieder Bombengehäuse als Boote oder Gartendekoration aufgefallen.
Nach einem besonders ruppigen Teil dann der Schock. Wo ist meine Softshelljacke hingekommen? Eben war sie noch da. Ohne nachzudenken renne ich den Weg zurück, immer weiter und weiter. Nach fast 4 km Crosslauf realisiere ich aber, dass es zwecklos ist, und drehe um. Traurigkeit überkommt mich. Da war diesmal einer der wenigen Rollerfahrer schneller gewesen. Eine große Liebe geht zu Ende, war die braune Jacke doch seit 9 Jahren mein treuer Begleiter gewesen. Zugegeben, ich hätte mich niemals freiwillig von der Jacke getrennt, auch wenn ihr Alter immer offensichtlicher wurde. So endet der Tag mit der Erkenntnis, dass ich das Lauftraining vermisse, auch wenn meine Beine nach 80 km „Mountainbiken“ schon mal fitter waren. In Zukunft werde ich aber noch besser auf meine wenigen Sachen achtgeben.
Nachdem wir wieder Asphalt unter den Rädern haben, geht es vorbei an den ersten Kaffeeplantagen hinauf aufs Bolavenplateau, eine grüne Hochebene bekannt für Kaffee und Wasserfälle. Schweiß tropft uns von der Stirn, es ist dunstig und Schwelbrandgeruch der umliegenden Köhlereien liegt in der Luft. Kaffeebohnen werden am Straßenrand getrocknet. Selbst wir als Nicht - Kaffeetrinker müssen probieren.
Ab Pakxong geht es dann nur noch bergab hinunter in Richtung Mekong. Wir legen einen Zwischenstopp und Pausetag am Champee Wasserfall ein. Die erste richtige Dusche seit Vientiane, was schon eine Weile her ist. In Richtung Süden gibt es während der Trockenzeit kaum Quellen und wir nutzen meist die Pumpen der Einheimischen, um an Wasser zu kommen.
Die Temperaturen auf dem Plateau sind angenehm mild und wir erleben den ersten Regen seit China. Ein Härtetest für unser Zelt, der uns zeigt, dass wir dringend ein neues Zelt brauchen. Undichte Nähte, abgelöste Fenster und zu guter Letzt ist beim Abbauen dann auch noch die Zeltplane eingerissen. Kurz gesagt: das Zelt ist abgewohnt und baufällig. Mit Beginn der Reise stand fest, dass wir uns wahrscheinlich in den USA ein neues Zelt kaufen werden. Jetzt heißt es, die Monate bis Amerika noch durchzuhalten mit hoffentlich keinem langanhaltenden Regentag mehr.
Wieder am Mekong entlang, kämpfen wir mit der stehenden Hitze und schwülen Temperaturen. Alles sieht nach erneutem Gewitter aus, das aber oben auf dem Plateau hängen bleibt. Die Nächte im Zelt werden jetzt wieder unangenehm. Die Luft steht und die Temperaturen kühlen nur langsam ab. Wir fahren entlang des Westufers, das sehr dicht besiedelt ist. Wie eine Perlenschnur reiht sich ein Dorf an das andere. Unsere Zeit in Laos neigt sich dem Ende zu. Die letzten Tage sind wir etwas „Sabaidee müde“. Von Überall ertönt "Bye-bye", ein Wort, das wir spätestes seit China nicht mehr hören können. Wir erinnern uns an unsere Zeit im Iran zurück, auch hier waren wir irgendwann gesättigt von zu viel Aufmerksamkeit.
Im südlichsten Zipfel von Laos liegt Si Phan Don. Die 4000 Inseln im Mekong sind ein beliebtes Ausflugsziel bei Reisenden. Überall wird es als das Top Highlight von Laos angekündigt. Wir sind mittlerweile skeptischer geworden, was solche Aussagen angeht. Zu sehr unterscheiden wir uns mit unserem Reisestil von den meisten Touris. Wir entscheiden uns gegen Insel hüpfen, Boots- oder Kajaktour und eine Insel, die auf der Karte nur aus Hotels und Restaurants zu bestehen scheint. Stattdessen legen wir auf Don Khong einen Zwischenstopp in einem Restaurant am Mekongufer ein. Gutes Essen, Fruchtshakes, Bier und eine tolle Aussicht: wir haben noch zu viele laotische Kip einstecken, die ausgegeben werden wollen… Heute lassen wir es uns gut gehen. Außer relaxen gibt es hier auch nicht viel zu tun.
Bis zur kambodschanischen Grenze ist es nur noch ein Katzensprung. Wir setzen die letzten Kip in Essen um und lassen Laos hinter uns.
Seit einer Woche sind wir jetzt schon in Kambodscha unterwegs und sehnen uns zurück nach Laos. Dort wo alles so unkompliziert war. Kambodscha überrascht uns mit geradezu unverschämt hohen Eintrittspreisen. Aber die Tempel von Angkor einfach auslassen? Nicht wirklich eine Option.
Unterwegs bis zur kambodschanischen Grenze 17.600 km und 332 Tage
geschrieben von Steffi
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Daniel (Donnerstag, 09 März 2017 10:44)
Wieder sehr schön geschrieben. Gute weiterfahrt - freue mich schon auf den nächsten Reisebericht :)
Mathias (Donnerstag, 09 März 2017 19:24)
Danke für eure interessanten Einblicke. In ein paar Monaten werde ich auch dort sein und es ist immer schön, schon ein paar Tipps im voraus zu lesen ;)
Barbara (Freitag, 10 März 2017 09:07)
Danke für den schönen informativen Bericht, auch dafür das ihr die Vergangenheit nicht ausgelassen habt.
Unvorstellbar wie die Menschen damals dort gelitten haben ,wenn soviel Kriegsschrott zurückblieb um damit zu bauen.
Frieden ist ein großes Glück.
Alles Gute noch
Barbara