
Endlich, der Radexpress rollt wieder. Nach dreiwöchiger, für unsern Geschmack viel zu langen Radpause lassen wir Tehran hinter uns. Der dröhnende Lärm der LKW und das Gehupe der Autos begleiten uns aus der Stadt. Es ist so laut, dass wir wieder einmal vorziehen mit Kopfhörern zu fahren. Trotz des Verkehrs ist es ein schönes Gefühl von Leichtigkeit und Freiheit, die in der Luft liegt. Das Wetter bringt uns dann allerdings schnell zu den Tatsachen zurück. Unmittelbar rauszus beginnt die Wüstenlandschaft. Die Temperaturen steigen nach Sonnenaufgang schnell auf 40°C. Schnell finden wir wieder unseren Rhythmus. Die nächsten Tage sind wir bereits vor Sonnenaufgang auf den Rädern. Um diese Tageszeit sind die Temperaturen noch angenehm, zeitweise sogar etwas kühl.
Die Wasserversorgung ist bei der Hitze nicht so einfach. Aber es sind unheimlich viele LKWs unterwegs, die große Wassertanks dabei haben. Und auch in den Städten finden sich immer wieder nette Menschen, bei denen wir unsere Flaschen auffüllen dürfen und häufig sogar kaltes Wasser bekommen.
Vom 2. Radtag an haben wir mit heftigen Wind zu kämpfen, der mal von der Seite, dann wieder von vorne bläst. Durch den Sog der LKWs werden wir immer wieder herumgewirbelt und nicht nur einmal von der Straße gefegt. Wir bekommen Zweifel, ob wir es wirklich aus eigener Kraft nach Mashhad schaffen und halten schon mal Ausschau nach potentiellen LKWs. Die Landschaft ist unheimlich eintönig und unser mp3 Player spielt ein Hörbuch nach dem andern ab. Wie gut, dass wir eine so große Sammlung dabei haben. Bei einer Abfahrt werden wir von der Polizei herausgewunken. Wir sind doch nicht etwa zu schnell gefahren mit unseren 25 km/h und Gegenwind? Auch die Polizei ist neugierig und will wissen woher wir kommen und wohin die Reise geht.
Bei Damghan ist der Weg gesäumt von Pistazienplantagen. Der Iran ist der weltgrößte Produzent von Pistazien. Am Straßenrand werden keine Melonen mehr verkauft, sondern frische und getrocknete Pistazien zu einem Spottpreis. Nachdem wir in Tehran bereits ein Kilo Pistazien geschenkt bekommen haben, steigt unser Konsum drastisch. Frische Pistazien vom Baum sind noch einmal ein ganz anderes Geschmackserlebnis. Wie gut, dass die Saison gerade beginnt.
In Damghan selbst landen wir durch einen Passanten beim iranischen roten Halbmond, bei dem Reisende kostenlos übernachten können. Wir kommen zwar erst spät ins Bett, dafür haben wir unser eigenes Zimmer mit Bad, Küche und Fernseher. Richtig Duschen und Wäsche waschen sind längst überfällig gewesen. Wir sind schon froh, dass bei der trockenen Hitze der Schweiß nicht klebt.
Mashhad ist das religiöse Zentrum des Iran. Wir kommen immer wieder an Pilgern vorbei, welche zu Fuß meist nur in Badeschlappen nach Mashhad pilgern. Rund 40 Tage sind einige von ihnen unterwegs. An mobilen Wasserstationen, welche die Pilgernden mit Wasser versorgen, werden wir herzlich willkommen geheißen und bekommen kaltes Wasser. Wir haben das Gefühl, dass die Männer denken, wir sind auf dem Weg nach Mashhad, um zum Islam zu konvertieren. Anscheinend ist das eine beliebte Art und Weise. Aber mit den Rädern?
Kurz vor Neyshabur hat Andi den ersten Platten auf unserer Reise. Immerhin 7600 km waren wir jetzt ohne unterwegs. Es war nur eine Frage der Zeit wann es passiert, bei den vielen Stachelpflanzen. Abends ist es immer wieder eine Herausforderung einen Platz ohne Stachel zu finden. Einmal schlafen wir unter einer Brücke, da sich kein geeigneter und zudem noch windgeschützter Platz finden lässt.
Immer dann, wenn wir es am wenigsten gebrauchen können, passieren Pannen. Kurz vor Mashhad geht es nochmal hoch und runter. Wir sind beide geschafft und freuen uns bald da zu sein. Doch erst hat Andi einen Speichenbruch. Wenige Kilometer weiter dann einen Platten. Die Sonne hat kein Mitleid mit uns. Die Menschen auf der Straße anscheinend schon. Auf dem Highway durch die Stadt, bekommen wir Eis und kühle Getränke aus dem Auto gereicht. Irgendwie müssen diese Iraner Gedanken lesen können.
In Mashhad treffen wir Bernhard, einen deutschen Radler, den wir zuletzt in Istanbul getroffen haben, wieder. Wir sind, wie es der Zufall will, beim gleichen Warmshower host untergekommen. Am nächsten Tag ist der Tag der Entscheidung, bekommen wir das Turkmenistanvisum oder bekommen wir es nicht? Wir sind aufgeregt, als wir vor dem DIN A4 großen Fensterchen vor dem Konsulat stehen. Mit zittrigen Händen gebe ich der Frau die Unterlagen hinein. Ich lächle schüchtern, sie erwidert das Lächeln und schließt das Fensterchen wieder. Es heißt warten. Als das Fensterchen sich erneut öffnet, wird das Geld verlangt. Und keine Minute später habe ich die Pässe mit den Visa in der Hand. Wir können uns den Jubelschrei nur schwer verkneifen, da noch andere Radler warten. Aber auch die drei Jungs von den Strampeltieren bekommen ohne Probleme ihr Visum. Auch für Bernhard, der jetzt schon das fünfte Mal am Konsulat ist, sieht es zunächst gut aus. Aber dann wird ihm zu verstehen gegeben, das sein Visum gecancelt ist. Da sind wir wieder angekommen bei der turkmenischen Willkür. Wir gehen alle davon aus, dass seine Unterlagen verschlampt worden sind. Wir helfen ihm noch, sein Rad und Taschen für den Zug und Flieger fertig zu machen.
Am nächsten Tag habe auch ich den ersten schleichenden Platten, den ich unter staunenden Blicken vor dem Postamt flicke, während Andi sich um unser Paket kümmert. Nach Istanbul wollen wir nocheinmal Ballast abwerfen, 4 kg schicken wir zurück nach Deutschland. Völlig erleichtert (auch vom Geldbeutel her) und glücklich fahren wir nachmittags aus Mashhad raus. Die Tage im Iran sind gezählt. Zugegeben wir sind froh, dass es jetzt wieder weiter geht.
Am späten Nachmittag überholt uns ein Junge auf seinem Motorrad, hält am Straßenrand und grüßt uns beim Vorbeifahren. Wenige Augenblick später fährt er neben mich, grüßt ein weiteres Mal, fasst mir an den Hintern und fährt mit Vollgas davon. Ich schreie ihm hinterher. Andi, der direkt vor mir gefahren ist, nimmt die Verfolgung auf, aber zwecklos. Kein schönes Erlebnis, so kurz vor der Grenze. Durch westliches Fernsehen und Internet wird Männern hier ein falsches Bild von westlichen Frauen und ihrer Lebensweise vermittelt. Dieses falsche Bild ist uns auch schon in der Türkei aufgefallen. Auch werden Jungs hier kaum Grenzen gesetzt. Bereits zwei Mal wurde Andi mit Steinen von Halbstarken beworfen. Es ist schade, dass so etwas passiert, haben wir bis dahin so viele gute Erfahrungen gemacht und waren von der Gastfreundschaft, die uns entgegengebracht wurde, überrascht. Eineinhalb Monate im Iran waren eine lange Zeit. Wir sind gesättigt von der Kultur, die sich so stark von unserer unterscheidet. Wollen einfach nur mal wieder unsere Ruhe haben.
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge gehen wir aus einem Land, das so viel Potential besitzt und sich doch selbst im Weg steht. Denn eines darf nicht vergessen werden, der Iran ist ein Männer dominiertes Land, in dem Frauen kaum Mitspracherecht besitzen, sich anpassen müssen und Frauenrechte mit Füßen getreten werden. Kein Land, um als Frau dauerhaft zu leben.

Die Ausreise aus dem Iran verläuft völlig unproblematisch. Wie? Ich darf mein Kopftuch nach der langen Zeit jetzt abnehmen? Ich bin mir unsicher und lasse es, bis wir die Grenze passiert haben, erst einmal auf dem Kopf.
Die Turkmenen machen gerade Mittagspause. Nach einem kurzen Arztbesuch und Sprengstofftest für Andi will der Beamte die Namen der Hotels wissen, in denen wir in Mary und Turkmenabat übernachten werden. Verdammt, auf die Frage haben wir uns gar nicht vorbereitet. Etwas irritiert stammeln wir etwas von Central Hotel. Nach langen hin und her ist er damit zufrieden. Am Ende hätte Zelten wohl auch vollkommen ausgereicht, wie wir erfahren. Es ist schon Nachmittag, als wir endlich die ersten Kilometer radeln. Die Hauptroute für Radler führt von Serahs nach Farab, einmal quer durch die turkmenische Wüste. Fünf Tage Zeit haben wir für die 500 km lange Strecke. Sportlich, aber dennoch machbar.

Wir entschließen uns, die direktere Route über eine kleine Straße in Richtung Hauz-Han zu nehmen. Nach wenigen Kilometern begegnen wir bereits dem ersten Dromedar, das vor uns über die Straße läuft. Außer Dromedaren und Eseln begegnen uns kaum Autos auf der Route, ab und an sind Häuser in der Ferne zu erkennen. Wir genießen diese Ruhe, auch wenn der Straßenbelag katastrophal ist. Zeitweise fahren wir lieber wie die Trucks im Sand neben der Straße. Wir sind froh an einem Kontrolposten nochmal eine Wasserflasche auffüllen zu können, denn die nächste Möglichkeit ist erst wieder bei Hauz-Han viele Kilometer weiter. Wieder auf der Hauptstraße treffen wir auf Verena, eine Soloradreisende, die ebenfalls auf dem Weg in Richtung Süd-Ostasien ist. Da sie im selben Zeitraum in Turkmenistan unterwegs ist wie wir, beschließen wir kurzerhand zusammen zu fahren.
Das Sortiment in den Geschäften ist russisch angehaucht und viele Produkte sind uns schon aus Georgien und Armenien bekannt. Obst und Gemüse finden wir kaum zu kaufen. Ein Apfel kostet hier fast 50 Cent. In Turkmenistan ist die Spanne zwischen Arm und Reich wieder deutlich sichtbar. Auch der extravagante Baustil mit einem Hang zum Übertriebenen ist überall sichtbar. Immer wieder zieren Prunkbauten und Denkmäler des vergangenen Staatschefs den Straßenrand. In Mary frühstücken wir, nach einer kurzen Stadtrundfahrt auf Rädern, vor dem Präsidentenpalast. Auch die vielen neuen Sportstätten, Stadien und Pferderennbahnen stechen ins Auge. Die Turkmenen müssen angesichts dessen ein sehr sportliches Volk sein.

Wer weiß, wann wir das nächste Mal wieder hier in Turkmenistan sind. Deshalb entschließen wir uns, einen 20 km langen Umweg in Kauf zu nehmen und schauen uns die Ruinen von Merv an. Ein riesiges, beeindruckendes Areal mit Überresten aus vergangener Zeit. Leider haben wir einfach zu wenig Zeit um die Gegend ausgiebig zu erkunden.
Die Sonne zeigt auch in Turkmenistan kein Erbarmen. Wenigstens der Wind hat etwas Mitleid und weht bei weitem nicht so stark von vorne, wie wir es im Iran erlebt hatten. Zeitweise haben wir 16 Liter Wasser auf unsere beiden Räder aufgeteilt. Von Bajramaly nach Turkmenabat folgt eine karge Steppenlandschaft, in regelmäßigen Abständen tauchen Cafés oder ein paar Häuser im Nirgendwo auf. In Repetek in einem Cafe dürfen wir, nach einer 80 km langen Durststrecke, sogar die Küche zum kochen benutzen und im klimatisierten Gastraum ein Nickerchen halten.
Da es in Turkmenistan keine Straßenschilder gibt, weisen uns die Turkmenen durch Winken und Rufen den Weg. Die Menschen sind sehr freundlich und hilfsbereit und aber im Gegensatz zu den Iranern distanziert. Endlich haben wir wieder Zeit zum Durchatmen. Das wahre Highlight hier sind die turkmenischen Frauen. Endlich ist das triste Fledermausschwarz aus dem Straßenbild verschwunden. Die Frauen tragen lange, bunte, figurbetonte Kleider vorwiegend mit Blumenmuster, dazu traditionell einen bunten Turban. Rank, schlank und bildhübsch lächeln sie uns etwas schüchtern entgegen.
Als wir mittags die turkmenische Grenze passieren, sitzt Angi gerade mit dem turkmenischen Präsidenten Berdymukhamedov im Kanzleramt zum Mittagessen. Auch wir müssen wegen einer verlängerten Mittagspause wieder einmal warten. Na dann, guten Appetit.
Seit 150 Tagen unterwegs und 8639 Km zurückgelegt.
Geschrieben von Steffi
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Kevin Freund (Mittwoch, 07 September 2016 10:07)
Hallo ihr Beiden.
Wow, was war das wieder mal ein interessanter Bericht über eure Reise. Alleine es nur zu lesen wirkt es auf mich als wäre ich mit euch Beiden vor Ort. Wahnsinn wie man durch Eindrücke das Land kennenlernt wie aus einem Reiseführer und sehr traurig wenn mir bewusst wird das Ihr es seit wo so weit weg von mir dafür sorgt darüber zu berichten. Ich hoffe Euch wird noch viel Gutes widerfahren und die männlichen Protagonisten beherrschen sich endlich mal mit dem Grabschen ... Andy weiß ja was ich immer gesagt habe vor euren Reisen - wenn was ist komm ich gerast und reiss Ärsche auf! ;D
Ich wünsche Euch nur das Beste. Kommt heil wieder, ich vermiss Euch.
Werner Pfenning (Mittwoch, 07 September 2016 14:28)
Hallo ihr zwei,
mir gefällt ganz besonders eure flotte Reisebeschreibung mit der Kombination der tollen Bildimpressionen. Schickt bloß nicht die Tigerente zurück nach Verne.
nette Grüße und hoffentlich keine Platten mehr
Werner
Christa Unglaube (Mittwoch, 07 September 2016 19:03)
Hallo Ihr Beiden, Ich warte schon immer ungeduldig auf Eure Berichte und die tollen Bilder. Danke, daß Ihr uns weniger Sportlichen an Eurem Abendteuer teilhaben laßt.
Mich ärgert sehr, daß durch die Berichte der Medien ein falsches Bild vermittelt wird und es so zu unschönen Erlebnissen kommt. Heute war in der RNZ ein großer Bericht über Euch gestanden, und ich war froh, die ganze Zeit schon dabei gewesen zu sein. Gott schütze Euch auf dieser Reise und halte seine Hand über Euch.
Christa
Limberger Siegfried (Sonntag, 11 September 2016 12:33)
Hallo ihr beiden, tolle Beschreibung der Reise. Ich fahre morgen wieder nach Vilpian wo wir uns getroffen haben. Werde den Besitzern von eurer Reise berichten. Macht weiter so!!
Siggi aus dem Allgäu/Südtirol
Volker Reichardt (Montag, 12 September 2016 09:29)
Ich freue mich euch in Usbekistan 2 mal getroffen zu haben. Eure Berichte sind wunderbar und decken sich mit dem was ich in vergangenen Jahr mit dem Motorrad erlebt habe. Mit dem Rad ist es nochmals intensiver. Die Kamera , die ihr mir mitgegeben habt , schicke ich heute nach Heddesheim.
Gebt auf euch acht.
Ingeburg Lippok (Sonntag, 25 September 2016 22:29)
Sonntag, 25. September 2016
wie gerne lese ich Eure Berichte und reise mit den Bildern in ferne Länder.
Auch unser Sohn und jetzt ein Enkel waren reiselustig.-
Ich wünsche Euch alles Gute - viele schöne Eindrücke und dass Ihr heil weiter-
und heil heim kommt.
Oma Inge (üb. 80)
Rolf aus Worms (Sonntag, 06 November 2016 19:10)
Hallo Ihr Beiden,
mit Spannung erwarte ich immer Eure aktuellen Berichte. Es ist so toll, was Ihr unternehmt!
Schade nur, dass Eure bisherigen postiven Erlebnisse nun durch ein derart existenzielles Unschönes Erlebnis getrübt wurde-insbesondere die unwiederbringlichen und unersetzbaren Tagebucheinträge...es hat mich so wütend gemacht, dies zu lesen......schön, dass Ihr trotzdem Euren Mut und Optimismus nicht verloren habt und hoffentlich auf der weiteren Reise von derartigem verschont bleibt: Ich wünsche es Euch so!
Herzliche Grüße, Rolf