
Tehran, die Hauptstadt des Iran, ist kulturell keine schöne Stadt. Der Golestan Palast beeindruckt uns nicht wirklich und der Bazar ist auch nichts Besonderes. Der Verkehr ist anstrengend, zu viele Motorräder und Autos, überall Gehupe. Wer hier eine Straße überqueren will, muss sich durch die fahrenden Autos schlängeln. In Bussen sind Frauen und Männer strikt voneinander getrennt. In der Metro wird die Geschlechtertrennung nicht ganz so eng gesehen. Die Stadt ist jung, aufgeschlossen und sehr westlich geprägt. Hippe Cafés, neueste Technik und Parks, die zum Verweilen einladen. Porsche, BMW und Masarati sehen wir in den Straßen fahren. Autos, die hier mindestens das 3-fache wie in Deutschland kosten.





Um etwas mehr vom Iran zu sehen, wollen wir in einer Woche Städtetrip, Shiraz, Yazd, Esfahan und Kaschan besuchen. Unsere Räder bleiben diesmal sicher untergebracht bei unserem Host in Tehran. Urlaub vom Radelalltag also. Von Tehran aus nehmen wir den Nachtbus nach Shiraz. Busfahren im Iran ist wesentlich angenehmer und komfortabler als in Deutschland, zudem auch noch spottbillig. Nur zum Beispiel: für die Strecke von Tehran nach Shiraz mit rund 1000 km haben wir zusammen rund 26 € inklusive Essen bezahlt. Die VIP Busse verkehren mehrmals täglich zwischen allen größeren Städten. Sie besitzen deutlich weniger Sitzplätze als normale Busse, somit genießt selbst Andi Beinfreiheit.

Vor Shiraz lassen wir uns vom Busfahrer absetzen, um uns am frühen Morgen erst Pasargad und anschließend Persepolis an zu schauen. Persepolis, eine riesige antike persische Ausgrabungsstätte, beeindruckt uns. In unseren Augen ein absolutes Muss für jeden Reisenden auf den Weg nach Shiraz. Nach Shiraz trampen wir weiter. Das ist hier so einfach wie nirgendwo anders, keine 5 Minuten und wir werden bis ins Zentrum mitgenommen.


Abends besuchen wir Shah Cheragh, den „König des Lichts“. Es sind so unheimlich viele Menschen hier. Frauen müssen um diese heilige Stätte zu betreten einen Chador tragen. Es macht nichts, dass ich meinen in Tehran liegen lassen habe. Touristinnen bekommen ein ganz spezielles Bettlaken, damit sie auch ja erkannt werden. Ein ehrenamtlicher Guide begleitet uns durch die Räume. Im Inneren des Schrein herrscht strikte Geschlechtertrennung. Frauen auf der einen Seite der Trennwand, Männer auf der anderen Seite. Die Wände sind voll mit kleinen Spiegel. Mosaike und Kronleuchter erhellen die Räume und der Boden ist komplett mit Teppichen ausgelegt. Wir haben das Gefühl, dass die Moschee nicht nur als Gebetsstätte dient, sondern viel mehr als Treffpunkt für jung und alt. Menschen lesen im Koran, beten oder lauschen den Predigern. Andere tippen wie wild in ihr Smartphone, unterhalten sich laut oder schlafen. Es wird gelacht und geweint. In den Abendstunden versprüht dieser Ort einen ganz besonderen Charme.


Morgens lädt uns die Nasir al-Molk Moschee mit ihren bunten Fenstern, durch die das Sonnenlicht hinein fällt und den Raum in bunte Farben taucht, zum Verweilen ein. Im Herbst und Frühling muss das Spektakel von Sonne und Farben noch viel beeindruckender sein. Aber auch so ist es ein toller Anblick.
In Shiraz treffen wir Alexis, ebenfalls Radler und mit seiner verrückten Art genau der richtige Begleiter für den nächsten Tag. Zusammen besuchen wir Shah Cheragh nochmal bei Tageslicht und haben eine interessante Diskussionsrunde über den Islam mit den Mitarbeitern des Büros für Internationale Angelegenheiten. Wir bekommen einen interessanten Einblick in die islamische Denkweise, auch wenn auf die meisten Fragen nur unzureichend eingegangen wird. Auch der Imam kann die von Alexis gestellte Frage „Warum sollte Gott die Anerkennung durch den Menschen brauchen, wenn er doch das Vollkommene ist“ nicht beantworten. Naja, das Paradies wird uns wohl verwehrt bleiben.

Mit wenigen Ausnahmen wird für fast alle Sehenswürdigkeiten Eintritt verlangt. Ausländische Touristen zahlen hierbei immer teurere Preise als die Einheimischen. Uns wird erklärt, dass Eintrittspreise für Iraner im Ausland nicht bezahlbar sind und die Preise für Ausländer auf für uns europäisches Niveau angepasst sind. Für uns ist diese Zwei-Klassengesellschaft nicht ganz nachvollziehbar. Mancherorts wird der 150 fache Preis für ausländische Touris verlangt. Nein Danke, sagen wir da immer häufiger und genießen lieber die kleinen Dinge. Denn die meisten Erlebnisse können nicht mit Geld bezahlt werden.
Es ist islamischer Feiertag im Iran und alle Sehenswürdigkeiten sowie viele Geschäfte haben geschlossen. Mehrfach wird uns erklärt, dass es sich hierbei um den Todestag „irgendeines Arabers“ handelt. Die Menschen verstehen nicht, warum dies für sie ein Feiertag ist, da sie ja eigentlich Perser sind. Haben wir in der Türkei den Muezzin noch fünf Mal täglich die Gläubigen zum Gebet rufen hören, hören wir ihn hier im Iran so gut wie gar nicht. Auch haben wir das Gefühl, dass sich keiner an seinem Ruf stört. Immer weniger junge Menschen gehen in die Moschee und der Iran hat eine sehr junge Bevölkerung. Die Menschen die wir treffen, sagen alle von sich, nicht gläubig zu sein. Die Jungen sind sich einig, wenn die jetzige Generation der Alten erst einmal nicht mehr da ist, wird sich was ändern im Land. Es muss sich was ändern! Aber auch viele ältere, die die Schaar Zeit bis 1979 noch miterlebt haben, sagen, dass es damals besser war. Eins wird uns klar, die Iraner lieben ihr Land, aber nicht dessen Politik. Überall blicken uns die beiden Religionsführer Khomeni und Khamenei entgegen.
Wir haben die DDR Zeit zwar nicht miterlebt, so wie wir den Iran erleben stellen wir uns aber die DDR vor. Immer wieder die gleichen, hauptsächlich weißen, Autos auf der Straße, eine limitierte Auswahl an ausländischen Produkten, staatliche Kontrolle der Bürger und triste Plattenbauten, denen mit Farbe Leben eingehaucht wurde. Auch hier gibt es alles, was das Leben braucht und sogar noch deutlich mehr. Die Auswahl an Produkten ist zwar beschränkt, die Schattenwirtschaft jedoch riesig. Du kannst hier über den entsprechenden Kontaktmann bekommen was du willst. Das öffentliche Leben wird zwar staatlich kontrolliert und ist strikt vom Privatleben getrennt. Das wirkliche Leben findet jedoch hinter verschlossenen Türen statt.


Wir nehmen den Mittagsbus in die Wüstenstadt Yazd. Den Abend verbringen wir wie Dutzend andere Iraner im Park. In Deutschland würden wir glatt als Penner abgestempelt werden, wenn wir im Park übernachten würden. Hier ist es ganz normal und oftmals die einzige Übernachtungsmöglichkeit. Yazd ist buchstäblich auf Sand gebaut und bietet mit seiner Altstadt aus Lehmhäusern ein tolles Panorama. Wir schlendern durch die verwinkelten Gassen und müssen aufpassen, dass wir uns nicht verlaufen. Windtürme unterschiedlicher Größen sorgen für ein angenehmes Klima in den Häusern, wobei es in den Gassen einfach nur heiß ist.

Wir kommen mit einer Gruppe junger Frauen ins Gespräch, die uns mit Fragen löchern. Sie finden es gut, Kopftuch oder Chador tragen zu müssen, fühlen sie sich so doch sicherer. Das Selbe haben wir jetzt schon häufiger gehört. Ein falscher Sicherheitsgedanke, wie wir finden. Viele Frauen würden, wenn sie wählen könnten, trotzdem weiterhin Kopftuch tragen.
Den Sonnenuntergang verbringen wir an den Türmen des Schweigens (Tower of Silence). Früher wurden hier die Toten gestapelt, heute ist es ein Aussichtspunkt. Wir treffen einen Iraner, der jahrelang in Deutschland gelebt und dort einen Biergarten betrieben hat. Wenn er dürfte, würde er doch gerne wie schon in Deutschland einen Biergarten eröffnen und richtiges Bier ausschenken. Bier gibt es hier in jedem Supermarkt vornehmlich mit Zitrone, Pfirsich oder Ananasgeschmack und natürlich ohne Alkohol.

In Esfahan verbringen wir zwei Nächte mit Atie und Mehbod, ein Informatiker Pärchen. Die beiden zeigen uns ihre Stadt von der schönsten Seite. Auf der Chadschu-Brücke und der Si-o-se Pol Brücke sind unzählige Menschen unterwegs, sitzen hier zusammen, singen, lachen und haben Spaß. Eine tolle Atmosphäre. Ein kleiner Wehmutstropfen ist, dass kein Wasser im Fluss ist.


Die Architektur Isfahans mit seinen historischen Brücken, Plätzen und Gebäuden beeindruckt uns. Leider haben wir nicht ausreichend Zeit in den umliegenden Bergen wandern zu gehen und das Panorama der Stadt von oben zu genießen.
Das kulturelle Zentrum der Stadt bildet der Imam-Platz, der in den Morgenstunden fast menschenleer ist. Wir schauen uns die Imam-Moschee an. Und die historische Jame Moschee nördlich vom Bazar. Diese soll die größte Moschee im Iran sein. Das armenische Viertel Jolfa rund um die Vank Kirche ist ein sehr angesagtes Viertel zum Shoppen und Weggehen.


In Esfahan ist es nun das zweite Mal, dass wir in diesem Land eine Englischklasse besuchen. Mit der Zeit wird auch unser in der Schulzeit so verhasstes Englisch besser, just learning by doing lautet bei uns die Devise.

Zur Mittagshitze sitzen wir im Bus nach Kashan. Hier spüren wir sofort die Nähe zur Wüste. Die Luft ist heiß und trocken. Wir halten es kaum draußen aus. Hamid und Mostafa zeigen uns die Stadt. Gegen Abend werden die Temperaturen dann angenehmer. Spät abends machen wir uns mit ein paar Freunden und einem Geländewagen auf den Weg in die Wüste. Es ist sehr windig an dem Tag und der feine Sand weht uns um die Ohren. Der Sternenhimmel ist einfach atemberaubend und die Sternschnuppen lassen uns unsere Visasorgen wegwünschen.
Wieder zurück in Tehran haben wir wegen dem Chinavisum eine Entscheidung getroffen. Andi fliegt nach Tiflis um dort das China Visum zu beantragen. Ein zeit- und kostenintensive Aktion, die aber immer noch günstiger als alle anderen Alternativen ist. Eigentlich wollten wir bei unserer Art des Reisens bewusst das Fliegen auf ein Minimum beschränken, jetzt bleibt uns keine andere Wahl. An dieser Stelle danke an die chinesische Botschaft in Tehran für das sehr zweifelhafte Vergnügen!


Ohne Andi fahre ich das erste Mal im Frauenabteil der Metro. Fliegende Händlerinnen preisen Mascara und Lippenstifte und BHs an. Frauen probieren Ohrringe oder Armketten aus. Wo bin ich noch mal? Häufig wird das Kopftuch (Hijab) nur noch als modisches Accessoire getragen und hängt locker auf dem Hinterkopf. Die Ärmel der Oberbekleidung werden kürzer. Auch ich krempel meine Bluse meist zweimal hoch. Viele Frauen sind über die Grenze des Zumutbaren hinaus geschminkt. Auch Nasenoperationen müssen, angesichts der vielen Pflaster auf Nasen, im Trend liegen. Das Aussehen spielt auch unter dem Kopftuch und Chador eine große Rolle, oder vielleicht gerade deshalb. Die Frauen im Land, und vor allem in Tehran, testen ihre Grenzen aus. In einem Großteil der Familien ist es jedoch immer noch üblich, dass der Mann arbeitet und für die Familie zahlt. Frauen sind häufig zuhause, machen den Haushalt, schlafen oder schauen Fernsehen. Uns wird erklärt, wenn eine Frau arbeiten geht, dann nur für sich. Das heißt im Klartext, sie kann ihr ganzes Geld beim Shopping ausgeben, was auch gerne gemacht wird. Bekleidung steht hier neben Schmuck ganz hoch im Kurs.

Fast 2,5 Wochen haben wir jetzt in Tehran verbracht. Viel zu lange wie wir finden. Unsere Zeit im Iran läuft langsam ab. Die Visaproblematik hat Zeit gekostet. Auch wenn wir jetzt das gewünschte Chinavisum ohne Probleme bekommen haben, bleiben uns nur noch 1,5 Wochen um von Tehran über Mashhad an die turkmenische Grenze zu kommen. Rund 1100 km und ein Besuch im turkmenischen Konsulat in Mashhad. Endlich mal wieder eine sportliche Herausforderung, die wir gerne annehmen.
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Stefab (Dienstag, 23 August 2016 07:50)
Vielen Dank für den Beitrag. Sehr interessant was ihr beide da erlebt.
Neugierig und interessiert verfolge ich euere Reise.
Bin sehr begeistert was ich noch alles Lesen und an Bilder sehen darf Weiterhin eine gute und vorallem gesunde Weitetreise.
Gruß Stefan
Werner (Dienstag, 23 August 2016 09:12)
Die Bilder haben mich zum Teil an unsere Reise durch den Oman erinnert. Viel Glück weiterhin und bis zum nächsten Bericht.
Gruß Werner
^peter (Mittwoch, 24 August 2016)
Erinnert mich sehr stark an die eigenen Erlebnisse im Iran. Speziell Esfahan und Shiraz waren klasse.
Vielleicht sieht man sich noch in China. Bin z.Z. in Kirgistan und morgen gehts nach Kazachstan und weiter Richtung Russland.
LG
Phillip (Donnerstag, 25 August 2016 16:27)
Gerade den Blog zum ersten Mal gesehen und kann nur sagen Wow! Sehr schöne Eindrücke und sehr inspirierend, wo ihr so überall rumkommt. In naher Ferne würde ich auch gerne die Welt bereisen und möglichst viel entdecken. Dieser Blog ist ein absolutes Vorbild dafür :)
Heinz Conradi (Samstag, 27 August 2016 14:37)
Glückwunsch, dass ihr euer CN-Visum nun doch noch durch Vorsprache in TBS bekommen habt, anstatt die Pässe zu Deming Lu nach FRA schicken zu müssen.
In der Erwartung, dass ich euch helfen kann. hier aktuelle Info mit Foren über Visaangelegenheiten und Grenzöffnungen innerhalb Zentralasien:
http://caravanistan.com/visa/turkmenistan/
http://caravanistan.com/border-crossings/turkmenistan/
TKM ist unberechenbar, insbesondere für Transitreisende. Hoffentlich klappt's.
Der Grenzübergang am Pamir-Highway Osch / Sary Tash (KG) - Kashgar (CN) scheint unter Vorbehalt der lokalen Bestimmungen (striktes Zeitmanagement) wieder für Ausländer passierbar zu sein - bitte vor Anfahrt (Hochgebirgspässe) vielfach in Osch erkundigen.
Im postsowjetischen Osh-Nuru-Hotelkomplex http://osh-nuru.kg/?lang=en gibt's ein Internationales Reisebüro. Eine der Damen spricht deutsch, sie ist sehr nett und wird bestimmt alles in die Wege leiten, um euch verlässliche Info zu geben.
http://caravanistan.com/border-crossings/kyrgyzstan/
Karl Heinz (Dienstag, 30 August 2016 21:20)
Tolle Bilder, interessante Erlebnisse, Einblicke in andere Länder. Ihr beiden macht Erfahrungen die mit nichts zu bezahlen sind. Vielen Dank für Euren Blog. Ich bleibe Euch auf den Fersen.
Alles Gute weiterhin.
Erwin (Samstag, 14 Januar 2017 16:53)
Ich liebe solche Reiseberichte :) Das Foto mit den Tanzenden Kindern in den Fontänen ist auch wunderschön.