
Nach der Hitze in Georgien wollen wir so schnell wie möglich in die Berge und hoffen auf kühlere Temperaturen. Doch erst mal heißt es für uns schwitzen, denn von allein geht es nicht bergauf. Das Armenien das Land der vielen Höhenmeter ist, haben wir schon von anderen Radreisenden gehört. Trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb führt unsere Route durch Armenien. Das Land, mit dessen Vergangenheit sich erst kürzlich der Bundestag beschäftigt hat, kann offiziell nur über die Nachbarländer Iran und Georgien betreten werden. Zur Türkei hin sind die Grenzen geschlossen, da es wegen dem Völkermord an den Armeniern vor rund 100 Jahren immer noch keine Verständigung gibt. Dies war bereits in der Türkei ein großes Thema. Immer wieder wurden wir auf die Resolution angesprochen und gefragt ob wir diese unterstützen.

Die ersten Tage geht es hauptsächlich bergauf. Auch wenn es schon deutlich kühler geworden ist, sind wir nach wenigen Minuten pitschnass. Entlang der aserbaidschanischen Grenze sind überall Militärstellungen und die hohe Militärpräsenz ist deutlich sichtbar. Es kommt immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Seiten. An der Grenze wurde uns jedoch versichert, dass wir, solange wir die Hauptverkehrsstraße nicht verlassen, sicher sind.
Als wir zwei Franzosen mit ihrem Lkw großen Luxus-Wohnmobil treffen, bekommen wir einen kurzen Einblick in eine andere Art des Reisen. Wir sind total fasziniert und den Rest des Tages malen wir uns aus, welchen Job wir bräuchten, um uns im Alter auch so ein Reisemobil leisten zu können. Diese "Was wäre wenn?" - Spielchen sind eine toller Zeitvertreib unterwegs, vor allem wenn es viel bergauf geht. Aber wir sind immer noch froh mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Zumal die Armenier ein sehr fröhliches und kontaktfreudiges Volk sind.


Um an den Sevansee zu gelangen, müssen wir noch weiter hoch über den Sevan-Pass. Da wir auf keinen Fall durch einen Tunnel wollen, der viel zu eng, stark befahren und außerdem bergauf geht, nutzen wir die alte Straße über den Berg. Extra Höhenmeter, aber keine Autos und kein Lärm! Herrlich!


In einem kleinen Dorf so ziemlich auf dem höchsten Punkt scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Von Vardui und Gevorg, einer Geografielehrerin und einem Meteorologe, werden wir eingeladen. Naja, mehr oder weniger gezwungen da zu bleiben. Uns ist es ganz recht, schließlich haben wir schon einiges an Höhenmetern in den Beinen. Wir werden verwöhnt mit allem was das Haus so hergibt. Selbst gemachtes Brot, Käse, Butter, eingelegte Aprikosen und den besten Joghurt unseres Lebens. Die Krönung ist das Bett für die Nacht, ein Doppelbett mit richtigen Decken, ein Luxus, den wir seit Deutschland nicht mehr genießen durften.


Es ist Wochenende und am Sevansee ist die Hölle los. Schwimmen, grillen und feiern, bei fabelhaftem Wetter. Das Panorama und die Größe des Sees, der fast 2 Mal so groß wie der Bodensee ist und ebenso klares Wasser hat, beeindruckt uns. Mit seiner Lage auf 1900 m ist er außerdem einer der größten Bergseen der Welt. Wir haben Glück. An Sevanavank Kloster wird gerade die Geschichte des Klosters von dutzenden Kindern und Jugendlichen in einem Musical nachgespielt. Ein wirklich toller Anblick. Klöster gibt es hier in Armenien auf jedenfall genug zu entdecken.







Auf der Straße begegnen uns viele Kinder die uns freudig "What‘s your name?" entgegen rufen. Leider ist das auch häufig der einzige Satz, den sie auf Englisch wissen. Fremde Menschen auf so merkwürdig beladenen Fahrrädern in einer anderen Sprache zu fragen wie ihr Name ist, erfordert viel Mut. Immer mehr Kinder lernen Englisch in der Schule. Mit Russisch würden wir bei Erwachsenen jedoch viel weiter kommen. Vor allem beim Einkaufen, da auch hier wieder viele russische Produkte in den Regalen zu finden sind. Beim Einkaufen fällt uns aber häufig auf, dass wir mehr bezahlen sollen als die Einheimischen und die angegebenen Preise angeblich nicht stimmen. Für uns leider nicht immer nachvollziehbar, da in den kleineren Läden die Preise einfach in einen Taschenrechner eingetippt werden und es keine Kassenzettel gibt. Dieses Vorgehen hinterlässt für uns einen bitteren Beigeschmack.



Wir lassen den Sevansee hinter uns und genießen über den Vagotsdzor-Pass eine tolle 30 km lange Abfahrt hinunter auf 1200 m. Am Ende erwarten uns ungewohnt heiße Temperaturen, die uns ordentlich ins Schwitzen bringen. Leider gibt es keine Abfahrt ohne anschließend wieder hinauf zu müssen. Bis auf 2350m klettern wir nochmal auf den Vorotan-Pass hoch. So langsam verstehen wir, warum Armenien das Land der vielen Höhenmeter ist. Die Bedingungen sind nicht wirklich optimal zum Radeln. Starker Gegenwind macht den Aufstieg noch anstrengender als er eh schon ist. Immerhin ist es nicht ganz so heiß.





Ein Highlight der vielen Klöster und historischen Städten im christlich geprägten Armenien ist das Kloster Tatev. Nicht allzu sehr die Räumlichkeiten, als vielmehr die Lage macht das Kloster für uns so einzigartig. Der Weg dorthin führt zunächst 12 km und 500 Hm in einen Canyon hinunter und anschließend auf einer unbefestigten Straße auf 6 km die Höhenmeter wieder hinauf. Wem das zu anstrengend ist, kann mit der Wings of Tatev aber die längste Pendelbahn der Welt nutzen. Eine Seilbahn, die an der höchsten Stelle 300 m über dem Boden schwebt. Wir entscheiden uns für den anstrengenderen Weg mit den Rädern durch den Canyon und auf die andere Seite zum Kloster. Anschließend ohne Räder einmal mit der Seilbahn hin und zurück. Wir haben gehört, dass es im Canyon versteckt warme Quellen geben soll. Das wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen und genießen ein herrliches Bad, wenn auch nicht ganz so warm wie erwartet.






Von Tatev aus nehmen wir die direkte Route nach Kapan. Die Aussicht auf kein Verkehr und eine tolle Landschaft sind zu verlockend. Spätestens seit Georgien sind wir was Dirtroads angeht abgehärtet. Teilweise ist die Strecke sogar asphaltiert und in nur halb so schlechtem Zustand wie erwartet.
In unserer Zeit in Armenien gab es eigentlich jeden Abend gleich mehrere Gewitter. Meistens haben wir diese aus der Ferne beobachten können. In Kajaran erwischt es uns dann doch. Wir wollen uns gerade an einer Bushaltestelle unterstellen, da werden wir auch schon auf die Geburtstagsfeier der 10 jährigen Sarah eingeladen. Selbst auf Kindergeburtstagen darf in Armenien der Vodka nicht fehlen. Natürlich nicht für Kinder, aber die Männer sind schon deutlich angetrunken. Da kommen wir genau richtig, ein Grund zum weiter trinken. Wie gut, dass wir unser Zelt vor Ort aufstellen können und von der Straße runter sind, als diese sich abends wieder hinters Steuer setzen.


Am nächsten Morgen geht es rauf auf den Meghri-Pass, der letzte Pass vor der iranischen Grenze. Es ist neblig und wir sind froh, dass nicht viel Verkehr auf der Straße herrscht. Der Nebel wird dichter und dichter und bald sehen wir kaum noch etwas vor uns. Auf dem Gipfel machen wir Pause. Dick eingepackt versuchen wir uns das erste Mal im Brötchen backen. Da das Feuer nicht richtig brennen mag, machen wir den Hefeteig im Kochtopf über unserm Brenner. Das Resultat sind köstliche Dampfnudeln bei denen nur noch die Vanillesoße fehlt. Immerhin können wir das 900 g Glas mit Feigenkonfitüre, was ich seit Tiflis im Gepäck habe, leeren. Auf der Abfahrt kommt dann ziemlich schnell die Sonne wieder durch und wir können doch noch die Landschaft genießen.



Es ist Nachmittag und die kargen Berge, welche die iranische Grenze markieren, liegen vor uns. Verzweifelt suchen wir noch einmal W-lan und werden direkt zum Essen eingeladen. Ein Essen ohne Hochprozentiges gibt es in Armenien nicht. Stolz wird uns gezeigt, wie das klare Getränk brennt wenn er angezündet wird. Mit vollem Magen und fünf Gläser Vodka intus erreichen wir um 8 Uhr abends doch noch die Grenze zum Iran und hoffen, dass es keinerlei Probleme gibt. Glücklicherweise haben die Beamten genau so wenig Lust wie wir auf viele Kontrollen und wir kommen problemlos durch. Aber was uns dann erwartet, hätten wir nicht gedacht.
Seit Deutschland sind wir mit dem Grenzübertritt in den Iran genau 100 Tage auf dem Rad unterwegs und haben insgesamt 6170 km zurückgelegt. Wir freuen uns auf weitere Kilometer jetzt durch den Iran.
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Chris (Montag, 25 Juli 2016 12:41)
Sieht sehr schön aus. Die Bilder sind echt der Hammer und das nicht nur wegen der Landschaft! Wäre ich doch einfach weiter mitgefahren :D
Michael D. (Montag, 25 Juli 2016 14:08)
We met in Albania (and again in Kosovo) -- your pics and reporting are fantastic, keep up the good work. A friend of mine from Oman is traveling the opposite direction, from Iran - Armenia - Georgia - Turkey and on to Europe. And I'm following you all from an armchair in Munich! toi toi toi!
Peter Winkler (Dienstag, 26 Juli 2016 10:54)
Phantastische Bilder aus Armenien. Tolles Land. Viel Glück weiterhin auf der Reise.
Werner (Dienstag, 26 Juli 2016 12:55)
Wahnsinnsbilder , ich rieche mal wieder die Gegend und beneide Euch dafür. Gute Reise weiterhin und nicht soviel Wodka trinken
Ronny (Dienstag, 09 August 2016 15:00)
Die Bilder sind einfach einmalig! Weiter so!
Peter (Montag, 29 August 2016 10:30)
Schade das ich nicht nach Tatev gefahren bin. Hab aber einfach zu viel Gepäck drauf.
Gruß aus Kazachstan
Boßmann Angelika/Jochen (Dienstag, 31 Januar 2017 18:10)
Toller Bericht. Wir verfolgen Eure Tour mit großem Interesse. Alles Gute