
Nach überdurchschnittlich vielen Regentagen für diese Jahreszeit und wenig Pausetagen wollen wir in Istanbul ein paar Tage Urlaub von unserem Radelalltag machen. Wir müssen neue Kraft tanken für unsern langen Weg durch die Türkei und unsere Ausrüstung bedarf auch etwas an Pflege. Das wir dann eine Woche hier verbringen, war so nicht geplant.
Gleich am ersten Abend setzen uns zwei Döner-Kebab außer Gefecht. Die Stadt muss leider auf uns warten. Die nächsten zwei Tage verbringen wir fast ausschließlich in unseren Betten. Ausgerechnet hier in Istanbul hat es uns erwischt. Oder ist es vielleicht doch ganz gut, dass es uns genau hier erwischt und nicht irgendwo im Nirgendwo. Jetzt nehmen wir uns die Zeit, die wir brauchen, um uns zu erholen.
Istanbul ist der Dreh- und Angelpunkt für Reiseradler, die in Richtung Asien wollen. Weshalb es wohl nicht verwunderlich ist, dass wir in unserm Hostel noch drei weitere Radler treffen. Bernhard ist auf dem Weg nach Shanghai und mit ähnlicher Route unterwegs wie wir. Sicher werden wir uns irgendwo noch einmal treffen. Ester, die wie der Zufall es will aus Heidelberg kommt, versucht sich über Georgien nach Russland durchzuschlagen. Die nächsten Tage wird sie von ihrem Freund begleitet. Es macht Spaß, sich auszutauschen und zu sehen wie andere unterwegs sind.

Auf unserer ersten Tour durch den Balkan im Jahr 2011 waren wir bereits einmal in Istanbul gewesen. In der Millionenmetropole, die niemals schläft, hatten wir uns damals die Sehenswürdigkeiten rund die Hagia Sophia, Sultanahmet Moschee und Topkapi Palast angeschaut. Dieses mal wollen wir es etwas ruhiger angehen lassen. Die Stadt auch ohne ihre überteuerten Eintrittspreise genießen. Mit Ihren unzähligen Gassen, Geschäften und Basaren hat die Stadt auch so viel zu bieten, was es zu entdecken gilt.


Wie wir erfahren, ist aktuell Hauptsaison in der Stadt. Nur wo sind die ganzen Touristen, die jedes Jahr auf ein Neues die Stadt an ihre Kapazitätsgrenze bringen? Keine endlos langen Warteschlagen, überfüllte Gassen und Gedränge auf den Basaren. Die Touristenfänger vor den Restaurants fahren ihre Arme aus. „Hello Mister… yes, please…come“. Wir erfahren, dass die Geschäfte seit den letzten Anschlägen so schlecht laufen wie schon lang nicht mehr und der Tourismus stark eingebrochen ist. Die Anschläge waren für uns aber kein Grund, um Istanbul einen Bogen zu machen. Wir fühlen uns zu keinem Zeitpunkt unwohl oder nicht sicher.
Mit uns als Radreisenden lässt sich aber leider auch kein Geld verdienen. Gerne hätten wir den ein oder anderen schönen Teppich oder das bunt bemalte Porzellangeschirr gekauft. Aber unsere Radtaschen sind auch so schon voll genug mit unhandlichem Zeug.
Die türkische Küche hat so viele Köstlichkeiten zu bieten. Jedoch können oder vielmehr wollen wir uns die ziemlich überteuerten Touristenpreise in den Restaurants nicht leisten. Eine günstige Möglichkeit die hiesige Küche kennen zu lernen, bieten die meist etwas versteckt liegenden Lokaltasis. Kleine Kantinen, bei denen die Händler und Arbeiter essen gehen. Fast jeden Tag stehen wir vor dem großen Schaufenster, schauen uns die große Auswahl wechselnder Köstlichkeiten an und wählen aus, was uns gefällt. Auch die gekochten oder gegrillten Maiskolben Misir und der Fisch-Kebap gehören natürlich zu Istanbul dazu. Aber wir fahren ja noch eine Zeitlang durch die Türkei, um all die anderen Köstlichkeiten, die die türkische Küche bietet, zu probieren.
Für Radreisenden bietet Istanbul eine Vielzahl an kleinen, meist sehr einfachen Fahrradläden. Wer jedoch spezielle Dinge sucht, muss erst ein wenig suchen, bis er den passenden Laden findet. Durch die Schlammschlacht der letzen Wochen sind unsere Bremsbeläge stark abgenutzt. In den kleine Radläden wollen sie uns nur die billigen Nachbauten aus Fernost in schlechter Qualität, aber zum Preis der Originalen verkaufen. Gut, dass wir aufmerksam waren. Letztendlich wurden wir doch fündig. Auf der asiatischen Seite finden wir bei Bisiklet Gezgini alles, was wir als Reiseradler für unsere Räder benötigen oder auch benötigen könnten. Also, das nächste Mal lieber gleich dorthin gehen.
Uns war schon beim Start in Deutschland klar, dass wir uns irgendwann von überflüssigen Dingen trennen werden. In Istanbul stand jetzt das Aussortieren der Ausrüstung an. Mit der Zeit haben wir festgestellt, was wir wirklich brauchen und was nur überflüssiges Gewicht ist. Also heißt es Paket packen und ab zur Post. Naja, ganz so einfach ist das hier in der Türkei dann doch nicht. Wir werden uns nie wieder über Wartezeiten an deutschen Postschaltern beschweren. Einfach mal schnell ein Paket wegbringen ist hier nicht. Wir haben rund 1,5 Stunden benötigt, bis alle Dinge vor Ort verpackt, das Paket gewogen und alle Formulare ausgefüllt waren. Wie gut, dass die Frau hinter dem Schalter wenigstens etwas Englisch gesprochen hat. Sonst hätten wir womöglich den halben Tag dort verbracht. Wir trennen uns von zahlreichen Klamotten, einer Hängematte, ein paar Elektronikkleinteilen und auch unserer Spiegelreflexkamera.

Rund 5 Kilogramm leichter verlassen wir den europäischen Kontinent und betreten mit dem asiatischen Kontinent eine uns unbekannte Welt. Wir sind gespannt was uns erwartet. Wie sich die Landschaft, die Menschen und die Kultur verändern. Ab jetzt wollen wir uns mehr Zeit nehmen und reisen.
Tage bis Istanbul: 42 Tage und 3318Km
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Ronny (Dienstag, 14 Juni 2016 16:18)
Weiterhin eine gute Reise!
Immer sehr interessant Eure Blogeinträge, die Ansporn für eigene kleine "Radausflüge" sind :)
grenzenlos (Mittwoch, 15 Juni 2016 07:57)
Hallo Ihr 2,
schön geschrieben, schöne Bilder + prima HP. Weiter so!
Da kommen viele Erinnerungen hoch. Wir sind selbst Weltumradler (gewesen).
Wünschen Euch eine absolut gute Tour.
LG, Wi + Gi grenzenlos