
Großstädte. Jede Stadt hat ja bekanntlich ihre Eigenarten. Skopje erinnert uns sehr an die kitschige Kopie aus griechischer Baukunst im Disneyland Format, gepaart mit etwas Wien, Prag und London. Wir können nur den Kopf schütteln. Wo kommt das ganze Geld her, das in den letzten Jahren hier vergeudet wurde? Wir können die Kritik verstehen, die das Städtebauprojekt "Skopje 2014" mit sich gezogen hat. Gerade die hohe Arbeitslosigkeit im Land passt einfach nicht zu einer solchen Verschwendung. Viele Mazedonier sind schon mal in Deutschland gewesen. Die Stadt Wuppertal fällt immer wieder in Gesprächen.
Auch fällt uns die Polizeipräsenz auf den Straßen auf. Aus der Ferne bekommen wir auch etwas von einer Demonstration mit.
Trotzdem genießen wir die kurze radelfreie Pause und die vielen Köstlichkeiten rund um den alten Basar.
Für uns bestätigt sich immer mehr, dass es richtig war mit dem Rad aufzubrechen. Von unseren Rädern aus sehen und erfahren wir viel mehr von der Bevölkerung. Wer immer nur die Großstädte mit Flugzeug, Bus oder Bahn besucht, sieht nicht viel vom eigentlichen Land.
Eigentlich hatten wir endlich auf gutes Wetter gehofft. Pustekuchen. Schon wenige Kilometer aus Skopje raus erwischt uns ein Gewitter. Wir spannen gerade noch rechtzeitig unsere Plane über die Räder und verkriechen uns darunter. Regen und Hagel prasseln auf uns ein. Auf dem Rad sind wir zwangsläufig der Natur ausgeliefert und müssen uns den Gegebenheiten anpassen.
Auch Mazedonien hat das gleiche Problem wie so ziemlich alle bisher bereisten Balkanländer. Müll! Der abgeladene Müll verteilt sich durch den Wind zwangsläufig in der gesamten Landschaft. Vor allem die leichten Einwegtüten und PET-Flaschen liegen überall verstreut. Wo Müll ist, hausen auch zwangsläufig vor allem streunende Hunde. Diese ernähren sich von dem, was der Mensch übrig lässt. Es ist ein trauriger Anblick, den die völlig verängstigten, offensichtlich kranken und geschwächten Tiere abgeben.
Doch nicht alle Hunde sind so friedlich gegenüber Radfahrern. Aus eigener Erfahrung haben wir uns direkt nach der Grenze zu Bulgarien einen Stock zugelegt. Der leider gleich am ersten Tag, als uns eine Gruppe von Wachhunden über die Straße verfolgt, zum Einsatz kommen muss. Mittlerweile hat jeder von uns einen Stock. Aber wir sind froh, solange wir ihn nicht einsetzen müssen.
In Bulgarien treffen wir Donald, einen Amerikaner, der auf der Suche nach seinem Glück ist. Die Wahrscheinlichkeit, einen anderen Reiseradler beim Wildzelten zu treffen, auch noch mit dem gleichen Zelt, ist wohl sehr gering. Wir hatten wohl die gleiche Idee. So langsam entwickeln wir ein Gespür für gute Übernachtungsplätze. Und der Platz, den wir uns teilten war einer davon.
Da wir in die selbe Richtung unterwegs sind, fahren wir ein ganzes Stück gemeinsam.

Upps...nach zwei Tagen in Bulgarien fällt uns auf, dass wir die Uhr eine Stunde vorstellen müssen. Stimmt, da war ja was. Besser spät als nie.
Langsam haben wir unseren Rythmus gefunden. Früh aufstehen, Radeln, früh schlafen... Der Körper hat sich an die tägliche Arbeit auf dem Rad gewöhnt. Und ja, es ist wirklich Arbeit. Immerhin machen wir keinen Urlaub, sondern wir reisen.
Das wir uns immer noch in der Lernphase befinden, wird uns an einem Tag wieder mal bewusst. Die Nacht hat es heftig gewittert und der am Tag zuvor so schöne Feldweg hatte sich in Matsch verwandelt, der an allem haftet was mit ihm in Berührung kommt. Zu spät, die Reifen sind wie Klebeband und die Schutzbleche haben sich sofort zugesetzt. Der Lehmboden lässt sich nur mit großer Mühe wieder entfernen. Offensichtlich hat Andis Hinterrad bei der Aktion was abbekommen und eine Speiche ist gebrochen. Wir verbringen den halben Tag damit, die Räder wieder fahrtüchtig zu machen. Die Motivation ist an einem Tiefpunkt angekommen, aber wir sind um eine Erfahrung reicher.
Der Grenzübertritt in die Türkei fühlt sich das erste Mal wie ein richtiger Grenzübertritt an. Keine Beamten die Kaffee trinken, sondern ein stark bewachter Hochsicherheitstrakt. Ausweiskontrolle. Taschenkontrolle. Wohin reist ihr? Wie lang? Wir kommen trotzdem zügig durch.
Edirne ist die erste große Stadt direkt hinter der Grenze. So viele Menschen, Lärm und Verkehr. Puh, wir bekommen etwas Panik. Tief durchatmen und rein ins Getümmel. Ein neues Land, eine andere Kultur, neue Währung, andere Preise. Dies bedeutet für uns viele neue Eindrücke auf einmal. Wir müssen uns erst einmal orientieren. Überall Köstlichkeiten zu kaufen und wir füllen nochmal unsere Taschen auf.

Eigentlich wollten wir nördlich nach Istanbul rein fahren. Doch stehen wir auf einmal mitten auf einer Baustelle. Eine Straße, die wir auf unseren Karten noch drauf haben, war weg. Auch die Städte in der Türkei vergrößern sich stetig. Überall wird gebaut. An den Stadträndern entstehen oft ganze Siedlungen mit Moscheen, Einkaufsmöglichkeiten und Schulen. Ein Haus gleicht dem anderen, was nicht sehr anspruchsvoll für Architekten oder Arbeiter ist und auch nicht wirklich hübsch. In eine Stadt mit rund 15 Millionen Einwohner zu fahren ist kein Zuckerschlecken. Wir versuchen mit Hilfe des GPS einen Weg durch den Großstadtdschungel zu finden, mit mäßigen Erfolg. So kommen wir nicht voran. Die vielen Ampeln, die Anstiege und der Verkehr machen uns mürbe. Als wir anhalten um durchzuatmen, spricht uns eine Türkin in Englisch an. Andi hat auch gleich ein Smartphone am Ohr mit einem Herrn am anderen Ende, der ebenfalls Englisch spricht. Alle wollen sie uns helfen, den richtigen Weg zu finden. Großartig, hilfsbereite Menschen! Die nächste links, dann wieder links und an der Kreuzung rechts den Schildern folgen. So werden wir zur mehrspurigen Schnellstraße gelotst. Nicht mit deutschen Fahrradwegen zu vergleichen, aber hier in der Türkei wohl die beste Lösung. Die letzten Worte der Türkin sind, wir sollen das nicht so eng sehen mit dem Verkehr und den Straßen hier, nur auf uns aufpassen sollen wir. Es ist Rush Hour, der Verkehr geht nur langsam voran. Optimal, wir schlängeln uns an den Autos vorbei und kommen so zügig ins Zentrum. Mit jede Menge Adrenalin im Blut und völlig verschwitzt, sind wir in der Millionenmetropole Istanbul angekommen.
In Istanbul waren wir 2011 schon einmal auf unserer ersten Tour durch den Balkan. Auch diesmal wollen wir einige Tage bleiben und neue Kraft tanken. Wir brauchen einige Ersatzteile, müssen unsere weitere Reiseroute durch die Türkei planen und natürlich noch die Stadt anschauen. Am ersten Abend werden wir jedoch ausgebremst. Was falsches gegessen! Anstatt neue Kraft zu tanken, wird sie uns erst einmal genommen. Wir beschließen ein paar Tage länger hier zu bleiben. Bis Istanbul waren wir sehr flott unterwegs, jetzt nehmen wir uns die Zeit, die wir brauchen.
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Ronald Pföhler (Mittwoch, 18 Mai 2016 20:38)
Klingt ja sehr abenteuerlich, vor allem die Sache mit der Magenverstimmung :/
Erholt Euch gut und lasst Euch nicht aufhalten!
Weiterhin gute Fahrt! :)
Martin (Donnerstag, 19 Mai 2016 06:43)
Na dann mal gute Erholung!
Werner (Donnerstag, 19 Mai 2016 09:26)
Wo ist die Tigerente ? Sonst ist immer ein Bild von ihr zu sehen
Martin K W (Donnerstag, 19 Mai 2016 10:58)
Gratuliere zum guten Vorankommen.
Ab jetzt "cook it- peel it -or forget it".
Zur weiteren Route fällt mir ein:
China und bes. Tibet ist extrem pingelig mit Visa
und in Aserbeidschan ist in Region Berg-Karabach Krieg.
Vielleicht gibts in Istanbul Infos dazu in den Botschaften.
Ramona H. (Sonntag, 22 Mai 2016 21:13)
Macht weiter so! Eure Berichte sind so toll! Alles Gute weiterhin, viel Glück und Gesundheit!!!!!
Albert & Ute (Montag, 23 Mai 2016 17:38)
Hallo ihr beiden, schön, dass ihr es soweit und doch so gut und schnell
geschafft habt. Passt weiterhin gut auf euch auf!
Grüße aus Mannheim
Evy&Uwe (Dienstag, 31 Mai 2016 14:47)
Hi Ihr Zwei,
klasse was Ihr schon geschafft habt!
Als Tip für Unterkünfte (bei Gleichgesinnten): warmshowers.org
Das ist so eine Art "Couchsurfing für Radreisende", funktioniert (mehr oder weniger) weltweit und ist eine tolle Möglichkeit Land und Leute nochmal anders kennenzulernen.
Beste Grüße aus Friedrichsfeld und weiterhin großartige Eindrücke!
Christa Unglaube (Mittwoch, 01 Juni 2016 17:48)
Oh , Endrine bis Istambul, wir waren mit dem WoMo unterwegs- das hatte wenigsten ein Navi. Nette sehr hilfsbereite Menschen haben wir überall getroffen. Tolle Reise die Ihr da macht. Ich bin eben erst eigestiegen und fahre mit Euch - mit wachsender Begeisterung. Alles Gute und paß auf Euch auf.
Christian (Donnerstag, 02 Juni 2016 13:37)
Hey ihr Zwei,
danke für den tollen Blog Artikel, war ja echt eine tolle Tour. Macht weiter so! :)
Gross (Donnerstag, 09 Juni 2016 19:52)
Hallo ihr zwei, es freut mich, dass es euch wieder gut geht. Mama und ich verfolgen eure Reise in einem riesigen Atlas in Hüttenfeld. Unser Fähnchen steht jetzt bei Trabzon. Gute Weiterfahrt. LG aus Viernheim Brigitte
strohmeyer (Freitag, 10 Juni 2016 11:21)
Hallo ihr Zwei mir Unbekannten, eure Adresse habe ich aus dem Naturfreundeheft und verfolge mit Interesse und Freude eure tolle Reise. Das hätte mir in jungen Jahren auch gefallen. Ich werde immer mal wieder von euren Abenteuern lesen.
viel eErfolg
Heike Rohde (Dienstag, 14 Juni 2016 23:21)
Es freut mich, dass es euch gut geht. Vielleicht erinnert ihr euch noch: ein unabgespanntes Gemeinschaftszelt, ein Gewitter und dann viel nasses Gepäck. Wir haben uns an der Soca kennengelernt.
Jedenfalls hat Chris mir von eurer spannenden Reise erzählt (er meinte ihr freut euch über Post und ich soll ruhig mal was an euch schreiben)und jetzt schaue ich ab und an mal in euren Reisebericht hinein und verfolge eure bewundernswerte
Reise. Lasst es euch gut gehen
Liebe Grüße Heike
Martin (Sonntag, 21 Mai 2017 16:02)
Hallo!
Vielen Dank für euren Block! Versuche in eure Fußstapfen zu treten bzw in eure Radspur zu kommen. Mit einer bunten Reisegruppe aus ganz Europa geht es morgen von Istanbul aus weitere Richtung Pamir. Eure Infos und Berichte helfen und inspirieren uns. Im Bikeshop bei Alexis habe ich euren Eintrag wiedergefunden.
Save Travels!